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Wer kauft das Debis Systemhaus?

23.02.2000
Hinter den Kulissen tobt die Entscheidungsschlacht

CW-Bericht von Jan-Bernd Meyer

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Debis Systemhaus GmbH (DS), IT-Dienstleistungs-Division der Daimler Chrysler Services AG (Debis), steht wieder einmal vor dem Verkauf. Diesmal scheinen die Gerüchte mehr Hintergrund zu haben. Wer der Käufer sein könnte, ist aber nach wie vor unklar.

Noch immer ist nicht klar, ob sich der Vorhang zum letzten Mal schließt hinter einer unendlichen Geschichte und die mittlerweile weltweit 26 000 Mann starke IT-Mannschaft einen neuen Arbeitgeber gefunden hat. Laut Presseberichten scheint sich Daimler-Chrysler-Vorstand Eckhard Cordes auf einen Verkaufspreis von 30 Milliarden Mark eingeschossen zu haben, potentielle Bieter betrachten diese Offerte als weit überzogen. Sie glauben, 15 bis maximal 20 Milliarden Mark seien genug für den inzwischen sehr erfolgreichen Serviceanbieter.

Aber es gibt Indizien dafür, dass hinter den Kulissen die Entscheidungsschlacht tobt. Herbert Schiller, Konzernbetriebsratsvorsitzender und Aufsichtsratsmitglied bei der Debis AG, will alle Hebel in Bewegung setzen, einen Verkauf, den Schiller eine "Fehlentscheidung" nennt, abzuwenden.

Aber die Konzernleitung scheint sich über die Zukunft der Debis AG nicht einig. So zumindest sagt es eine andere Quelle innerhalb des Debis-Konzerns im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE: "Hier läuft eine knallharte Auseinandersetzung zwischen Eckhard Cordes, Manfred Gentz und Klaus Mangold ab." Alle drei sitzen im Vorstand des Daimler-Chrysler-Konzerns, Mangold ist zudem Vorstandsvorsitzender der Debis AG.

Widersprüchliche Meinungen gibt es noch über die Haltung von Daimler-Chrysler-Chef Jürgen Schrempp. Während Arbeitnehmervertreter Schiller befürchtet, der machtbewusste Deutsche habe sich schon für den Verkauf entschieden, meint der anonym bleiben wollende Informant, Schrempp habe sich noch keine abschließende Meinung gebildet. Fragen zu einem Verkauf beantworte Schrempp nicht einmal im Aufsichtsrat der Debis AG, dessen Vorsitzender er auch ist.

Wer sind potentielle Käufer?

Spekuliert wird in Ermangelung harter Fakten jetzt über Kandidaten für eine Übernahme oder eine Fusion. Als wahrscheinlich kristallisiert sich heraus, dass es bei einer möglichen Veräußerung nicht um die Debis AG im Ganzen geht, sondern nur um deren IT-Service-Division, also das Debis Systemhaus. Die Finanzierungs- und Leasinggeschäfte des Autokonzerns, die ja über die Debis AG abgewickelt werden, sollten sinnvollerweise nicht aus dem Konzern herausgelöst werden. Dieser wird auch Debis neue E-Commerce-Truppe nicht so ohne weiteres ziehen lassen. Die in der Giggo.com zusammengefasste Einheit betreibt offensichtlich mit einigem Erfolg Autohandel über E-Business-Wege. Wegen ihres wichtigen Know-hows für ein zunehmend bedeutendes Geschäftsfeld dürfte auch sie im Mutterkonzern verbleiben.

Bleibt das Debis Systemhaus. Peter Cunningham vom Marktforschungsinstitut Input, das sich auf die Bewertung von Serviceunternehmen spezialisiert hat, sieht zwei mögliche Szenarien:

Entweder verkauft der Konzern die Debis-IT-Division komplett, also mit den Leuten, die die IT-Dienstleistungen für den Automobilkonzern erbringen. Dieses Geschäft mit der Mutter trägt rund 27 Prozent zum gesamten Umsatz der DS bei; oder man trennt sich nur von dem Teil, der für externe Unternehmen Dienstleistungen erbringt. Für eine komplette Trennung von der IT-Sparte spreche, dass Daimler und Chrysler noch erhebliche Integrationsprobleme zu bewältigen hätten. Gleichzeitig würden Wettbewerber wie General Motors, Ford und Toyota mit Macht neue E-Business-Geschäftsmodelle vorantreiben. Der Konzern, so Cunningham, habe nicht die Ressourcen, beide gewaltigen Aufgaben gleichzeitig und in dem in der Automobilindustrie nötigen Tempo zu stemmen.

Bei einem potentiellen Käufer müsse es sich um ein Schwergewicht handeln, das nicht, wie einige Wettbewerber, lediglich über Fähigkeiten bei der Systementwicklung und -Integration verfügt. Vielmehr sollte ein Übernahmekandidat erhebliche internationale Integrationspotentiale und ein gerüttelt Maß an E-Business-Knowhow vorweisen können. Vermutlich werde Daimler-Chrysler im Falle eines Verkaufs eine Beteiligung anstreben, um seinen Einfluss zu wahren.

