EXECUTIVE INFORMATION SYSTEMS

Wettbewerbsdurck zwingt Anwender zum EIS-Einsatz

19.03.1993

Executive Information Systems tragen entscheidungs- und stretegierelevante Informationen aus verschiedenen internen und externen Quellen zusammen und stellen diese den Fuehrungskraeften individuell zur Verfuegung. Ziel ist eine erfolgreiche strategische und operative Steuerung des Unternehmens. Fuer unsere Untersuchung wurde ein Modell entwickelt, das die wesentlichen Komponenten der EIS-Welt abbildet. Wir beruecksichtigten so verschiedene Aspekte wie interne und externe Ausloeser fuer EIS-Projekte, die Frage nach Initiator, Nutzer, Sponsor und Entwickler, das Thema Personal- und Finanzressourcen, die zum Einsatz kommenden Methoden und die in das EIS einfliessenden internen und externen Daten.

Im Sommer 1992 wurden 38 Unternehmen angeschrieben, die ueber Praxiserfahrungen mit der Entwicklung und Nutzung von EIS verfuegen. Davon beantworteten 23 den Fragebogen zufriedenstellend - das entspricht einer Ruecklaufquote von ueber 60 Prozent. Obwohl die Untersuchungsergebnisse sicher nicht repraesentativ sind, lassen sie doch Rueckschluesse auf das Anwenderverhalten und -denken zu. Die untersuchten Unternehmen konzentrieren sich nicht auf eine oder wenige Branchen. Hinsichtlich der Umsatzstaerke und Mitarbeiterzahlen fallen sie fast ausnahmslos unter die 400 groessten Unternehmen Deutschlands. Lediglich zwei Teilnehmer liegen mit einem Umsatz unter 330 Millionen Mark und weniger als 800 Beschaeftigten deutlich unter dem Durchschnitt (Mittelwerte: 2,3 Milliarden Mark Umsatz, 7500 Mitarbeiter).

Die Gruende fuer die Initiierung eines EIS-Projektes sind unterschiedlich. Als unternehmensexterne Einfluesse werden der steigende Wettbewerbsdruck und die schnelle Veraenderung der Umweltbedingungen genannt. Intern kommt es den Unternehmen vor allem auf die Verbesserung der Informationslage und der Kommunikation an (vergleiche Abbildung 1).

Die Initiative fuer ein EIS ging in neun der 23 Unternehmen von der Geschaeftsleitung aus. Bei drei Unternehmen kam der Initiator aus Abteilungen, die sich mit Informationssystemen beschaeftigen, weitere sechs Anreger gehoerten anderen Fachabteilungen an.

Nach den amerikanischen Untersuchungen ist fuer den Erfolg eines EIS ein Sponsor aus den Reihen des Topmanagements entscheidend. Ihm kommen verschiedene Aufgaben zu: Er setzt sich fuer die Einrichtung eines EIS-Projekts ein, zeigt klar die Richtung des Entwicklungsprozesses auf und gibt Feedback bezueglich der zu entwickelnden Anwendungen.

Der Sponsor unterstreicht kontinuierlich sein starkes Interesse an dem EIS gegenueber denen, die als Entwickler oder Datenlieferanten involviert sind. Bei unserer Untersuchung gaben ueber die Haelfte der Unternehmen an, dass sie fuer ihr EIS einen Fuersprecher aus dem Topmanagement haben. Die restlichen Befragten verneinten die Frage oder gaben keine Auskunft.

Nach Einschaetzung der amerikanischen EIS-Forschung ist eine Kosten-Nutzen-Analyse fuer ein zu entwickelndes EIS kaum durchzufuehren, da sich der Nutzen nicht quantifizieren laesst.

Die Ergebnisse unserer Untersuchung stuetzen diese Einschaetzung. Nur vier Unternehmen gaben an, dass sie im Vorfeld eine Kosten-Nutzen-Analyse durchgefuehrt haben.

Im Gegensatz dazu wurden die Kosten fuer die Entwicklung und Einfuehrung eines EIS sehr wohl beruecksichtigt. Bei der Frage nach den in der Startphase des EIS-Projektes entstandenen Kosten machten 15 Unternehmen Angaben zu Software-, elf zu Hardware-, sechs zu Personal- und acht Unternehmen zu Schulungskosten. Die Auswertung dieser Angaben zeigt, dass die Ausgaben fuer Software und Personal klar am groessten sind (Vergleiche Abbildung 2).

Da sich der Nutzen eines EIS kaum in Zahlen ausdruecken laesst, wurden die Unternehmen gebeten, eine qualitative Schaetzung vorzunehmen. Die ueberwaeltigende Mehrheit sieht demnach in dem System ein Instrument zur Verbesserung der Entscheidungsqualitaet und zur Beschleunigung der Entscheidungsprozesse. Rund ein Viertel erzielte durch den EIS-Einsatz Personaleinsparungen im Bereich Informationsbereitstellung und -aufbereitung. Bei vier Unternehmen konnte mittels EIS das Management fuer DV-Fragestellungen sensibilisiert werden.

