Kolumne

"Wer will denn .NET MyGoogle?"

07.11.2003
Wolfgang Sommergut Redakteur CW

Wenn Sie spontan die vier oder fünf renommiertesten Web-Companies nennen sollten, wer würde Ihnen da einfallen? Bestimmt fänden sich darunter Amazon, Ebay, Google und Yahoo. Aber Microsoft? Eher nicht. Und das, obwohl die meisten Marktbeobachter noch vor wenigen Jahren die Gefahr sahen, dass Bill Gates sein Desktop-Monopol auf das Internet ausdehnen könnte. Tatsächlich ließ der Windows-Hersteller fast nichts unversucht, um mit Hilfe seiner Vormachtstellung auf dem PC das globale Netz unter seine Kontrolle zu bringen.

Die Ergebnisse all dieser Bemühungen sehen indes mager aus. MSN schrieb acht Jahre nach seiner Gründung im letzten Quartal erstmals schwarze Zahlen. Bei Hotmail holen sich viele Nutzer nur eine E-Mail-Adresse, um sie dort zu hinterlassen, wo man seine persönlichen Daten lieber nicht preisgeben möchte. Microsofts kurzer Auftritt im Online-Reisemarkt endete mit dem Verkauf von Expedia. Und an die mit viel Wirbel angekündigten .NET Myservices erinnert sich schon jetzt niemand mehr.

Verhält es sich also wirklich so, wie einige Kritiker meinen, dass Microsoft nach dem verspäteten Einstieg ins Internet nie richtig verstanden hat, wie das Netz funktioniert? Wohl kaum. Die Company verfügt nicht nur über ungeheure Geldmittel, sondern auch über viele hochtalentierte Mitarbeiter. Sie erwies sich im schnelllebigen IT-Markt immer wieder als außerordentlich clever.

Eher sieht es so aus, als hätte sich der vermeintliche Vorteil, alle Geschäftszweige mit dem Desktop vernetzen zu können, ins Gegenteil verkehrt. Mit dem Versuch, möglichst viel Software oder Dienste mit Windows zu verknüpfen und so immer neue Märkte zu erobern, verspielte Microsoft das Vertrauen von möglichen Geschäftspartnern und Kunden.

Aufgrund des relativ dürftigen Erfolgs im Web scheint eine Google-Übernahme nur folgerichtig. Diese Company genießt trotz ihres Quasi-Monopols ein hohes Renomee und dominiert einen Markt, der immer mehr zur Schaltstelle des E-Business wird. Seit der Akquisition von Inktomi und Overture durch Yahoo befindet sich zudem MSN in der unbequemen Lage, wesentliche Services vom größten Konkurrenten einkaufen zu müssen.

Microsofts schlechtes Image im Web ließe sich mit dem Kauf von Google aber wohl nicht aufpolieren. Eher steht zu befürchten, dass dieser Ruf auf Google abfärbt. Die heikle Sortierreihenfolge von Suchergebnissen wird von allen Site-Betreibern misstrauisch beäugt. Auch wenn Microsoft sich korrekt verhielte, stände immer der Verdacht im Raum, dass die Trefferlisten zugunsten eigener Angebote manipuliert wurden - auf MSN ist das immer wieder geschehen.

Wie es aussieht, zeigten die Google-Verantwortlichen Microsofts Avancen die kalte Schulter. In ähnlichen Fällen - etwa bei Netscape - unterbreiteten seinerzeit die Herren aus Redmond ein Angebot, das die Konkurrenz nicht ablehnen konnte: entweder Kniefall vor dem Imperium oder Auslöschung. Aber das Monopol über den Desktop hat zumindest im Web einen großen Teil seines Schreckens verloren. Microsofts regelmäßige Ankündigungen, mit eigener Technologie in den Markt für Suchdienste einzusteigen, dürften den Google-Managern kaum den Schlaf rauben.