Wettbewerb um Netz der Landesverwaltung NRW Die Telekom vermiest privatem Netzbetreiber das ATM-Geschaeft

02.09.1994

DUESSELDORF (pg) - Die Realisierung des ATM-City-Netzes zwischen 13 Ministerien in Duesseldorf verschiebt sich. Fuenf Minuten vor zwoelf reichte die Telekom ein zweites Angebot zur Vernetzung nach. Damit droht dem frischgebackenen privaten Netzbetreiber Multimedia Net GmbH der erste Kunde durch die Lappen zu gehen. Die Duesseldorfer befuerchten einen neuen Fall von Quersubventionierung.

"Die Telekom ist wieder im Geschaeft", erklaerte Klaus Rastetter, Koordinator fuer Informationstechnik der Landesverwaltung NRW und Ministerialrat im Innenministerium, auf Anfrage der COMPUTERWOCHE die Verzoegerung des ATM-Projekts. Kurz vor Torschluss hatten die Bonner in Gestalt ihrer auf Geschaeftskunden spezialisierten Tochter DeTeSystem noch ein neues Angebot vorgelegt, nachdem das erste laut Rastetter wirtschaftlich nicht akzeptabel gewesen sei.

Fuer die Multimedia Net GmbH, ein Joint-venture der Stadtwerke Duesseldorf und der WestLB, das sich diese Woche konstituierte, kam der zweite Telekom-Vorstoss zwar spaet, aber nicht unerwartet.

"Es ist klar, dass die Telekom jetzt noch versucht, auf den Zug aufzuspringen", sagte Horst Schaefers, kommissarischer Geschaeftsfuehrer der Multimedia Net GmbH sowie Leiter der Abteilung Kommunikationstechnik der WestLB. Die Multimedia Net hatte wegen der bislang fehlenden Rechtskraeftigkeit nur unverbindliche Vereinbarungen mit dem Land Nordrhein-Westfalen getroffen. TK- Profi Schaefers wirft den Bonnern vor, jahrelang die Tarife absichtlich hochgehalten zu haben und den Wettbewerb durch Quersubventionierung kaputtmachen zu wollen.

Ganz aus der Luft gegriffen ist Schaefers Vorwurf nicht. Das Bundeskartellamt hatte dem Carrier kuerzlich nachgewiesen, den Datex-P-Dienst seit 1989 mit zwei Milliarden Mark aus dem Monopol subventioniert zu haben (vgl. CW Nr. 22 vom 3. Juni 1994, Sei-

te 2). Kein Wunder, dass die privaten Netzbetreiber und Anbieter von Mehrwertdiensten, deren Verband VTM die Datex-P-Praktiken der Telekom in einer Studie ans Licht gebracht hatte, Konkurrenzangeboten der Bonner skeptisch gegenueberstehen.

DeTeSystem will Regulierer nicht auf den Plan rufen

Obwohl es sich bei der Vernetzung der Ministerien um Glasfaser- und keine Datex-P-Verbindungen handelt, schliesst Schaefers aehnliche Praktiken der Telekom nicht aus. Die Beweisfuehrung werde jedoch sowohl fuer die Telekom als auch die privaten Anbieter so lange problematisch sein, wie der Carrier seine Dienste nicht getrennt abrechnen muss.

Fuer das Duesseldorfer Projekt weist die DeTeSystem Spekulationen in Richtung Quersubventionierung allerdings entschieden zurueck. "Die Telekom wird sich hueten, in der derzeitigen Situation den Regulierer auf den Plan zu rufen", meinte ein Sprecher der DeTeSystem gegenueber der COMPUTERWOCHE und fuegte hinzu: "Das ist kein Kampfangebot."

Erstellt wurde die DeTeSystem-Offerte an die Landesverwaltung NRW vom "Produktzentrum individuelle Kundennetze" der Telekom in Detmold. Dessen Leiter, Werner Rechmeier, erklaerte den Unterschied zwischen den Geboten damit, dass es sich bei der ersten Vorlage um ein Komplettangebot fuer den Netzbetrieb inklusive Management und Service auf Datex-M-Basis gehandelt habe. Im Gegensatz dazu wuerden den Ministerien jetzt lediglich passive Uebertragungswege angeboten. Rechmeier versicherte ausserdem: "Die Kalkulationen fuer die Glasfaserverbindungen im ersten Angebot weichen von den heutigen nicht ab."

Diametral zur Kalkulationsgrundlage der Telekom haben sich die Angebote der Multimedia Net GmbH entwickelt. Im Verlauf der Netzplanung sei sie, so IT-Koordinator Rastetter, dreimal geaendert worden. Waehrend das Preisniveau zu Beginn "erschreckend guenstig" gewesen sei, haette die Multimedia Net die Gebuehren spaeter drastisch angehoben. Der private Carrier begruendet die Nachbesserungen mit der sukzessive gewachsenen Dimension des Netzes.

Der oeffentliche Dienst in NRW erweist sich dabei als untypischer Anwender sowohl fuer die Telekom als auch fuer die Multimedia Net. Beide Netzbetreiber wuerden der Landesverwaltung gern ein komplettes Netz mit Dienstleistung anbieten, die Behoerde beabsichtigt aber nur Leitungen ohne Mehrwert anzumieten. Dennoch haben sich beide Dienstleister dazu entschlossen, Angebote fuer die nackte Infrastruktur vorzulegen, um sich die Option fuer spaetere Auftraege offenzuhalten. IT-Manager Rastetter indes sieht diesen Wettbewerb voellig emotionslos: "Uns ist egal, ueber wessen Leitungen wir unsere Applikationen fahren."