Fraunhofer-Institut bietet strategisches Instrument als Unterstützung an, Teil 3 und Schluß:

Wettbewerbsorientierung ist Leitstern für Technikplanung

03.06.1988

Der Einsatz von Informationstechnik für ein Computer-Integrated Business führt immer auch zu komplexen Entscheidungen, meinen Experten des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart*. Vorausdenken tut deshalb Not. Die IAO-Experten wollen mit zwei Fallbeispielen eine Orientierungshilfe zur strategischen Planung der Informationsverarbeitung geben.

Absehbare Veränderungen der Umweltsituation aus dem überproportionalen Wachstum von Informationen zwingen viele Dienstleistungsunternehmen, um die marktgerechte Erbringung ihrer Dienstleistungen gewährleisten zu können, dazu, neue und wirtschaftlichere Methoden der Informationsbereitstellung und -verteilung zu entwickeln und fordern zunehmend den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie. Konventionelle Archivierungsformen auf Papier oder Mikrofilm reichen kaum noch aus, Informationen auf einem aktuellen Stand zu halten und den problemlosen Zugriff darauf in einem vertretbaren Zeitaufwand zu gewährleisten.

Fallbeispiel 1: Dienstleistungsunternehmung

Externe Wandlungsprozesse zunehmender Liberalisierungsbestrebungen in den Dienstleistungsbereichen (zum Beispiel europaweite Öffnung der Märkte), die Entwicklungen neuer Basistechnologien und damit verbunden ein Zusammenwachsen klassischer Technikfelder mit der Notwendigkeit, neue Angebotspaletten von Dienstleistungen anbieten zu können und gewandelte Kundenbedürfnisse stellen heute neue Anforderungen an die Aufgabeninhalte und verlangen hohe Flexibilität bei der Aufgabenerledigung.

Vor dem Hintergrund der Dynamik der Marktentwicklung und der Diskontinuität der Entwicklung auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnik wird die Konzipierung und Implementierung einer zukunftsweisenden Infrastruktur zur Informationsverarbeitung zu einem komplexen Entscheidungsproblem. Der Gesamtrahmen für die Planung und Einführung der integrierten und an strategischen Belangen der Unternehmung ausgerichteten Informationsverarbeitung entsteht unter Berücksichtigung dieser Bedingungen.

Die Analysen der heutigen und zukünftig zu erwartenden Umweltanforderungen und der Stärken und Schwächen der Unternehmung ergeben organisationsbezogen unterschiedliche Ausprägungen der Umweltbedingungen, im speziellen haben sich vier Trends einer Veränderung der Wettbewerbsumwelten herauskristallisiert (vgl. Abbildung 1).

Die Positionierung der einzelnen Organisationseinheiten in eine bestimmte Wettbewerbsumwelt und das Aufzeigen adäquater Strategien zur Bewältigung der Umweltanforderungen (vgl. Abbildung 2) haben dabei zum Ziel, das Spektrum relevanter Strategien für die Gesamtunternehmung abzuleiten:

- stärkere Kundenorientierung,

- Verknüpfung des Leistungsprogramms,

- Marktdurchdringung,

- Diversifikation,

- Rationalisierung,

- Anstreben von Qualitätsführerschaft,

- Innovationsorientierung und

- Marktorientierung.

Im Sinne eines optimierten Einsatzes betrieblicher Ressourcen und vor dem Hintergrund der Forderung nach einer Reintegration des bislang teilweise unkoordinierten Einsatzes technischer Unterstützungssysteme bilden die spezifischen Ausprägungen der Wettbewerbsumwelten der einzelnen Organisationseinheiten in ihrer Gesamtheit den Rahmen, an dem sich die strategische Ausrichtung der Informationsverarbeitung orientieren muß.

