Wettbewerber im selben Markt: Bundesanstalt und Personalberater

24.03.1989

Norbert Küster, Geschäftsführer Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e. V., Bonn.

Die Berichterstatter drängeln sich in hellen Scharen im Zuschauerraum. Sie erwarten die Neuinszenierung eines biblischen Epos: Erhofft wird "David gegen Goliath" in offener Feldschlacht. Doch der Vorhang gibt die Bühne nicht. frei. Das Stück fällt aus.

Den enttäuschten Berichterstattern seien die beiden Gründe genannt: Zum einen hat sich die Personalberatung seit dem letzten Weltkrieg Schritt für Schritt in allen westlichen Industrieländern zu einer wichtigen, eigenständigen Disziplin entwickelt, die auch in Deutschland nicht mehr wegzudenken ist. Zahllose Arbeitgeber sind auf die damit verbundenen Dienstleistungen zur Gewinnung qualifizierter Arbeitskräfte, insbesondere Führungskräfte, dringend und unabweisbar angewiesen.

Weil die Beratung des Auftraggebers, der immer zugleich auch Arbeitgeber ist, im Kern und größtenteils Dienstleistungen erfaßt, die die Bundesanstalt von jeher weder erbrachte noch erbringen darf berühren sich die Tätigkeiten privater Personalberater mit der Vermittlungstätigkeit der Bundesanstalt für Arbeit selbst nach deren Auffassung nur in einem einzigen Punkt, nämlich der vom Personalberater selbständig getroffenen Auswahl der wenigen dem Auftraggeber vorzustellenden Kandidaten aus der Vielzahl tatsächlicher oder möglicher Bewerber. Im übrigen unterscheiden sich die Leistungsangebote völlig.

Da die Bundesanstalt auf die Maklerrolle beschränkt ist und eine Auswahlberatung dem Arbeitgeber nicht angedeihen lassen darf, gerade dies aber der Schwerpunkt der Tätigkeit der Personalberater ist, bleibt die Konfliktzone minimal.

Bezüglich der Auswahlentscheidung selbst hat die Bundesanstalt aber von sich aus bereits 1956 den Rückzug angetreten, als sie nämlich erstmals mit dem Bundesverband Deutscher Unternehmensberater ein Duldungsabkommen schloß, die sogenannten "Abgrenzungsgrundsätze zwischen Personalberatung und Arbeitsvermittlung", die heute in der Fassung von 1970 gelten.

Die Personalberater fühlen sich daher nicht durch die Bundesanstalt eingeengt, sondern durch die Gerichte, die allein anhand des Gesetzeswortlauts entscheiden, ohne an die von der Bundesanstalt gegebene Interpretation oder Praxis gebunden zu sein. Und da Gerichte in einem Rechtsstaat nicht anders können, als sich an das Gesetz zu halten und die Wirklichkeit danach auszurichten, liegt der "Schwarze Peter" auch nicht bei ihnen, sondern beim Gesetzgeber.

Besonders bemerkenswert ist, daß der Gesetzgeber noch im Jahre 1969 das heutige Arbeitsförderungsgesetz (AFG) als Nachfolger des gleichzeitig aufgehobenen alten AVAVG aus dem Jahre 1935 mit fast identischen Formulierungen über die Monopolstellung der Bundesanstalt für Arbeit erließ, obwohl sie der Wirklichkeit schon lange nicht mehr, ja noch nie entsprachen. Es war schon bis dahin nicht gelungen, den gesetzlichen Monopolanspruch und die tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisse in Übereinstimmung zu bringen.

Gesetzgeberische Sorgfalt hätte damals schon den zweiten Grund für das heutige Ausbleiben eines Kampfes "David gegen Goliath" erkennen können und müssen: den EWG-Vertrag. Denn nur wenige Monate nach Inkrafttreten des Arbeitsförderungsgesetzes lief die sogenannte "Übergangsfrist" des EWG-Vertrages ab, während der den Mitgliedstaaten gestattet war, in nationalen Gesetzen niedergelegte Einschränkungen der allgemeinen Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit in der Gemeinschaft beizubehalten. Diese Möglichkeiten sind zum 1. Januar 1970 entfallen. Seit diesem Tag können alle Angehörigen der Mitgliedstaaten, soweit ihnen in ihrem Heimatstaat Personalberatung und auch Arbeitsvermittlung (als Maklertätigkeit) gestattet ist., diese Tätigkeit in allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft erbringen.

