Apple Macintosh im Einsatz für Desktop Presentation

Werkzeug und Medium zugleich

20.10.1989

Eine neue Anwendung gewinnt zunehmend an Gewicht in der Computerwelt-. Desktop Presentation oder das Planen, Strukturieren und Produzieren von Präsentationen mit Dias und Overhead-Folien. Auch die Vorführung übernimmt der Personal Computer. Er unterstützt aber nicht nur die Produktion, sondern wird eine völlig neue Präsentationskultur schaffen in einem Markt, für den mit 40prozentigen Zuwachsraten gerechnet wird.

Allerdings bemüht man in Fachkreisen für die neue Präsentationsform gelegentlich das Wort vom zweiten trojanischen Pferd nach Desktop Publishing.

Dabei gilt jedoch folgendes: Entscheidungen werden heute nicht oder nur sehr selten von einsamen Managern an der Spitze gefällt. Vielmehr müssen dafür Informationen eingeholt, vorgefiltert, überprüft, kommentiert und überarbeitet werden. Dazu sind wiederum eine Reihe von Gesprächen, Sitzungen, Besprechungen, Workshops oder Tagungen nötig. Und all diesen Veranstaltungen ist eines gemeinsam: Überall versuchen Personen, andere von ihren Ideen, Meinungen, Aussagen zu überzeugen.

Um dies überzeugend zu tun, kann man Inhalte in Bilder, Grafiken, und Diagramme umsetzen. Das Instrument ist der Personal Computer am Arbeitsplatz.

Das Marktpotential ist größer als bei DTP

Diese Visualisierung ist zentraler Punkt, denn die überwiegende Anzahl der Menschen sind "Augenmenschen". Das heißt, sie nehmen mehr über das Sehen auf als über das Hören, und das Gesehene prägt sich auch wesentlich stärker ein. Sehen und Hören hinterläßt natürlich einen noch stärkeren Eindruck. So wirkt eine Umsatzsteigerung von 20 Millionen auf 40 Millionen, in Zahlen dargestellt, sehr nüchtern. Als Säulendiagramm jedoch gewinnt die Darstellung an Gewicht. Sie ist schneller erfaßbar, bleibt länger im Gedächtnis haften, hat als dreidimensionale Grafik "anfaßbaren" Charakter und kann darüber hinaus durch entsprechende Farbwahl auch über den Kanal der Emotionen Einfluß nehmen.

Daß der Personal Computer ein hervorragendes Instrument sein kann bei der Aufbereitung von zu präsentierenden Inhalten, liegt auf der Hand. Dies gilt um so mehr mit den entsprechenden Programmen speziell für Desktop Presentation, von denen bereits mehr als ein Dutzend auf Apple-Rechnern laufen.

Die hohe Anzahl der Spezialprogramme kommt nicht von ungefähr. Dahinter steckt ein Markpotential, das von Apple-Chef John Sculley größer als der Desktop-Publishing-Markt eingeschätzt wird. Zahlen von Frost & Sullivan über den US-Markt belegen dies: Pro Tag werden 15 Millionen Besprechungen abgehalten, 8 Millionen Verkaufsvorführungen und 10 Millionen Referate in Schulen und Universitäten. Im Präsentations-Markt wird derzeit pro Jahr mehr als 1 Milliarde Dollar umgesetzt. 1991 sollen es bereits 2,1 Milliarden sein.

Betrug der Computereinsatz zur Erzeugung von Dias beziehungsweise Overheadfolien 1982 gerade zwei Prozent und 1985 5,5 Prozent, so wird er 1990 auf 30 Prozent gestiegen sein. Dazu Ray Wasner von CAP in Massachusetts: "Desktop Presentation wird die sechstwichtigste Computer-Anwendung werden." Mit einiger Verzögerung ist eine ähnliche Entwicklung auch bei uns zu erwarten.

Viele Gründe sprechen für den Einsatz von PC im Bereich Desktop Presentation: Mit dem Computer kann man Unterlagen nicht nur produzieren, sondern sie auch planen, strukturieren und präsentieren. Der PC kann also zugleich Werkzeug und Medium sein.

