Wacom hat seinen Web-Auftritt neu gestaltet

Wer selbst Verantwortung übernimmt, spart am Ende

18.06.1999
MÜCHEN (CW) - Wer seinen Web-Auftritt einer Internet-Agentur überläßt, wählt vielleicht die einfachere, aber oft die teurere Alternative. Diese Erfahrung machte die Wacom Europe GmbH, Neuss. Mit dem eigenen Web-Server und neuen Applikationen spart sie 50 Prozent der Betriebskosten ein.

Als die europäische Niederlassung des japanischen Herstellers von Grafiktabletts vor drei Jahren ihre Internet-Präsenz plante, entschied sie sich zunächst für eine externe Lösung: Sie mietete Speicherplatz bei einem Internet-Service-Provider an und ließ ihre Web-Site von aushäusigen Programmierern gestalten.

Dabei tauchten bald die ersten Probleme auf: Obschon Provider und Software-Entwickler dasselbe Betriebssystem nutzten (BSD-Unix), ließen sich die fertigen Applikationen nicht auf den Server hochladen. Wie sich später herausstellte, lag die Inkompatibilität darin begründet, daß der verwendete "Apache"-Server an einer einzigen Stelle unterschiedlich eingestellt war.

"Wir saßen zwischen zwei Stühlen", erinnert sich Wolfgang Lenzen, Systemadministrator bei Wacom. "Und dabei hatten wir den Provider und die Programmier doch bereits miteinander ins Gespräch gebracht." Ursachen des Übels waren nach Lenzens Ansicht zum einen die Komplexität des Unix-Betriebssystems, zum anderen das Dreiecksverhältnis zwischen Provider, Kunde und Entwicklern.

Zudem ärgerte sich der Systemadministrator über die Geschäftspolitik seines Providers, der für jeden einzelnen Hit eine Gebühr verlangte: "Da kamen fünfstellige Summen im Monat zusammen." Ferner bot die alte, in "PHP 3" und "Pearl" geschriebene Lösung kaum Auswertungsmöglichkeiten. Last, but not least ließen sich die Interent-Seiten ausschließlich vom Web-Master pflegen. Praktischer wäre es jedoch gewesen, wenn die Sachbearbeiter selbst Änderungen und Ergänzungen hätten vornehmen können, denn bisweilen mußte Wacom mehrere Wochen darauf warten, daß Händleradressen oder Pressemitteilungen aktualisiert wurden.

All dies bewog Lenzen, den Web-Auftritt des 40 Mitarbeiter starken Unternehmens noch einmal zu überdenken. Wie er selbst formuliert, traf er am Ende eine "praktische Entscheidung": Er investierte in einen eigenen Web-Server und ein neues Toolset, das dem Entwickler weniger Möglichkeiten zur Auswahl überläßt und von daher quasi selbst für Konsistenz sorgt.

Und damit auch wirklich "alles aus einer Hand" käme, entschied sich der Systemadministrator für die Softwareprodukte der Microsoft Corp. Seither nutzt Wacom für seinen Web-Auftritt die Internet-Server-Software "Site Server", das HTML-Tool "Frontpage" sowie die nachgeschalteten Datenbanksysteme "SQL Server" und "Access".

Für die Realisierung der Web-Page spannte Lenzen das Systemhaus Ada mit Sitz in Willich bei Düsseldorf ein. Der Microsoft-Service-Provider zeichnet auch für das Funktionieren des Windows-NT-betriebenen Wacom-Servers verantwortlich, übertrug diese Aufgabe aber seinerseits an den Münchner Provider ECRC, der kürzlich mit Cable & Wireless fusioniert hat.

An der im August vergangenen Jahres ans Netz gegangenen Lösung gefällt Lenzen besonders das "Staging-Server"-Konzept. Es erlaubt den Wacom-Mitarbeitern, ihre Web-Inhalte selbst zu ändern oder zu ergänzen. Damit können beispielsweise die Marketing-Abteilung ihre Pressemitteilungen ins Netz stellen oder der Verkauf seine Händleradressen aktualisieren, ohne daß sie eine dritte Stelle einschalten oder selbst HTML programmieren müßten. "Die Anwender sollen Datenbank- inhalte pflegen, nicht HTML-Seiten", erläutert der Systemadministrator.

Der Anwender trägt die Daten an seinem PC mit einem Access-Front-end in eine ihm vertraute Maske ein. Einmal pro Stunde werden die aktualisierten Daten an das Ada-Rechenzentrum geschickt und automatisch auf den Web-Server übertragen.

Um den Transport der Daten braucht sich Wacom überhaupt nicht mehr zu kümmern. Die Replikationsfunktion des Staging Server sorgt dafür, daß der Inhalt der Internet-Seite und dessen Abbild beim Sachbearbeiter konsistent bleiben.

Das Konzept funktioniert in zwei Richtungen: Auch die Kundenanfragen landen jetzt nicht mehr beim Systemadministrator, sondern direkt bei dem Mitarbeiter, der für die jeweilige Seite verantwortlich zeichnet. Dadurch bleiben die Wege kurz, die Kundenzufriedenheit steigt, und auf lange Sicht dürfte dieser Umstand auch positive Folgen für den Umsatz haben.

Auf die Kosten hat sich die neue Lösung ebenfalls erfreulich ausgewirkt: Laut Lenzen konnte Wacom die Ausgaben für seine Web-Präsenz halbieren. Das bedeutet Einsparungen von rund 100000 Mark im Jahr.

In der näheren Zukunft will Wacom sein Web-Angebot, das derzeit vor allem für das Downloading von technischen Beschreibungen genutzt wird, weiter ausbauen. Zudem plant der Web-Koordinator Dirk Schuster die Einführung eines Web-Content-Management-Systems, das eine getrennte Handhabung von Inhalt und Layout erlaubt. Mit einem solchen System auf der Basis der Extensible Markup Language (XML) wäre es möglich, zum Beispiel Datenbankinhalte oder lange Texte separat zu bearbeiten, um sie anschließend in Form von HTML-Templates auf das Netz zu schicken.

Leichter Heimvorteil beim Content-Management

Ob Wacom bei diesem Vorhaben die integrierte Content-Management-Funktion des Site Server von Microsoft nutzt oder ein "schlankes externes System" anschafft, ist laut Schuster noch nicht entschieden. Wacom testet derzeit, ob sich das Microsoft-Produkt auch als Redaktionssystem nutzen läßt, also beispielsweise Freigabeprozesse unterstützt. Die Erfahrungen der Vergangenheit legen allerdings die Vermutung nahe, daß Microsoft bei Wacom einen leichten Heimvorteil haben dürfte.

Das Unternehmen

Das japanische Unternehmen Wacom mit Hauptsitz in Saitama widmet sich der Aufgabe, den Computer für Grafiker und Künstler nutzbar zu machen; zu den Zielgruppen zählen aber auch Produkt-Designer und Heimanwender. Seit seiner Gründung im Jahre 1983 produziert Wacom Grafiktabletts und Eingabestifte ("Pens"). 1988 wurde die Europazentrale in Neuss gegründet. Die 40 Mitarbeiter, die dort beschäftigt sind, erzielten im vergangenen Geschäftsjahr einen Umsatz von 34,2 Millionen Mark.