Zur Besetzung des EIS-Entwickler-Teams wurden die Unternehmen ebenfalls befragt. Die durchschnittliche Teamgroesse lag bei vier staendigen Mitgliedern, wobei externe Berater, die meist nur zeitweise herangezogen wurden, aus Gruenden der Vergleichbarkeit bei der Durchschnittsberechnung unberuecksichtigt blieben.

Ein Entwicklerteam sollte mit Mitgliedern besetzt sein, die mit den Zielen, Strategien, Produkten und Maerkten des Unternehmens vertraut sind und ueber Kenntnisse im Informations-Management gleichermassen wie ueber DV-technisches Know-how verfuegen. Ausserdem muessen sie den Fuehrungskraeften als kompetente Gespraechspartner bei der Loesung inhaltlicher, organisatorischer oder technischer Problemstellungen zur Verfuegung stehen (vergleiche Abbildung 3).

Gefragt wurde auch nach den wichtigsten Faehigkeiten, ueber die ein Mitarbeiter im EIS-Team verfuegen sollte. Auffaellig bei den Nennungen ist, dass DV-technisches Know-how am haeufigsten genannt wurde - noch vor den Kenntnissen ueber Geschaeftsprozesse im Unternehmen (vergleiche Abbildung 4).

In ein EIS-Projekt sind zumeist verschiedene Fachabteilungen involviert. Die Unternehmen wurden gebeten, diese Abteilungen zu nennen. Dabei stellte sich heraus, dass das Controlling am haeufigsten vertreten ist. Dieses Phaenomen ist unter anderem dadurch zu erklaeren, dass ein EIS in der Regel als Informationssystem des Controllings seinen Anfang nimmt (vergleiche Abbildung 5).

Die Entwicklungsdauer der ersten Version eines EIS ist von zentraler Bedeutung fuer das weitere Fortbestehen des Systems. Daher sollte diese Einstiegsausfuehrung zuegig fertiggestellt und den Nutzern moeglichst schnell praesentiert werden. Die Unternehmen benoetigten eine durchschnittliche Entwicklungsdauer von sieben Monaten bis zur Einsatzfaehigkeit der ersten Anwendungen. Fast alle Befragten bevorzugten bei der Entwicklung ein iteratives Vorgehen mit Prototyping. Nur ein Unternehmen waehlte den traditionellen Software-Lebenszyklus.

Zur Identifizierung des Informationsbedarfs setzten die Unternehmen verschiedene Methoden ein. Einige Anwender vertrauten auf mehrere Vorgehensweisen gleichzeitig. Auffaellig ist, dass sich die meisten Befragten am bestehenden Papierberichtswesen orientierten (vergleiche Abbildung 6).

Die Unternehmen wurden auch nach den Funktionsbereichen gefragt, aus denen Daten in ein EIS eingehen. Vor allem der Bereich Vertrieb und Absatz liefert demnach Daten. Von hoher Relevanz ist auch die Personalwirtschaft (vergleiche Abbildung 7).

Freilich sind nicht nur interne Daten von Belang. Auf die Frage nach der Nutzung firmenfremder Informationsdienste gab die Haelfte der Unternehmen an, dass sie bei der Datenbereitstellung auch auf externe Daten zurueckgreift.

Als bevorzugte Anbieter gelten die Deutsche Bundesbank, Genios, Esmerk und Reuters. Der Datenaustausch wird in den meisten Faellen ueber Band oder Diskette vorgenommen. Einige Unternehmen verfuegen auch ueber einen direkten Zugriff auf die Datenbank eines externen Informationsanbieters.

Hohe Akzeptanz in den Unternehmen

Um die Fuehrungskraefte moeglichst effektiv zu unterstuetzen, muss ein EIS Informationen vieler verschiedener Bereiche vorhalten. So stellt es oft Informationen ueber Produkte, Funktionsbereiche, Projekte oder strategische Geschaeftseinheiten bereit. Am haeufigsten erfolgt dabei die Datenverdichtung nach Produkten, erst an zweiter Stelle die Konzentration auf strategische Geschaeftseinheiten (vergleich Abbildung 8).

Auch die bevorzugte Art und Weise der Informationsaufbereitung - ob Text, Grafik oder Tabelle - wurde beruecksichtigt. Nur durchschnittlich sechs Prozent der Informationen werden demnach als Text dargestellt, 34 Prozent als Grafik und 60 Prozent in Tabellenform.

Ein wichtiger Erfolgsindikator fuer ein EIS ist der erreichte Durchdringungsgrad. Hiermit ist die Zahl der Nutzer gemeint, die Zugriff auf das System haben. Um den Erfolg langfristig zu sichern, ist es wichtig, den Durchdringungsgrad mit zunehmender Dauer des Einsatzes zu steigern.

Befragt nach der Entwicklung der Anwenderzahl seit Einfuehrung des Systems zeigte sich, dass die durchschnittliche Anzahl im ersten Jahr nach Einfuehrung des EIS bei 20 Personen lag. Am Ende des zweiten Jahres wurden bereits knapp 60 Benutzer erreicht.

