Wer stoppt die Bonner Gesetzesflut?

14.01.1977

"Überzogene Perfektion" überschreibt Herr Bernd Hentschel, Leiter der Lohn- und Gehaltsabrechnung der Ford-Werke, Köln, seinen Artikel im manager magazin, in dem er sich über die Bonner Gesetzesflut beklagt. Gegenstand dieser Anklage ist nicht etwa - wie man vielleicht vermuten könnte - das Bundes-Datenschutzgesetz mit seinen von Anwenderseite her kaum einzuhaltenden Auflagen, sondern das aufwendige Abrechnungswesen für Arbeitnehmer (siehe auch Interview der Woche, Seite 5).

Wie B. Hentschel ausführt, fehlt bei der Erarbeitung neuer Gesetze und Verordnungen eine Abstimmung zwischen den einzelnen Ressorts der Behörden und der öffentlichen Verwaltungen, so daß zum Teil nicht koordinierte, manchmal sogar gegenläufige Anweisungen auf die Betriebe zukommen. Auch die drei von uns zu diesem Thema befragten Kollegen von Herrn Hentschel stimmen dieser Meinung zu: "Es gibt in keinem Bereich eines Unternehmens so viele Ausnahmen bei der Personalabrechnung - man kann fast sagen, sie besteht überhaupt nur noch aus Ausnahmen."

Weitere Aussagen der Geplagten, oft auch nur zwischen den Zeilen zu lesen: Der Anwender hat versagt - die meisten Gesetze wurden am "grünen Tisch" verabschiedet, ohne daß man sich über die Wirtschaftlichkeit dieser Verordnungen im klaren war. Ziele für die Zukunft: Aktiv mitzuarbeiten an der Gesetzgebung und als Vermittler hierbei den Ausschuß für wirtschaftliche Verwaltung (AWV), in dem die Anwenderinteressen vertreten werden, nicht mehr zu übersehen.

Jakob Schmidt, Leiter der Lohn- und Gehaltsabteilung, Opel AG, Rüsselsheim

Man kann und darf nicht übersehen, daß uns auch die sogenanntes kostenneutralen Gesetze und Verordnungen der Privatwirtschaft Kosten in Form des Verwaltungsaufwandes aufgebürdet haben und so wie es aussieht auch weiterhin aufbürden werden.

Die Anpassung der Verfahren erfordert zum Teil beträchtliche Kosten, die nicht nur einmalig anfallen, sondern für die permanente Ausführung entweder durch Erhöhung des manuellen oder des - EDV-Aufwandes laufend entstehen. Das kurzfristige Inkrafttreten von Gesetzen und Verordnungen läßt vielfach nur Interimslösungen zu, die später mit erneutem Kostenaufwand optimalisiert werden müssen. Darüber hinaus sprengt die ständige Zunahme materieller und formaler Vorschriften früher oder später die ursprünglich konzipierten Abrechnungsverfahren und zwingt die Unternehmen zur teueren Neukonzeption ihrer Abrechnungsverfahren bzw. -systeme.

Bundeseinheitliche Vordrucke und Verfahren, einheitliche und einfache Rechnungsmethoden sowie der Verzicht auf Mehrfachmeldungen für den gleichen Sachverhalt könnten den Umstellungs- und Vollzugsaufwand reduzieren.

Reiner Peters, Abteilungsleiter in der Organisationsabteilung, Karstadt AG, Essen

Die Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre eingeführten und nachträglich modifizierten Lohn- und Gehalts-Rechenprogramme reichen nicht mehr aus, die Anforderungen der Gegenwart und schon gar nicht die der Zukunft zu bewältigen. Bezeichnend für diese Situation ist auch der neue Sprachgebrauch für EDV-Anwendungen im Personalbereich:

An die Stelle von Lohn- und Gehaltsprogrammen treten komplexe Personal-Abrechnungssysteme.

