Telekom-Gründung löst bei den Anwendern noch keine Begeisterung aus, aber:

Wettbewerb bringt frischen Wind in die Post

14.07.1989

MÜNCHEN - "Viel zu bürokratisch" lautet ein oft gehörtes Urteil über die Bundespost. Viele Kunden klagen über lange Wartezeiten bei Zulassungen, über die mangelnde Flexibilität der Ämter und nicht zuletzt über hohe Kosten. Die Gründung der "Telekom" wird, so hoffen viele Anwender, den Postriesen aus seinem jahrzehntelangen Trott reißen. Zwar haben die Postreformer das Netz- und das Telefondienstmonopol nicht angetastet, aber beim Geschäft mit Mehrwertdiensten, Endgeräten, beim Funktelefon und der Satellitenkommunikation sind künftig auch private Anbieter zugelassen. Langfristig versprechen sich die meisten Kunden aber doch einen Abbau des Post-Verwaltungsapparats, besseren Service, ein erweitertes Diensteangebot sowie einen Gebührenrückgang. Mit Vorschußlorbeeren für die "Privaten" halten sich die Anwender indes zurück: Die Mitstreiter auf dem Dienste- und Endgerätemarkt müssen erst noch den Beweis erbringen daß sie dem Wettbewerb mit dem Riesen gewachsen sind.

Die Abhängigkeit von den Monopolisten-Allüren der Post läßt viele Unternehmen die Privatisierung des Post- und Fernmeldewesens begrüßen. Die Hauptkritik richtet sich gegen den Verwaltungsapparat des Gelben Riesen. "Schon die Bearbeitung eines einzigen Antragsformulars ist heute ein Akt für fünf verschiedene Stellen", klagt Jens Hagedorn, DV/Org.-Leiter bei der Deutschen Castrol Vertriebs GmbH in Hamburg, "um einen Anschluß zu bekommen, muß man viel zu lange warten."

"Die Verhandlungen mit der Post schleppen sich oft über Wochen hin", kritisiert auch ein süddeutscher Kollege. Neben der Schwerfälligkeit des Mammutunternehmens sind den Kunden aber auch die hohen Gebühren für Dienste wie Telefon, Telex oder Btx ein Dorn im Auge: "Für ein Unternehmen sind die Gebühren an die Post ein wichtiger Faktor in der Kalkulation", erläutert Andreas Zurwehme, Geschäftsführer der Exit Datenbankdienste GmbH, Bielefeld.

Die Kritikpunkte "Bürokratie" und "überhöhte Gebühren" könnten mit der Telekom-Gründung, die am 1. Juli offiziell geworden ist, aus der Welt geschaffen sein. So sollen künftig auch Postbeamte in den Genuß von finanziellen Motivationsspritzen kommen: Besondere Leistungen im Akquisitionsgeschäft und hervorragendes Engagement bei ihrer Arbeit will der Postminister mit gesonderten Zulagen belohnen. Mehr Flexibilität ist auch bei der Preisgestaltung angesagt: In den Wettbewerbsbereichen genügt ein Beschluß innerhalb des Telekom-Vorstandes, dem auch Manager aus der freien Wirtschaft angehören werden.

Während die Anwender mit recht pauschaler Kritik an dem Monopolisten nicht sparen, wollen sie auf "ihren" Beamten in der örtlichen Fernmeldebehörde meist nichts kommen lassen. Der gute Draht zum Amt macht Unternehmen oft das Leben leichter: So mancher Postler drückt dann auch mal ein Auge zu. "Im persönlichen Kontakt zur Post kann man viel erreichen", weiß beispielsweise Zurwehme aus eigener Erfahrung zu berichten. "Wir hatten als Unternehmen anfänglich große Probleme mit unserer Postbehörde. Aber nachdem wir uns um Kontakt bemüht haben, hat die Post bewiesen, daß sie auch mal flexibel sein kann."

Manche Unternehmen glauben - unabhängig von der Erfahrung mit ihrer Fernmeldestelle vor Ort -, schon eine Wende zu spüren. "Die Post hat sich insgesamt bis auf ein paar Zulassungsbeamte, die immer noch in der Welt von gestern leben, schon sehr stark gewandelt. Diese Entwicklung setzte vor einem Jahr ein und orientiert sich schon an 1992", ist sich Dietrich Lüben, Leiter des Referats für Bürokommunikation in der Münchner ADAC-Zentrale sicher. "Ich habe das Gefühl, dort wird alles nicht mehr so tierisch ernst genommen."

Diese Beobachtung hat auch Friedrich Klostermann von der Bundesknappschaft Bochum gemacht: "In den vergangenen Jahren hat die Post einen großen Schritt nach vorn getan und ihren Service ausgebaut." Gerade in diesem Punkt verspricht sich Friedrich Sailer von der Thuringia Versicherungs AG in München durch die Telekom noch mehr Fortschritt: "Durch die Telekom wird es für den Benutzer künftig sicher leichter, gleich an den richtigen Ansprechpartner zu geraten."

Kunden im Mittelpunkt steht, gibt es derzeit schon beim Postdienst: "Einige Ämter bieten dem Anwender zum Beispiel neuerdings auch kommunale Dienstleistungen an. Laut Postminister Schwarz-Schilling würden dort jetzt Anträge auf Ausstellung und Verlängerung von Personalausweisen und Pässen entgegengenommen. Postbeamte übernehmen die Auszahlung von Sozialhilfe und Wohngeld. Mit der Deutschen Bundesbahn seien, so Schwarz-Schilling, schon Vereinbarungen über den Verkauf von Fahrkarten abgeschlossen worden. Mit dem Poststrukturgesetz werden die Geschäftbeziehungen zwischen der Post und ihren Kunden auch nicht mehr hoheitlich, sondern privatrechtlich - auf der Basis von Allgemeinen Geschäftsbedingungen - geregelt. Dabei soll dem Verbraucherschutz eine besondere Bedeutung zukommen.

