Gründer

Wer vom Risiko lernt, wird wachsen

17.09.2008
Von Claudia Erben

Wann lohnt sich die Absicherung?

Eine Welt, in der Gefahren existieren, die zwar selten auftreten, jedoch außerordentlich gefährlich sind, erfordert, Abhängigkeiten und Verflechtungen genauer unter die Lupe zu nehmen. Das nennt man dann unternehmerische Weitsicht - und bedeutet mehr als die operative Management-Verantwortung. Ab wann lohnt es sich, sich gegen unwahrscheinliche Risiken abzusichern, etwa gegen Systemzusammenbrüche oder den größten anzunehmenden Unfall, den Super-Gau? Eine Frage, die sich Gründer im Zuge der Abwägung jetzt zu stellen haben, wäre etwa: "Welche Tatsache betrachten wir als selbstverständlich, die morgen nicht mehr gegeben sein könnte?"

Claudia Erben, Geschäftsführerin des Gründernetzwerkes Forum Kiedrich: Das siebte Jahr ist nicht nur in Ehen, sondern auch für Firmen schwierig.
Claudia Erben, Geschäftsführerin des Gründernetzwerkes Forum Kiedrich: Das siebte Jahr ist nicht nur in Ehen, sondern auch für Firmen schwierig.

Die gegenwärtige Bankenkrise stellt ein solches Ausnahmerisiko dar - ausgelöst durch Vergabe "fauler" Immobilienkredite in den USA. Banken und Hedge-Fonds versuchten, das Risiko der Subprime-Kredite in neuen Anlageformen (Collaterized Debt Obligations) zu bündeln und so zu minimieren. Die Risiken wurden versteckt weiter gegeben. Selbst die schlechteste Anlage wurde noch in Kategorien des Besten, Mittelmäßigen und Schlechten unterteilt und damit so strukturiert, dass selbst institutionelle Anleger den Sinn für Gefahren verloren. Auch sie verstanden offensichtlich nicht, in welche Produkte sie investierten oder ignorierten Risiken nach dem Prinzip "Augen zu und durch". Die Rating-Agenturen spielten das Spiel aus eigenem Interesse mit. Jetzt trifft diese Krise den Jungunternehmer noch mehr in Form von Kreditverweigerungen.

Eigenes Angebot mit Realwirtschaft abgleichen

Unternehmen, die einen Bezug zu realen Kunden haben, werden es leichter finden, ihre Risiken aktiv zu managen. Wenn aber die Wertschöpfung zersplittert über eine lange Kette erfolgt, ist es für diejenigen, die am Ende der Wertschöpfungskette stehen, sehr schwierig, Risiken am Anfang der Kette zu erkennen. Unternehmer sollten deshalb immer wieder prüfen, wie ihre Angebote mit der Realwirtschaft verknüpft sind. Gibt es einen Endkunden? Hat der überhaupt den Willen und die Bonität das zu kaufen, was der Markt ihm augenscheinlich anbieten will? Welche von beliebig vielen neuen Funktionalitäten ist es ihm wert, hierfür Geld hinzulegen - und zwar alternativ zu anderen Ausgaben in einer Zeit, in der das individuelle Geld knapp wird.

Im Falle der Bankenkrise waren sowohl Frühwarnsignale - etwa in der seriösen Presse - oder später Hinweise auf die Gefahren der Kreditvergabe an wenig solvente Kunden sichtbar. Doch jeder Banker wollte weiteren Gewinn abschöpfen.

Ganze Märkte brechen weg

Eine Betrachtung von außen kann helfen, denn Unternehmen besitzen Systemcharakter: Innerhalb des Systems lassen sich immanente Fehler nicht erkennen. Weil gerade Gründer dazu tendieren, sich in erster Linie auf ihr Marktsegment zu konzentrieren, trifft sie das mit besonderer Härte. Zwar ist es verständlich, dass sie zunächst Mitbewerber und Absatzmärkte im Blick haben.

Doch ein Einigeln im Elfenbeinturm trägt dazu bei, das Wegbrechen ganzer Märkte zu übersehen. Wer ein Call-Center für eine Reiseauskunft aufbaut, wird in Kürze von der Macht einer Suchmaschine verdrängt werden. Wer das Schärfen eines Digitalbildes anbietet, sollte wissen, dass bald Drucker auf den Markt kommen, die mit integrierter Erkennungssoftware diesen Zwischenschritt überflüssig machen. Nur wer den Markt als Ganzes im Blick behält, kann Neuigkeiten bemerken und bewerten, um so rechtzeitig Gegenstrategien einzuschlagen. "Risiko ist die Bugwelle des Erfolgs", sagt Risikoforscher Haller. Für Gründer bedeutet dies: Vom Risiko lernen, heißt wachsen lernen.