Ausschlaggebend für die operative Umsetzung der Bewältigungsstrategien in organisatorische und technische Lösungskonzepte sind die Möglichkeiten, durch den Einsatz von informations- und kommunikationstechnischen Unterstützungssystemen bislang getrennte Tätigkeitselemente zu ganzheitlichen Arbeitsstrukturen (Aufgabenintegration) zusammenzufassen und diese aufgrund der steigenden Autonomie der einzelnen Aufgabenbereiche zu dezentralisieren

Vor diesem Hintergrund sind drei Dimensionen für die Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation in der Dienstleistungsunternehmung von Bedeutung; zum einen die Integration von fachspezifischen Tätigkeiten und vor- und nachgelagerten verwaltenden und unterstützenden Tätigkeitsinhalten und zum anderen die Breite der fachbezogenen Tätigkeit und die Zentralität / Dezentralität der Aufgabenerfüllung (vgl. Abbildung 3).

Organisatorisch lassen sich diese beiden Dimensionen unter Berücksichtigung ihrer verschiedenen Ausprägungen in

- flexible Kooperationsteams mit Fachspezialisten- und Unterstützungstätigkeiten,

- integrierte verwaltungs- und fachspezifische Tätigkeiten und

- kundenorientierte Projektteams umsetzen.

Diese Organisationskonzepte beschreiben ein Stufenkonzept des Übergangs, von einer sparten- zu einer kundenorientierten Unternehmensorganisation und werden dem gesamten Spektrum der Anforderungen an die unterschiedlichen Tätigkeitsformen gerecht und können nach konkretem Bedarf umgesetzt werden, wobei die Umgestaltung nicht nur Auswirkungen auf vor- und nachgelagerte Bereiche hat, sondern auch organisatorische Anpassungen in zentralen Funktionsbereichen erfordert.

Fallbeispiel 2: Engineering-Unternehmung

Eine mittelständische Unternehmung befindet sich auf dem Weg in eine dynamische, reaktive Wettbewerbsumwelt, in welche sie vor allem durch den massiven Qualitätswettbewerb mit deutschen, italienischen und vor allem japanischen Anbietern gedrängt wird. Dementsprechend hoch ist auch der Innovationswettbewerb. Die Unternehmung hat eine weltweite Marktpräsenz und eine Exportquote von über 70 Prozent. In bezug auf die Unternehmungs- und Geschäftsfeldstrategie kristallisierten sich bislang drei Schwerpunkte heraus: Differenzierung, Konsolidierung und Produktivität. Um Kundenwünschen genauer, schneller und individueller entsprechen zu können und damit gegenüber den Konkurrenten einen Wettbewerbsvorteil zu erreichen, sollte in der Unternehmung die Durchlaufzeit bei der Angebotserstellung verkürzt werden.

Der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik zur Realisierung eines Just-in-Time-Systems dagegen könnte die Kostensituation und damit die Gewinnspanne nachhaltig verbessern.

Als kritische Erfolgsfaktoren für den Unternehmenserfolg galten:

- die hohe technische Kompetenz in klassischen maschinenbaulichen Gebieten,

- die Produktqualität,

- die Servicefähigkeit sowie der Kundendienst und die Wartung,

- das Unternehmungsimage, welches geprägt ist von Innovationsfähigkeit und Kundennähe.

Eine Analyse der Wettbewerbsumwelt zeigt heterogene Wettbewerbspositionen für die am Markt agierenden Bereiche (vgl. Abbildung 4).

Für jeden dieser Bereiche konnten Ansatzpunkte für strategische Informations- und Kommunikationssysteme ermittelt werden. Im Bereich Ersatzteile /Service /Wartung wurden die Veränderungen am Markt in erster Linie von der Störanfälligkeit der Maschinen beeinflußt und waren aufgrund von Erfahrungswerten bestimmbar. Die Anforderungen der Kunden konzentrieren sich auf die schnelle Bearbeitung von Aufträgen. Der Einsatz von Informations- und Kommunikationssystemen sollte daher dem Zweck der Durchlaufzeitverkürzung und der informatorischen Koppelung der Qualitätssicherung dienen. Dazu waren Konzepte wie rechnerunterstützte Maintenance und DV-basierte Ferndiagnosesysteme in der Diskussion. Entsprechende Szenarien wurden für die anderen am Markt agierenden Bereiche aus den Ergebnissen der Analyse der Wettbewerbsumwelt ermittelt. Die ermittelten internen Automatisierungsbedingungen sind in Abbildung 5 dargestellt.