Bis zur Neuordnung wer der Dienste- und Endgeräte-Markt vom Gelben Riesen dominiert. Um so mehr erhoffen sich jetzt die Anwender von der Telekom und privaten Anbietern. Gerade ihr Erscheinen soll nicht nur einen "Umdenkprozeß" bei der Post in Gang setzen, sondern den Anwendern auch eine Erweiterung des Diensteangebots sowie Kostensenkungen bescheren. "Es ist zu erwarten, daß der Wettbewerb zu einer verbesserten Situation für den Kunden führt. Durch Mitbewerb wird nicht nur häufig eine Reduzierung der Preise herbeigeführt, sondern die einzelnen Anbieter sind auch gezwungen, dem Kunden bessere Leistungen anzubieten und schneller an der Entwicklung neuer Dienstleistungen zu arbeiten", prognostiziert Manfred Bohnen, Geschäftsführer der Deutschen Mailbox GmbH in Hamburg. Damit sei nun auch die Post gezwungen, schneller auf die Anforderungen des Marktes zu reagieren und flexibler und kundengerechter als in der Vergangenheit zu handeln.

Die "Einführung von neuen Serviceleistungen" sowie geringere Preise erhofft sich auch Friedrich Sailer von der Thuringia Versicherungs-AG, München. Sein Arbeitgeber nutzt den Service 130. Mit diesem Dienst können Versicherungskunden gegen Ortsgebühr bei dem Münchner Unternehmen anrufen, das die Kosten gegenüber der Post übernimmt. "Beim Service 130 haben sich die Gebühren so günstig entwickelt, daß wir uns entschlossen haben, diesen Dienst zu nutzen." Nun hofft er, daß sich dieser Preisrutsch - von Gebühren wird nach der Telekom-Gründung offiziell nicht mehr gesprochen - durch die marktwirtschaftliche Orientierung bei anderen Postdiensten fortsetzt. Diese Erwartung bestätigt die Erklärung des Postministers: "Die künftigen Leistungsentgelte werden in den Wettbewerbsbereichen wesentlich schneller und flexibler geändert und dem Verbraucherverhalten, beziehungsweise dem Verhalten der Wettbewerber angepaßt werden können."

Bei dem Exit-Geschäftsführer Zurwehme will indes kein rechtes Vertrauen in Schwarz-Schillings Versprechungen aufkommen: "Nur weil die Post jetzt dreigeteilt ist, wird sich nichts ändern. Die Post ist nicht irgendeine Behörde, sondern in erster Linie ein Unternehmen. Deshalb werden die Kosten auch nicht sinken." Für Zurwehme dient die Telekom-Gründung vor allem der Reorganisation: "Die Post ist ein riesengroßes Unternehmen, in dem man die Übersicht verloren hat." Nicht den Anwender habe der Postminister bei der Umstrukturierung im Auge, sondern den eigenen Geldbeutel: "Mit den Kunden hat der Minister kein Problem - die sind auf die Post angewiesen."

Aller Kundenschelte an dem Gelben Riesen zum Trotz ist die Begeisterung über das Auftreten der privaten Anbieter eher gedämpft. "Wir behalten vor allem den Endgeräte-Markt im Auge und verfolgen die allgemeine Kostenentwicklung", drückt sich der Bochumer Klostermann vorsichtig aus. Für das Versicherungsunternehmen spielt der mitgelieferte Service eine zentrale Rolle: "Die privaten Anbieter werden wir nach diesen Leistungen beurteilen."

Die Post habe bei der Bereitstellung von Service- und Wartungsleistungen aufgrund ihrer Infrastruktur gegenüber den Privaten einen klaren Heimvorteil. "Gerade bei kleineren Anbietern besteht überdies die Gefahr, daß sie schon nach kurzer Zeit vom Markt verschwunden sind", befürchtet Klostermann. Erst einmal abwarten will auch Versicherungsmann Sailer: "Wir werden die Kostenentwicklung beobachten." Daß die privaten Anbieter sich ohnehin nur die "Rosinen aus dem Telekom-Kuchen picken", glaubt Walter W. Weiss, Geschäftsführer des Fachverbandes Informations- und Kommunikationstechnik beim ZVEI in Frankfurt. "Die Privaten werden sich auf die Städte und Gebiete mit guter Infrastruktur konzentrieren. Nach ihrem Auftrag muß die Post hingegen flächendeckend arbeiten." Dazu der Postminister: "Es wäre völlig sinnlos, wenn die Telekom den Ehrgeiz hätte, jeden Dienst anzubieten." Schwarz-Schilling hat aufgrund des nach wie vor bestehenden Netzmonopols vor allem die "Massendienste" im Auge und will die Nischen auf dem Dienstemarkt gerne den Privaten überlassen.

Während die Mitstreiter schon in den Startlöchern sitzen, hat die Post - auch nach eigenen Aussagen (siehe CW 18 vom 28. April 89, Seite 1: "Bundespost auf Wettbewerb nicht vorbereitet") - nach einige Anlaufschwierigkeiten. Für viele Unternehmen steht und fällt das Privatisierungsprojekt unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten mit personeller Umstrukturierung. "Von der privatwirtschaftlichen Organisation erhoffe ich mir Rationalisierung in den Arbeitsabläufen. Wenn aber beim Personal nichts verändert wird, kommt es auch insgesamt zu keinen Verbesserungen", urteilt stellvertretend für viele Castrol-Mitarbeiter Hagedorn.