Ungesunde Büroarbeit

Wer länger sitzt, ist früher tot

13.09.2014
Von Kerstin Dämon

Heilmittel gegen die Sitzkrankheit

Für viele Mediziner und Wissenschaftler ist Sitzen bereits das neue Rauchen: So haben beispielsweise Daniela Schmid und Michael Leitzmann von der Universität Regensburg in einer Studie einen Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und langem Sitzen festgestellt. Unter den vier Millionen Teilnehmern, deren Sitzgewohnheiten sie in ihrer Metastudie analysierten, traten Lungen-, Darm- und Gebärmutterschleimhautkrebs häufiger auf, je länger die Personen am Tag vor Computer oder Fernseher saßen. Und auch hier hatte das Pensum an Freizeitsport offenbar keinen Einfluss.

Doch zumindest im Büro wollen sich die Menschen wieder mehr bewegen, wie eine aktuelle TNS Emnid-Umfrage im Auftrag des Büromöbelherstellers Wilkhahn unter 1.090 Büroangestellten ergab. 48 Prozent der Befragten stimmten der Aussage "Es gibt zu wenig Bewegungsmöglichkeiten im Büro" zu. Bei den unter 29-jährigen wünschen sich sogar 59 Prozent mehr körperliche Aktivität. In den USA sind die Zahlen ähnlich. Dort gibt es allerdings schon seit ein paar Jahren ein geschärftes Bewusstsein für die Problematik, in den Medien und in Studien ist oftmals von "sitting disease", also der Sitz-Krankheit, die Rede.

Langsame Reaktion

Hierzulande reagieren Arbeitgeber und Krankenkassen schleichend auf den täglichen Bewegungsmangel. Und zwar mit Sportprogrammen, Rückenschulen und Zuschüssen für Fitnesskurse. "Das stärkt dann zwar unsere Ausdauer und unsere Kraft, aber wir bekommen unsere Stoffwechselfunktionen nicht mehr in den Griff", weiß Froböse von der Sporthochschule Köln. Der ganze Organismus liege nach einem solchen Bürotag im Koma.

Deshalb solle man zwar nicht mit dem Freizeitsport aufhören - Stichwort Bewegungsmangel - aber das inaktive Verhalten in Angriff nehmen, also mehr Bewegung in die Büros selbst bringen. Letztlich können schon kleine Veränderungen etwas bewirken, wie Froböse sagt: "Wir müssen stündlich aufstehen und uns fünf Minuten bewegen. Es reicht schon, statt im Sitzen im Gehen zu telefonieren."

Natürlich ist auch die Industrie schon auf das Problem aufmerksam geworden und hat verschiedene Büromöbel entwickelt. Da gibt es Stühle, die im Sitzen "zu natürlichen Bewegungen animieren" sollen, andere werden als Bürostuhl und zeitgleich "gesundes Trainingsgerät" angepriesen. Das Geld für solche Anschaffung könne man sich jedoch sparen, sagt Experte Froböse. "Da wird der Körper trotzdem in ein Korsett gepresst. Und es bringt auch nichts, wenn der Stuhl mich bewegt, das muss ich schon selber machen."

Andere Hersteller setzen auf Laufbänder fürs Büro. Da sollen die Angestellten dann während des Telefonats oder dem Beantworten von E-Mails über das Laufband hecheln - in der Realität wohl nur etwas für Exoten. In Frankreich und Amerika sind Gehpulte durchaus verbreitet, in Deutschland sind sie eher selten.

Man muss nicht einen Monat stehen

Zu Recht, wie Froböse findet. "Sie können nicht am Computer schreiben und gleichzeitig auf dem Laufband laufen, dafür ist unser Körper gar nicht gemacht", sagt er. Unser Körper sei konzipiert für Phasen des konzentrierten Arbeitens und Lernens und für Phasen der Bewegung. Beide sollen einander abwechseln.

Dafür muss man nicht einen ganzen Monat lang stehen wie Dan Kois. Denn auch das tut dem Körper nicht gut. Wir sind nicht geschaffen für einseitige Belastungen.

Wer also vom Arbeitgeber kein Stehpult gestellt bekommt, solle einfach alle Stunde einmal aufstehen und durchs Büro laufen oder ein paar Treppen steigen. Angenehmer Nebeneffekt: Das fördert die Konzentration.

Was das angeht, haben Raucher zumindest dieses eine Mal tatsächlich einen gesundheitlichen Vorteil, sagt Froböse: "Die gehen regelmäßig vor die Tür."

(Quelle: Wirtschaftswoche)