Auf der damit verfügbaren Informationsbasis wurden dann unter anderem folgende zukunftsweisende Informatikkonzepte definiert:

- Automatisierte Angebotserstellung,

- Integriertes Diagnosekonzept,

- Betriebswirtschaftliche Planungs- und Steuerungssysteme auf PC-Basis,

- Desktop-Publishing im Schulungsbereich und zur Erstellung von Bedienungsanleitungen für kundenspezifische Varianten.

Diese Informatikkonzepte wurden im Detail ausgearbeitet (Abbildung 2 als Beispiel für das integrierte Diagnosekonzept).

Als Grundlage für die nachfolgende Bewertung der Alternativen wurden jeweils die aktuelle Ausgangssituation und die entsprechenden Defizite und Schwachstellen beschrieben. Die mit dem jeweiligen Konzept verbundenen realisierbaren Wettbewerbsvorteile wurden präzisiert Als Grundlage für die spätere Realisierung werden Realisierungsstufen entwickelt und technische und organisatorische Anforderungen abgeleitet . In einer Gesamtschau wurden zum Abschluß wechselseitige Abhängigkeiten in organisatorischer und technischer Hinsicht zwischen den einzelnen Informatikkonzepten aufgedeckt und technische Rahmenstrategien lokalisiert.

Als Fazit läßt sich sagen, daß diese Form der Analyse und Planung keine fertigen und automatischen Antworten auf die Fragen der Unternehmensleitung erbringt. Es genügt bei weitem nicht, unter Einsatz von rechnergestützten Werkzeugen Präsentationsgrafiken in unterschiedlichster Form zu erzeugen, wenn neue Möglichkeiten zum Erzielen von Wettbewebsvorteilen gesucht werden oder in naher Zukunft wesentliche Veränderungen zu erwarten sind.

Informations- und Kommunikationssysteme lassen sich nicht wert- und organisationsneutral als reine Dienstleistungsressource in bestehende Unternehmungen eingliedern, ohne daß Änderungen der Organisationsstruktur und der Arbeitsabläufe eine nicht immer gewollte Folge sind. Vor allem strukturelle -Komponenten wie Kontrollspannen, Formen der Dezentralisation, Planungs- und Kontrollmechanismen müssen mit der jeweils vorherrschenden Umweltkonstellation übereinstimmen.

Erfahrungen zeigen, daß diese Vorgehensweise nicht die Kreativität und Intuition ersetzen, diese jedoch kanalisieren und als Grundlage für den Dialog zwischen den verantwortlichen Managern aufbereiten kann.

Weiterhin haben die Erfahrungen gezeigt, daß neben dem analytischen Rahmenwerk die damit für das Management zur Verfügung gestellte Sprache Grundlage für wichtige unternehmenspolitische Entscheidungen ist.

*Hans-Peter Fröschle, Dr. Joachim Niemeier, Martina Schäfer

Werkzeugkasten

Strategische Planung der Informationsverarbeitung im Unternehmen gelernt sein. Der Orientierungsrahmen der Experten des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation trägt so auch das Motto: Statt wie üblich nur zu reagieren, sind Veränderungen vorausdenkend in den Griff zu bekommen. Bisher bewähren sich allerdings marktfeile Ratschläge vielfach nur auf dem Papier, zudem verschreckt das Fachchinesich in Strategiediskussionen den Anwender, kritisieren die IAO-Experten. In einer dreiteiligen Folge erarbeiteten die Stuttgarter deshalb zunächst die Problemstellung, beschäftigen sich dann mit der Analyse von Erfolgsfaktoren und verdeutlichen in der dritten und letzten Folge ihre Überlegungen zur strategischen Planung der Informationsverarbeitung an zwei Fallbeispielen. Auch Diese Methode, so daß Fazit, ist nur ein Werkzeugkasten: Sie kann nämlich nicht Kreativität und Intuition ersetzen.