Auch nach der Einführung ist der Tool-Einsatz permanent gefährdet:

Werkzeug für Projektmanagement muß " leben"

18.10.1985

Zur Unterstützung des Projektmanagements bietet sich der Einsatz computergestützter Werkzeuge geradezu an. Ihre Effektivität hängt davon ab, wie exakt und umfassend sie das Projektgeschehen darstellen können. Trügerisch allerdings ist die Vorstellung, mit dem Einsatz eines möglichst leistungsstarken Werkzeugs sei ein wirkungsvolles Projektmanagement in allen seinen Belangen gesichert: Nicht das Hilfsmittel selbst, sondern der Umgang mit dem Tool ist entscheidend.

Der Einsatz eines computergestützten, Werkzeugs muß eingehend vorgedacht und sorgfältig vorbereitet werden. Seine Einführung sollte sinnvollerweise ebenso geplant und gesteuert werden wie ein "normales" Projekt.

Vor allem Muß zuerst geklärt werden, welche Erwartungen an ein computergestütztes Werkzeug geknüpft werden. Welche Informationen werden verlangt? Wann? Von wem? Wer bringt welche Informationen ein? Wie oft?

Die organisatorischen Voraussetzungen dafür, daß die geforderten Daten von den betreffenden Abteilungen gemeldet beziehungsweise von anderen verwendet werden können, müssen vor der Einführung des Werkzeugs erfolgen. Die beteiligten Stellen sind entsprechend zu informieren beziehungsweise deren Mitarbeiter zu schulen.

Oft entscheidet sich in der Einführungsphase, ob ein neues Werkzeug anerkannt wird oder nicht. Die erwarteten Auswertungen müssen aussagefähig sein und zwar jeweils bezogen auf die Stelle, die informiert werden soll. Die automatisch erstellten Berichte dürfen weder zu umfangreich, noch zu knapp und selbstverständlich nicht unverständlich oder gar falsch sein.

Das Berichtswesen ist nicht nur auf, die Belange der unmittelbar mit dem Projekt beschäftigten Stellen (Marketing, Entwicklung, Konstruktion) abzustimmen, sondern auch auf das beteiligte Umfeld (Einkauf, Fertigung, Vertrieb). Entsprechend vielseitig kann sich Art, Aufbau und Inhalt der jeweils erforderlichen Berichtslisten gestalten. Eine Abstimmung über Ziel und Zweck der Berichte sollte rechtzeitig vor ihrer Einführung auch mit dem Betriebsrat erfolgen.

Selbstverständlich ist das ausgewählte Werkzeug vorab daraufhin, zu untersuchen, daß alle für das Projektmanagement ermittelten Forderungen und Bedingungen technisch realisierbar sind. Durch eine Probeinstallation kann getestet werden, ob und mit welchem Aufwand die bereitgestellte Software auf der verfügbaren Anlage lauffähig ist Hierbei können auch wichtige Kriterien wie Bedienbarkeit, Laufzeitverhalten und Kapazitätsbedarf untersucht werden. Aus Gründen, die spätere ausgeführt werden, sollte gegebenenfalls die Anschlußfähigkeit an andere Software-Systeme ausgetestet werden.

Die Einführung des neuen Werkzeugs sollte in Stufen erfolgen. So können leichter unerwartet auftretende Unstimmigkeiten erkannt, eingegrenzt und behoben werden. Man sollte mit derjenigen Fachabteilung starten, die das Projektgeschehen eines Unternehmens am besten repräsentiert. Der Unigang mit den für -den Projektverlauf wichtigen Steuergrößen wie Termintreue, Einhaltung des Budgetrahmens, oder Auslastung verfügbarer Ressourcen bleibt dadurch überschaubar.

Die am Projekt beteiligten Stellen müssen zunächst lernen, mit den planbaren, das heißt durch das Werkzeug steuerbaren Größen umzugehen. Aussagen zum müssen entsprechen beurteilt werden können. Insbesondere auf Hinweise von Abweichungen im Projektverlauf ist entsprechend schnell zu reagieren.

Der Aufwand für die Strukturierung von Projekten nach dem Grundsatz der Überschaubarkeit und Steuerbarkeit nimmt normalerweise mehr Zeit in Anspruch als erwartet. Dazu kommt der meist ungewohnte Aufwand für die Datenerfassung.