Es bedeutet auch, daß eine Person alle Arbeitsschritte allein durchfuhren kann. Liegezeiten der Unterlagen zwischen Referent, Grafiker, Setzer und Fotostudios entfallen nahezu ganz. Änderungen können in letzter Minute durchgeführt werden. Einige Programme erlauben sogar den Eingriff während der Präsentation mit dem PC. Das Schriftbild wird wesentlich besser und lesbarer gegenüber Schreibmaschinenbeschriftung oder gar Handschrift auf Folien.

Aus Tabellen werden automatisch anschauliche Business-Grafiken generiert. Das können Torten-, Balken-, Säulen, Flächen, Linien- oder auch Polar-Grafiken sein. Für die optische Aufwertung können Bilder, Grafiken oder Zeichnungen aus anderen Programmen, Bibliotheken oder aus CD-ROMs importiert werden.

Computer kontra Dias und Folien

Bei Desktop Presentation geht es allerdings nicht um perfekt künstlerische Gestaltung, sondern um technisch saubere Umsetzung von Zahlenmaterial und anderen abstrakten Inhalten, die gegebenenfalls angereichert sind mit illustrativen Bildern und Grafiken. Dieses Zahlenmaterial, das eingegeben oder aus Tabellenkalkulationen übernommen wurde, formt das Präsentationsprogramm nach den entsprechenden Vorgaben über Hintergrundart und Hintergrundfarbe, Art des Diagramms, Farb- und Schriftwahl automatisch in das gewünschte Diagramm. Dann werden noch Texte, Beschriftungen eingefügt und eventuell fertige Illustrationen importiert.

Die Bilder können über Scanner oder Videokameras importiert worden sein, oder es handelt sich um in Grafikprogrammen erstellte Zeichnungen. Selbstverständlich sind auch komplette Texte plazierbar, zum Beispiel für reine Textdias.

Alle für einen Vortrag notwendigen Lichtbilder beziehungsweise Overhead-Folien faßt der Autor in einer Datei zusammen. Damit kann dann am Rechner der spätere Ablauf simuliert, die Reihenfolge geändert, fehlende Inhalte erkannt und nachträglich eingefügt werden. Gleichzeitig macht sich der Autor Notizen und Stichpunkte, erstellt sein Vortragsmanuskript.

Steht der Inhalt, so müssen noch gedruckte Unterlagen erstellt werden. Das kann mit Laserdrucker, Farblaserdrucker, Farbthermodrucker oder Tintenstrahldrucker geschehen.

Für die eigentliche Präsentation gibt es zwei Möglichkeiten: entweder mit Dias beziehungsweise Overhead-Folien oder direkt mit dem Computer.

Overhead-Folien dürften wahrscheinlich das problemloseste Medium darstellen. Sie

sind leicht zu ordnen und zu transportieren, in der Hand gut lesbar und bei Tageslicht projizierbar. Mit den Overhead-Folien als Medium verwandt, in der Vorführung aber diametral entgegengesetzt, sind Dias. Mögen sie auch brillanter in der Schärfe und Farbsättigung sein: Zur Vorführung muß verdunkelt und das Diagerät muß ferngesteuert werden. Die Dias müssen in eigenen Behältern transportiert werden.

Ein wesentlicher Nachteil sowohl für Dias als auch für Overhead-Folien ist ihre Produktion. Sollen Bilder mit so hoher Auflösung werden, daß sie der Gradation eines Fotofilms entsprechen, benötigt man hierzu Speicherkapazitäten von einigen Megabyte. Entsprechend lange braucht der Laserbelichter zur Ausgabe eines einzigen Bildes: 15 Minuten sind da keine Seltenheit. Haben Sie eine kleine Vorführung mit 20 Dias, so ist es sicherlich angebracht, die Belichtung auf die Nachtstunden zu verlagern.