Die Akzeptanz des EIS ist nach den Umfrageergebnissen recht hoch. 16 von 23 Unternehmen gaben an, dass ihr EIS die Fuehrungskraefte bei ihren Aufgaben unterstuetzt. Um herauszufinden, wie die Akzeptanz im Management ist, fuehren 15 Unternehmen Interviews mit den Nutzern durch. Bei sieben Unternehmen wird mit Software-Tracking, einer automatischen Protokollierung der Benutzungshaeufigkeit und -dauer, gearbeitet.

Schliesslich wurden die Anwender gebeten, ihre Zufriedenheit mit ihrem System zu bewerten. Die meisten Unternehmen preisen die einfache Nutzbarkeit des Systems durch die Anwender und sind ueberdies der Meinung, eine effektive Methode zu seiner Entwicklung und Pflege gefunden zu haben. Schlechte Noten erhielt dagegen in vielen Fällen die eingesetzte EIS-Software und das Antwortzeit-Verhalten.

Als haeufigste Gruende fuer das Scheitern eines Projekts nannten die Befragten das unzureichende Engagement des Managements bei der EIS-Entwicklung und eine Unternehmenskultur, die nicht auf ein Executive Information System ausgerichtet ist. Auch organisatorische Widerstaende wurden als Gruende fuer das Scheitern angefuehrt.

Ausserdem hat die Befragung der deutschen Unternehmen gezeigt: Werden seitens der Fuehrungskraefte aus dem Topmanagement starke Vorbehalte gegenueber dem EIS geaeussert, so ist es besser, auf eine Weiterentwicklung zu verzichten. Beste Voraussetzungen fuer das Gelingen eines Projektes sind

- ein moeglischst geringer Widerstand der Fuehrungsetage,

- die Existenz eines einflussreichen Sponsors,

- die Faehigkeit des Systems, Informationen bereitzustellen, die vorher nicht verfuegbar waren, und

- die Unterstuetzung strategischer Unternehmensziele.

*Diplombetriebswirt Roland Schraeer ist bei der Saphir Unternehmensberatung GmbH, Telgte bei Muenster, fuer die Konzeption und Realisierung strategischer Informationssysteme zustaendig.

Bewertung nach einer Skala von 1 bis 80 Punkten

Unternehmensexterne Gruende

1. Steigener Wettbewerbsdruck 66

2. Schnelle Aenderung der externen Umwelt 31

3. Einbindung von und Zugriff auf externe Daten 8

4. Wachsender staatlicher Einfluss durch Gesetze etc. 4

5. Engagement im Umgang mit der externen Umwelt 3

Unternehmensinterne Gruende

1. Aktuelle Informationen 62

2. Verbesserte Kommunikation 28

3. Erhoehung der Effektivitaet 16

4. Zugriff auf Daten der operativen Systeme 15

5. Genauere Informationen 13

6. Erhoehung der Effizienz 10

7. Erkennen von historischen Trends 6

Abbildung 1: Motive der EIS-Einfuehrung

durchschnittliche Kosten in Mark

Software 235 000

Hardware 80 000

Personal 210 000

Schulung 23 000

Abbildung 2: EIS-Kosten in der Startphase

Anzahl der Nennungen absolut

Systemanalytiker 9

Programmierer 14

(Top-)Manager 15

Unterstuetzer fuer die Nutzer 12

Berater des EIS-Tool-Herstellers 11

andere Berater 3

Abbildung 3: Besetzung des EIS-Entwickler-Teams

Anzahl der Nennungen in Prozent

Kreativitaet 15

Kenntnisse in der Datenmodellierung 70

DV-technische Kenntnisse 90

kommunikative Faehigkeiten 80

Kenntnisse ueber die Geschaeftsprozesse im Unternehmen 85

Akzeptanz beim Topmanagement 80

Abbildung 4: Kenntnisse der EIS-Team-Mitglieder

Anzahl der Nennungen in Prozent

Finanzen 15

Personal 15

Marketing 15

Berichtswesen 55

Controlling 80

Unternehmensplanung 30

Abbildung 5: Involvierte Fachabteilungen

Anzahl der Nennungen in Prozent

Kritische-Erfolgsfaktoren-Methode 20

Prozessanalyse (Orientierung an im Unternehmen ablaufenden Prozessen) 30

Entscheidungsanalyse (Orientierung an Entscheidungsprozessen) 5

evolutionaere Methode (iterativer beziehungsweise Prototyping-Ansatz) 40

Orientierung an bestehenden Papierberichten 75

Abbildung 6: Methoden zur Identifizierung des Informationsbedarf

Anzahl der Nennungen in Prozent

Einkauf, Material- und Lagerwirtschaft 20

Produktion 45

Vertrieb und Absatz 80

Personalwirtschaft (Personalabrechnung, -planung) 60

Finanzplanung und Liquiditaetssteuerung) 50

Abbildung 7: Daten aus den verschiedenen Funktionsbereichen

Anzahl der Nennungen in Prozent

nach Region 55

nach Projekt 25

nach Leistungskennzahlen 25

nach strategischer Geschaeftseinheit 70

nach Funktionsbereich 60

nach Produkt 75

Abbildung 8: Die verschiedenen Verdichtungskriterien