Netzspezialisten sind Mangelware

Wer keine IT-Fachkräfte findet, bildet selber aus

21.07.2009
Von 
Konrad Er hat Publizistik und Germanistik in Berlin studiert und anschließend eine Fortbildung zum IT-Fachjournalisten absolviert. Erste Erfahrungen im Job sammelte er als Freier Redakteur bei der COMPUTERWOCHE in München. Seit gut 30 Jahren arbeitet er als freier Journalist und Kommunikationsberater in Düsseldorf.
Unternehmen auf der Suche nach Mitarbeitern mit Internet-Wissen haben ein Problem: Netzkompetenz ist nach wie vor Mangelware. Privatinitiativen der Industrie sollen Abhilfe schaffen.

"Fachkräfte fallen nicht vom Himmel, man muss sie heranbilden, und zwar schnell", formuliert Herbert Bockers, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Dimension Data, den Bedarf an Netzspezialisten in Deutschland: "Wenn Deutschland nicht schnell genug Internet-Kompetenz aufbaut, haben wir schon bald den Anschluss an die weltweit in IP-Prozessen operierende Wirtschaft verloren."

Herbert Bockers, Dimension Data: 'PC-Führerschein war vorgestern.'
Herbert Bockers, Dimension Data: 'PC-Führerschein war vorgestern.'

Globalisierung erfordere eine neue Arbeitshaltung. Mitarbeiter und Management müssten radikal umdenken: "Angesichts der neuen Herausforderungen brauchen wir Leute, für die Computer und Internet Standardwerkzeuge sind. Darauf aufsetzend sollten sie Technologie als Schlüssel für ihren persönlichen Erfolg und damit des Unternehmens verstehen", so Bockers. Diese Eigenschaften müsse ein Unternehmen zur Not selbst ausbilden. Dimension Data habe bereits 1997 Ausbildungsberufe wie IT-Fachinformatiker, IT-Systemelektriker oder IT-Kaufmann eingeführt und verfolge gerade in jüngster Zeit das Ziel, IuK-Fertigkeiten und Prozessdenken in der innerbetrieblichen Aus- und Weiterbildung zu verankern.

Auch Anwenderfirmen müssen Bildung als Garant für Effizienz und Produktivität erkennen, fordert der Dimension-Data-Chef. Ihre Mitarbeiter sollten den Umgang mit den Endgeräten der Zukunft erlernen: "PC-Führerschein war vorgestern! Heute sind Leute wichtig, die fragen: Wie bin ich mit IT erfolgreich, wie kann ich IT effizient nutzen und in Werte umsetzen?" Mit solchen Forderungen trifft Bockers den Nerv seiner Vorstandskollegen. Denn in den Unternehmen herrscht Frust: Wir bekommen nicht die richtigen Leute, die Bildungseinrichtungen produzieren am Bedarf vorbei, und die Politik setzt die falschen Rahmenbedingungen, so laut Bockers der Tenor der Klagen. Die Firmen gehen daher eigene Wege. Sie führen Ausbildungsberufe ein, deren Lehrstoffe sie selbst zusammenstellen, melden diese bei den Industrie- und Handelskammern an und helfen bei der Umsetzung.

Junge Menschen möglichst früh für IT begeistern

Von öffentlicher Hand aufgesetzte Bildungsinitiativen stellen für Anke Anderie, Personalchefin bei Dimension Data, zwar eine nützliche, aber keine strukturelle, geschweige denn strategische Unterstützung dar. Ihr Unternehmen verfolge schon bei der Aus- und später bei der Weiterbildung den Ansatz, vernetztes Arbeiten gezielt zu fördern: "Wir bilden einerseits in den Berufsbildern IT-Systemkaufmann/-kauffrau oder Fachinformatiker/in Systemintegration aus. Hinzu kommt das relativ neue Berufsbild Servicefachkraft Dialog-Marketing für unser europaweit agierendes Service-Center." Ergänzend dazu bilde ihr Unternehmen im Rahmen von Graduate-Programmen Berater in unterschiedlichen Technologiebereichen aus und habe derzeit eine in der IT-Branche besonders hohe Ausbildungsquote von über zehn Prozent. Bisher, so Anderie, seien nahezu alle Auszubildenden und Trainees übernommen worden.

Und nicht nur das. Der IT-Dienstleister hebe bei seinen Bildungsaktivitäten auch Anforderungen wie Netzwissen, Denken in Web-basierenden Geschäftsprozessen oder Kompetenz im Umgang mit sozialen Netzwerken wie Facebook oder StudiVZ hervor. Wichtig hierbei sei insbesondere, junge Menschen viel früher für die IT zu begeistern. Das sei aufwändig, aber nur so werde frühzeitig qualifizierter Nachwuchs für die Wissensgesellschaft geschaffen. Anderies Fazit: "Die Ausbildung verläuft bei uns mit möglichst viel Praxisbezug. Jüngst besuchte eine Gruppe unserer Auszubildenden über mehrere Tage das Rechenzentrum einer großen Universität. Die Schülerinnen und Schüler vertieften dabei vor allem den professionellen Umgang mit Kunden."