1974/75 haben wir in unserem Haus ein komplexes Personal-Abrechnungssystem eingeführt, das herkömmliche Lohn- und Gehaltsprogramme sowie die zum Teil manuelle Verdienstberechnung ablöste. Mit der geplanten Systemausweitung zum Personalinformations- und Abrechnungssystem ist Karstadt für die Zukunft gerüstet. Dabei kommt uns insbesondere zugute, daß in unserem Abrechnungssystem Spezialitäten berücksichtigt sind, die es in herkömmlichen EDV-Verdienstabrechnungen nicht gibt, die aber heutige und gegebenenfalls zukünftige Aufgabenstellungen erleichtern, wie die Steuerung der Dienstabrechnung - DÜVO - über Mitarbeiter-individuelle Anwesenheitskalender.

Moderne Abrechnungssysteme, in denen die vielfältigen gesetzlichen Bestimmungen maschinell gelöst sind, zeigen jedoch, daß die "Überschaubarkeit", die bei herkömmlichen Anwendungen vorhanden war, nicht oder nur sehr eingeschränkt gegeben ist.

Insbesondere für die Zukunft gilt es, die Durchführungsbestimmungen zu den Gesetzen im Hinblick auf die praktische Auswirkung zu prüfen. Hierzu sollten frühzeitig die Betroffenen einbezogen werden. Als Interessenvertretung der Wirtschaft sollte hier der AWV verstärkt eingeschaltet werden.

Dipl.-Kaufmann Herbert Lex Geschäftsführer LOB Rechenzentrum GmbH Gesellschaft für Datenverarbeitung, 8000 München 19

Als Service-Rechenzentrum das unter anderem auch die Abrechnung von Lohn und Gehalt anbietet, müssen wir gerade in diesem Bereich ständig sehr viel tun.

Hier gibt es durch die Fülle neuer Bestimmungen, die besonders in letzter Zeit auf die Arbeitgeber zukommt, laufend Änderungen von Vorschriften, die kurzfristig berücksichtigt werden müssen. An den Lohn- und Gehaltssystemen muß dauernd programmiert. werden; es sind dafür Organisatoren und Programmierer einzusetzen, die sich ständig mit diesem Problemkreis beschäftigen, um den Zeitaufwand für die Änderungen in Grenzen zu halten. Im Gegensatz zu Unternehmen, die diesen Aufwand nur für ihre eigene Mitarbeiter-Abrechnung betreiben müssen, können wir dies als Service-Rechenzentrum besser verkraften, da wir viele Unternehmen mit einem großen Abrechnungsprogramm bedienen können. So verteilen sich die Kosten auf einen größeren Anwenderkreis.

Es gibt wirklich kaum eine Woche, in der nicht Änderungsvorschriften oder -wünsche auf den Schreibtischen der zuständigen Mitarbeiter ankommen.

Auf dem Software-Markt angebotene Standard-Programme müssen vor einem Ankauf immer sorgfältiger geprüft werden. Grundsätzlich kann nicht davon ausgegangen werden, daß ein bestimmtes Paket sich ohne weiteres für mehrere Branchen eignet. Durch die sehr unterschiedlichen Anforderungen wird es immer mehr erforderlich, Abrechnungsprogramme für bestimmte Branchen - also branchenspezifische Software - anzubieten.

Wir erkennen zunehmend die Bereitschaft, daß Unternehmen, die eine eigene EDV-Anlage installiert haben, trotzdem ihre Lohn- und Gehaltsabrechnung für einige Zeit bei uns laufen lassen. In dieser Zeit werden individuelle Anpassungen vorgenommen und die Mitarbeiter im Lohnbüro des Anwenders von unseren Organisatoren geschult. Danach kauft das Unternehmen von uns ein Anwendungsrecht am Lohnprogramm für seine eigene Anlage. Änderungen aufgrund neuer gesetzlicher Vorschriften werden trotzdem weiterhin von uns geliefert. Dies erspart dem Anwender die Beschäftigung eines "Lohnprogramm-Spezialisten".