Außerdem erfordert die sorgsame Kontrolle der Auswertungen und die Behebung von Fehlern anfangs einen erheblichen Zeitaufwand. Deshalb ist für die Einführungsphase im Sinne einer "Experimentierphase" genügend Spielraum einzuplanen. Sie darf keinesfalls unter Termindruck erfolgen.

Die gewonnenen Erkenntnisse sind festzuhalten und auszuwerten. Sie erleichtern den Schritt um Schritt nachziehenden Abteilungen den Einstieg in das neue Projektmanagement grau wesentlich.

Die stufenweise Einführung eines neuen Werkzeugs für das Projektmanagement kann auch unter einem anderen Aspekt erfolgen. So können die Auswertungen zunächst auf terminliche Aussagen beschränkt werden, wie Dauer, Endtermine und Fertigstellungsgrad von Planeinheiten. Erst später werden Aufwandsbetrachtungen wie Kosten für erbrachte Leistungen und eingesetzte Mittel oder Erlös- und Ertragsaussagen einbezogen.

Ein Werkzeug, das im gesamten Unternehmensbereich (also abteilungs- und bereichsübergreifend) eingesetzt werden soll, muß die Be(...)nge des Projektmanagements einheitlich und umfassend abdecken. Bei seiner Einführung ist darauf zu achten, daß auch übergeordnete Gesichtspunkte einer Unternehmensorganisation berücksichtigt werden. Das Berichtswesen muß sowohl den spezifischen Anforderungen einer Gesamtdarstellung (in komprimierter Form) gerecht werden.

Sollten allgemeingültige Aussagen gewonnen werden, so müssen allgemein gültige Richtlinien ausgearbeitet und berücksichtigt werden. Insbesondere für die Struktur eines Projektes, der korrespondierenden Tätigkeiten und Mittel sowie der verwendeten Verschlüsselung (Codes) sind entsprechende Standards vorzugeben. Die von dem Werkzeug verwendeten, beziehungsweise von ihm ermittelten Informationen sind gegebenenfalls mit anderen Software-Systemen zu verknüpfen. Dazu müssen entsprechende Schnittstellenvorschritten beachtet werden.

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß bei einem Werkzeug für das Projektmanagement mehr Einflußfaktoren zu berücksichtigen sind, als auf Anhieb angenommen wird. Es empfiehlt sich deshalb, eine neutrale Instanz mit der Koordination der vielschichtigen Interessen zu beauftragen. Sie übernimmt damit gleichzeitig die Zuständigkeit für den Einsatz des Werkzeuges. Weitere Funktionen wie laufende Überwachung des Werkzeugeinsatzes und Unterstützung bei der Fehlerbehebung werden diese Aufgabe über die Einführungsphase hin aus zu einer Daueraufgabe werden lassen.

Ausnahmeregelung unterhöhlt die Tool-Akzeptanz

Ist ein Werkzeug für das Projektmanagement entsprechend der beschriebenen Direktiven eingeführt, so sind die Voraussetzungen für seinen laufenden Einsatz keineswegs automatisch gelegt. Wie die Erfahrung zeigt, ist der Einsatz eines automatisierten Werkzeugs permanent gefährdet und muß gegen "Ausbruchversuche" ständig verteidigt werden. Darunter fallen das Erwirken von Sonderregelungen, das Ausklammern bestimmter Projekte oder Projektbeteiligter oder der Einsatz von konkurrierenden Planungswerkzeugen. Durch Ausnahmeregelungen wird die Akzeptanz des eingeführten Werkzeugs unterhöhlt und seine Kompetenz in Gefahr gebracht.

Ein für das Projektmanagement eingeführtes Werkzeug muß leben. Es muß stets auf aktuellstem Informationsstand gehalten und konsequent und durchgängig eingesetzt werden. Nur durch engagierte Anwendung kann das eingesetzte Werkzeug die Hilfe bieten, die es zu bieten in der Lage ist.

Diethard Erbslöh, zuständig für den Einsatz und die Koordinierung von Planungswerkzeugen bei Taylorix, Stuttgart.