Werksarztzentren - kaum entdecktes Gebiet für Automation

01.04.1977

Das Arbeitssicherheitsgesetz hat für viele Betriebe die Notwendigkeit gebracht, ihre werksärztliche Organisation auf- oder auszubauen. Zahlreiche Arbeitsplätze in der Produktion gelten als gefährdet, so daß eine ständige medizinische Überwachung der dort Beschäftigten erforderlich ist. Da die Berufsgenossenschaften selber erst Erfahrungen auf breiterer Front machen müssen, kann man davon ausgehen, daß die Anforderungen an den Werksarzt und seine Vorsorge für die Belegschaftsangehörigen in den kommenden Jahren noch zunehmen werden. Vor diesem Hintergrund lohnt sich die Überlegung, inwieweit die Tätigkeiten des Werksarztes durch Computer unterstützt werden kann.

Dies ist immer dann interessant, wenn größere Betriebseinheiten die Betreuung zahlreicher Arbeitnehmer und die ergonomische Beurteilung zahlreicher Arbeitsplätze notwendig werden lassen; aber auch die Einrichtung von überbetrieblichen Werksarztzentren oder mobiler Untersuchungsstationen (insbesondere für Klein- und Mittelbetriebe) lassen Überlegungen zur Automation derjenigen Tätigkeiten, die automatisierbar sind, sinnvoll erscheinen.

In grober Unterscheidung lassen sich zwei Gebiete für den Computer-Einsatz erkennen:

- Verwaltungstätigkeiten

- Ermittlung und Dokumentation von medizinischen Befunden.

Administrativ ist der Betriebsarzt in Zusammenarbeit mit der Betriebsarzt in Zusammenarbeit mit der Personalabteilung tätig. Er erhält Informationen über die Struktur der Arbeitsplätze, und er wird bei der ergonomischen Klassifikation dieser Arbeitsplätze eingeschaltet. Die Anforderungen, die seitens des Arbeitsplatzes an die medizinische Eignung des Arbeitnehmers gestellt werden, müssen vom Arzt mitdefiniert und in einer für ihn adäquaten Weise dokumentiert werden.

Der Arzt erhält weiterhin Informationen über die beabsichtigte Arbeitsplatzbesetzung. Sofern das Unternehmen nicht bei bestimmten Anlassen eine Eignungsuntersuchung obligatorisch vorschreibt - zum Beispiel als Einstellungs-Untersuchung -, muß der Arzt bestimmen, in welchen Fällen, auf welchen Arbeitsplätzen und bei welchen Personen oder Personengruppen er eine Untersuchung und eine Routine-Kontrolle für notwendig hält. Außerdem sind bestimmte, vom Gesetz vorgeschriebene Untersuchungen nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz durchzuführen; der zu untersuchende Personenkreis wird in Auslegung der Bestimmungen durch Personalabteilung und Arzt festgelegt.

Karteien, Termine - Routine

Diese Arbeiten verlangen umfangreiche Verwaltungstätigkeiten. Karteien sind zu führen - unter anderem die gesetzlich vorgeschriebene "Gesundheitskartei" -, Terminverfolgung ist zu betreiben, Routineuntersuchungen sind zu planen, Untersuchungsergebnisse sind in Form einer Eignungsaussage zu dokumentieren und der Personaleinsatzstelle zu geben.

Im Rahmen der Untersuchungstätigkeit fallen zahlreiche Befunddaten an, die der Arzt zur Diagnose heranzieht. EKG, EEG, Virusbestimmung, audiometrische Untersuchungen, Untersuchung auf gefährliche Arbeitsstoffe - all dies umfaßt die Feststellung von Daten, wobei dank fortgeschrittener medizinischer Technik zahlreiche Befunddaten von Geräten festgestellt werden. Dem Arzt müssen diese Daten möglichst präzise, komplett und rasch zur Verfügung gestellt werden. Rasch deshalb, weil er möglichst noch in Anwesenheit des Patienten entscheiden sollte, welche weiteren Schritte zu unternehmen sind. Dem Betrieb ist verständlicherweise daran gelegen, daß ein Mitarbeiter nicht mehrmals zur Untersuchung - in Einzelschritten - freigestellt wird, sondern alle Untersuchungen in einem Durchgang durchläuft, weil sich dadurch Wege-, Warte- und Ausfallzeiten minimieren. Darüber hinaus muß der Arzt neue Befunde mit alten Untersuchungsergebnissen vergleichen, um Veränderungen festzustellen.

Hochempfindliche Daten

Diese Anforderungen an einen modernen werksärztlichen Betrieb, bei dem die Belange des Arztes, des Patienten und des Unternehmens nicht zu kurz kommen, sind Grundlage für zwei denkbare Computeranwendunge: Verwaltungssystem für Arzt und Personalabteilung sowie Befundermittlungs- und -dokumentationssystem für den Arzt. Während ersteres eng mit dem betrieblichen Personaldatensystem verknüpft sein sollte, weil sich zahlreiche Abhängigkeiten von Arbeitsplätzen und Arbeitnehmerdaten für den Werksarzt ergeben (der Arzt sollte eine eigene Datenerhebung tunlichst vermeiden, wenn er auf die Personaldaten Zugriff haben kann), stellt das Befund-System eine Anwendung dar, die der Arzt unter Kontrolle haben sollte.

Die Entscheidung, solch hochempfindliche Daten über Menschen Computersystemen anzuvertrauen, muß nach einer gründlichen Analyse der Datensicherung gefällt werden. Ein eigenes Hardwaresystem, bei dem der Arzt über den Aufbau einer Verbindung zum betrieblichen Rechner selbst entscheiden kann, ist - sofern das Problem der Software befriedigend gelöst werden kann - eine interessante Perspektive.

* Ursula Kock ist freiberuflich tätig auf dem Gebiet der Automation im Personalwesen.