Westniveau soll moeglichst rasch erreicht werden Osteuropas TK-Industrie steht vor enormen Herausforderungen

24.06.1994

PRAG (hk) - Fast 100 Jahre dauerte es, bis die Westeuropaeer die heutige TK-Infrastruktur erreichten. In einem Zehntel der Zeit wollen nun die Osteuropaeer den Anschluss schaffen. Der Weg dahin ist allerdings sehr holprig, wie sich auf der Kongressmesse Comnet in Prag zeigte. "Wer soll das bezahlen?" Mit dieser Frage eroeffnete Pal Horvath, Direktor der nationalen ungarischen Telecom-Gesellschaft Matav, seinen Vortrag auf der diesjaehrigen Comnet. Horvath meinte damit die hohen Kosten, die bei der Modernisierung der TK-Infrastruktur in Osteuropa entstuenden. Zwar unternehmen die nationalen osteuropaeischen Telefongesellschaften grosse Anstrengungen, ihre Netze auf den neuesten Stand der Technik zu bringen, allerdings geht diese Entwicklung sowohl den Anwendern, vor allem aber den westlichen Investoren viel zu langsam voran. Tatsache ist naemlich, dass sich die Zahl der Anschluesse noch immer auf recht bescheidenem Niveau bewegt. Die ITU (International Telecommunications Union) spricht von durchschnittlich 15 Telefonen pro 100 Einwohner. Ziel der Osteuropaeer sei es, bis zum Ende des Jahrtausends eine Versorgung von 20 bis 40 Prozent zu erreichen. Ausser in die weitere Marktdurchdringung muss aber auch in die Verbesserung der technischen Qualitaet der Leitungen stark investiert werden. Denn waehrend in Westeuropa laut ITU 95 Prozent der beabsichtigten Gespraeche zustande kommen, sind es im oestlichen Teil Europas im Durchschnitt 20 bis 50 Prozent. Es gilt aber, noch zahlreiche weitere Schwierigkeiten zu bewaeltigen, die Venko Markov, Direktor der bulgarischen Telecom, in seinem Vortrag deutlich beim Namen nannte: - Es fehlen noch gesetzliche Richtlinien fuer eine klare TK- Politik; - der gesamte wirtschaftliche Umstrukturierungsprozess, der nur langsam vorankommt, hindert den schnellen Ausbau der TK- Infrastruktur; - es mangelt an Erfahrung bei der Liberalisierung, Privatisierung und Demonopolisierung; - es gibt kaum Mitarbeiter, die das Know-how und die Ausbildung besitzen, um obengenannte Prozesse zu managen. Bei der Frage der Investitionen und der Management-Erfahrung kann die Matav Vorteile verbuchen, da sie sich bereits einen westlichen Investor geangelt hat. Die deutsche Telekom erwarb im letzten Dezember fuer 875 Millionen Dollar 30 Prozent Anteile an der ungarischen Telefongesellschaft und gab eindeutige Zusicherungen bezueglich eines zuegigen Ausbaus der TK-Infrastruktur ab. So wolle man bei den Telefonanschluessen einen jaehrlichen Zuwachs von 15 Prozent erreichen. Horvaths Absicht ist es, dass 1996 90 Prozent der Antragsteller innerhalb eines halben Jahres ihren Anschluss erhalten. Die Tschechen sind nun auch dabei, 26 Prozent ihrer TK- Gesellschaft einem "strategischen Partner" anzubieten, wie es Wirtschaftsminister Karel Dyba bei der Eroeffnung des Kongresses formulierte. Wichtiger als der Preis, so der Minister, sei fuer ihn die Zusicherung des Partners, kraeftig zu investieren. Ueber die Bedeutung der Telekommunikation als Motor fuer eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung, waren sich denn auch alle Redner einig. So machte folgende Aussage immer wieder die Runde: Eine Mark TK-Investition bewirkt eine Steigerung des Bruttosozialproduktes um zwei Mark. Trotz all dieser Einsichten sind die TK-Manager freilich abhaengig von der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung im eigenen Land. In Rumaenien zum Beispiel, wo der gesamte Reformprozess recht zoegerlich verlaeuft, wird man nach Aussage von Cantemir Ionescu eine Privatisierung der staatlichen Telefongesellschaft im Zeitraum zwischen 1998 und 2003 ins Auge fassen. Der Telecom- Direktor aus Bukarest will zuerst aus eigenen Kraeften eine starke nationale TK-Gesellschaft bilden, damit er nicht gezwungen ist, Teile davon billig zu verscherbeln. Mit dieser Frage haben sich auch die Ungarn beschaeftigt, wie Matav-Chef Horvath erklaerte. Allerdings fiel die Entscheidung zugunsten eines schnellen westlichen Engagements, weil man sich davon Wettbewerbsvorteile verspricht. Der ungarische Manager hofft, sein Land zu einer Drehscheibe im Ost-West-TK-Business machen zu koennen. Von den westlichen nationalen TK-Gesellschaften warben vor allem die Italiener und die Franzosen fuer ihr Engagement in Osteuropa, aber auch die Amerikaner, vertreten durch AT&T sowie MCI. Die deutsche Telekom hielt sich zurueck, obwohl gerade sie, dank der zahlreichen Projekte in dieser Region, ueber ihre Erfahrungen haette berichten koennen.