Da in fast allen Mitgliedstaaten größere Freiheiten herrschen als in Deutschland, insbesondere in den Niederlanden und Großbritannien, war jedem genauen Betrachter der Verstoß des AFG gegen höherrangiges EG-Recht alsbald bewußt. Besonders prekär wurde die Lage, als der Europäische Gerichtshof in einer bezüglich Belgien und Frankreich anhängigen Rechtssache im Jahre l 979 entschied, daß (sogar) Arbeitsvermittlung ganz generell eine gewerbliche Dienstleistung sei, deren Betreiber die Freiheiten des EWG-Vertrages jederzeit und in vollem Umfang für sich in Anspruch nehmen können. Damit war aber gleichzeitig über die Anwendbarkeit der Paragraphen 4, 13 und 18 AFG, in denen das Vermittlungsmonopol der Bundesanstalt niedergelegt und im einzelnen ausgestaltet ist, der Stab gebrochen. Gleiches galt und gilt natürlich auch für entsprechende Bestimmungen in einigen anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft.

Auch hier hat der "Kampf" also längst stattgefunden. Seither steht Goliath eigentlich ohne Waffen da. Arbeitsvermittlung ist beileibe keine hoheitliche Dienstleistung, sondern eine schlicht privatwirtschaftliche, die kurioserweise in Deutschland durch Beamte und öffentliche Angestellte erbracht wird. Eines ist damit klar: Bundesanstalt und Personalberater sind gleichermaßen Wettbewerber im selben Markt. Und damit verträgt sich nicht die bisherige Konzeption der Bundesanstalt, die dem "Monopolisten" Bundesanstalt ein Aufsichts-, Durchsuchungs-, Beschlagnahme- und Bestrafungsrecht nach eigenem Gutdünken gegenüber seinen (inländischen) Wettbewerbern einräumt. Von einer Chancengleichheit der Wettbewerber sind die Rechtsverhältnisse hier aber so weit entfernt wie diejenigen zwischen Staatsgesellschaften und Privatunternehmern im real existierenden Sozialismus oder in den bekannten Bananenrepubliken.

Dabei fordert das EG-Recht keineswegs einen Wettbewerb in allen Bereichen der Arbeitsvermittlung noch eine völlige Beseitigung staatlicher Monopolvorbehalte noch gar eine Auflösung der Bundesanstalt. Das Wettbewerbsrecht des EWG-Vertrages verlangt zunächst nur die

Zulassung und gesetzliche Absicherung von Wettbewerb dort, wo er tatsächlich stattfindet. Der Europäische Gerichtshof hat bereits wiederholt gegenüber den nationalen Postmonopolen, Flugverkehrsmonopolen und anderen staatlich geregelten Dienstleistungsmonopolen festgestellt, daß der EWG-Vertrag aber verbiete, ein Staatsmonopol auf Bereiche auszudehnen, die vom Staat bisher gar nicht oder jedenfalls nicht in der von Privaten angebotenen Weise oder nicht so gut wie von Privaten angeboten werden.

Der EWG-Vertrag untersagt den Mitgliedstaaten schlechthin jede dem Gedanken eines freien, unverfälschten Wettbewerbs zuwiderlaufende Handlung, gleichgültig, ob durch Gesetz, Verordnung oder faktisches Handeln einer Staatsbehörde. In Frankreich wurde das Problem durch die Beschränkung des Monopols auf die Marktangebotsseite, nämlich die Plazierung Arbeitssuchender in offene Stellen, gelöst; außerhalb der EG, in Österreich, übrigens ebenfalls. In Großbritannien gab es überhaupt nie ein Staatsmonopol für die Arbeitsvermittlung und Frau Thatcher hat darüber hinaus ihr staatliches Büro für Führungskräftevermittlung meistbietend versteigert. In fast allen übrigen europäischen Ländern wird Personalberatung durch keine staatliche Stelle behindert. Nur in Deutschland scheut man den Blick vor der Wirklichkeit.

Dabei wäre eine Lösung nach französischem Vorbild in mehrerlei Hinsicht von Vorteil: Durch Konzentration des staatlichen Vermittlungsmonopols auf "Vermittlung in Arbeit" (französisch: placement) bliebe der Schutz der sozial Schwachen, nämlich finanzschwacher Arbeitnehmer, voll erhalten, würde aber nicht mehr auf die Unternehmer ausgedehnt. Diese wären vielmehr frei, auf eigene Rechnung und eigenes Risiko statt der staatlichen Arbeitsverwaltung zur Suche und Auswahl geeigneter Arbeitskräfte auch Private einzuschalten, was sie bei Führungskräften faktisch heute schon in aller Regel tun. Viele Positionen, die Arbeitgeber heute weder dem Arbeitsamt melden noch selbst besetzen können, würden plötzlich offen zu Tage treten und könnten sicher wenigstens teilweise besetzt werden. Wem sollte das schaden?