Hier ist der Computer ein wesentlich besseres, flexibleres, attraktiveres und schnelleres Medium zur Präsentation. Besser, weil er in wenigen Jahren bereits in allen Büros, Instituten und Amtsstuben so selbstverständlich sein wird wie das Telefon. Vom Transportproblem einer Diskette braucht man nicht zu sprechen, man steckt sie einfach zum Vortragsmanuskript.

Flexibler, weil mit dem Personal Computer mehr möglich ist, als nur das reine Abspulen einer Bildfolge. Es ist möglich, während der Vorführung Änderungen vorzunehmen, die sofort umgesetzt und angezeigt werden, oder schnell und direkt auf Bilder zu springen, die im Ablauf davor oder dahinter liegen. Und es ist möglich, Bilder Schritt für Schritt aufzubauen, dadurch Vortragstext und Bildinhalt synchron zu halten, so daß der Zuhörer durch den Inhalt geführt werden kann. Auch die Vorführmöglichkeiten sind flexibel: Entweder läuft die Präsentation direkt am Bildschirm ab oder via LC-Display beziehungsweise Videobeamer für ein größeres Auditorium. Die Vorführung kann auch auf mehrere Monitore im Saal verteilt werden. Selbst komplette Videowände mit Videosplitting und extremer Vergrößerung kann man sich vorstellen.

Audiovisuelle Präsentationen, also Tonfilm von der Bildplatte, und "herkömmliches" Desktop Presentation werden sich gegenseitig ergänzen. Der PC wird die Technik der Präsentation nicht nur wesentlich unterstützen, sondern er wird eine völlig neue Art der Präsentation schaffen.

Der Computer als schnelles Werkzeug zur Erstellung und als Medium zur Vorführung erfüllt deshalb die Forderung von Paul Brainard, Chef von Aldus Corporation: "Eine professionelle Präsentation sollte man in rund 20 Minuten erstellen. Das ist ein echter Testwert für moderne Desktop Presentation."

Um Desktop Presentation richtig zu betreiben, benötigt man als Minimalkonfiguration 5 Megabyte Hauptspeicher, eine 40-Megabyte-Festplatte, dazu eine 8-Bit-Videokarte und einen Farbmonitor mit absolut flimmerfreiem Bild.

Welche Software geeignet ist, hängt davon ab, welche Art von Inhalten im wesentlichen verarbeitet werden sollen: Organigramme, Zahlentabellen, Strukturen, viele Grafiken, oder Fotos. Sind bereits professionelle Werkzeuge zur Textverarbeitung und Grafikerstellung vorhanden oder bereits Grafikbibliotheken angelegt? In welchem Format sind die Bilder abgespeichert? Sollen die Inhalte interaktiv steuerbar sein?

Bei aller Euphorie über leistungsfähige PCs und Programme für jeden Bedarf darf jedoch eines nicht vergessen werden: Der Computer "macht" keine Präsentation, er ist nur Werkzeug zur Präsentation. Die Gestaltung, die Zusammenstellung des Inhalts, die Didaktik, die Farbwahl, alles geschieht immer im Kopf des Autors, des Referenten. Er muß dem Computer sagen, was dieser zwar schnell und präzise, aber doch nur ausführen soll.

Desktop Presentation wird nur dann professionell sein, wenn das entsprechende Wissen über Bildgestaltung, Farbpsychologie, Zeitabläufe und Dramaturgie vorhanden ist. Jeder, der an Desktop Presentation arbeitet, sollte zumindest Grundkenntnisse von Didaktik und Gestaltung haben. Schlechte Ergebnisse haben wir schon genug gesehen. Auf jeder Messe wimmelt es von Computer-Präsentationen, bei denen jede Seite die Farbenpracht des Karnevals in Rio verblassen läßt, eine Seite mehrere Perspektiven enthält, die das Auge irritiert durch den Raum irren lassen, jede Seite so überladen ist, daß man vermuten muß, der Autor sei besonders stolz auf die Komplexität des Inhalts gewesen.

Desktop Presentation ist kein Ersatz für Grafik-Studio und Fotobelichter und auch nicht für jedermann. Genauso wenig wie Desktop Publishing nicht die Druckerei auf jedem Schreibtisch ist.

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