Sollte Daimler-Chrysler die für den Mutterkonzern arbeitende IT-Mannschaft des Debis Systemhauses nicht verkaufen, so brauche der Schrempp-Konzern "lediglich" dem höchstbietenden Käufer den Zuschlag zu erteilen. Die im Unternehmen verbleibende Serviceabteilung könne sich dann auf die Integrations- und E-Business-Aspekte des Kerngeschäfts des Autobauers konzentrieren. In diesem Fall würden sich Probleme beim Mitarbeitertransfer zwar verringern. Cunningham traut der DS-Restmannschaft aber nicht zu, die politischen und technischen Aspekte der operationalen Integration zu einem Zeitpunkt zu bewältigen, da sie unter anderem auch Business-to-Business-(B-to-B-) und Business-to-Consumer-(B-to-C-)Portale für den Automobilriesen entwickeln muss.

Für Siemens Business Services (SBS) als Käufer spricht laut Cunningham bei Variante eins die gute europäische Positionierung, die Größe von SBS und das aufgebaute Know-how im E-Business-Segment. Allerdings habe SBS keine Erfahrung mit großen Fusionen. Auch um die Marketing-Potentiale sei es schlecht bestellt.

Für Wolfgang Braun, ehemaliger Debis-Mann und jetzt Analyst bei der Meta Group, ist SBS kein heißer Tipp: "Was bringt das? Die würden sich kannibalisieren." In Deutschland wären beide Partner stark, im Ausland aber schwach: "Mit einem Merger will ich doch meine Schwächen beheben und nicht meine ohnehin schon vorhandenen Stärken ausbauen."

Auch CSC Ploenzke ist für den Input-Mann kein guter Tipp für Kaufvariante eins. Zwar sei der US-Dienstleister mit deutschem Anhang multinational ausgelegt. Aber mit Prozessen in der Größenordnung, wie sie bei den internen Daimler-Chrysler-Operationen zu gewärtigen seien, habe CSC Ploenzke noch nicht zu tun gehabt. Zudem sei dieser Kandidat erst spät in das E-Business-Geschäft eingestiegen. Allerdings verfüge CSC Ploenzke über exzellente Marketing- und Unternehmensintegrationsfähigkeiten. Bei Version zwei könne CSC wahrscheinlich beim Preis nicht mit Konkurrenten mithalten, es sei denn, man würde eine befriedigende Beteiligungsregelung finden.

Meta-Mann Braun fragt sich ebenfalls, was CSC von solch einem Schachzug hätte. Ploenzke sei in Deutschland ja ohnehin schon relativ stark: "Was macht CSC dann mit Ploenzke?" Das Kapital für eine Akquisition hätte CSC zwar. Aber im Prinzip würde lediglich in Deutschland ein Jumbo mit über 30 Prozent Marktanteil heranwachsen: "Ob das die IBM zulassen würde?"

Ein ganz ungeeigneter Kunde wäre, so Cunningham, die Deutsche Telekom. Das deutsche Unternehmen sei multinational eigentlich nicht präsent. Beteiligungsmodelle zwischen der Ron-Sommer-Company und DC seien kaum denkbar, es sei denn, die Telekom-Tochter Deutsche Telekom Computer Service Management GmbH (DeTeCSM) werde per Spinout wieder aus dem Mutterkonzern gelöst. E-Business-Erfahrungen seien ebenso wenig vorhanden wie Kenntnisse in der Automobil- und Großproduktions-Branche. Für Szenario zwei könne die Deutsche Telekom zumindest mit einer fetten Geldkatze und einigen Netzwerkfähigkeiten winken.

Wenig wahrscheinlich erscheint für Cunningham auch, dass EDS das Debis Systemhaus komplett übernimmt. Dies, obwohl der GM-Dienstleister von allen möglichen Interessenten natürlich die meiste Erfahrung im Automobilsektor hat und über sehr starke operationale Integrationsbefähigungen für eine Fusion verfügen würde. Allerdings dürfte sich bei dieser Konstellation ein Kulturproblem stellen, meint Cunningham. Eine Frage des Preises sei es, wenn Schrempp nur das externe Dienstleistungssegment aus der DS herauslösen wollte.

Cap Gemini (CG) andererseits habe ja schon seine guten und schlechten Zeiten mit DC erlebt. Um die Integrationspotentiale sei es bei den Franzosen genauso schlecht bestellt wie bei der US-Präsenz. Allerdings verfüge CG über ein exzellentes Marketing und eine gute E-Business-Positionierung. Alles in allem aber ein Nein bei Variante eins. Anders bei Szenario zwei. Da sei CG ein ganz interessanter Bewerber.

Die alles entscheidende Frage sei allerdings, wie sich die noch nicht abgeschlossene Verschmelzung von CG und Ernst & Young (E&Y) auswirkt. CG hätte im Falle von Fusionsgelüsten dann gleich zwei riesige Akquisitionen über die Bühne zu bringen. Auch Braun hebt auf das E&Y-Engagement von CG ab: "Ernst & Young ist ja ein Konstrukt aus Partnerschaften. Für einen Übergang zu CG braucht E&Y das Plazet von mindestens 90 Prozent aller Partner. Und dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen."

Insider meinen, es sei kein Hinweis auf eine mögliche Fusion, dass Karl-Heinz Achinger im Frühjahr 2000 das Amt des Geschäftsführers beim Debis Systemhaus niederlegt, aus dem Vorstand der Debis AG ausscheidet und von Konrad Reiss beerbt wird. Der 41-jährige ist seit vier Jahren Mitglied des Global Executive Board der Unternehmensberatung Gemini Consulting und seit 1997 Geschäftsführer der Cap-Gemini-Gruppe in Deutschland.

Last, but not least die IBM. Big Blue und deren Global-Services-Mannschaft seien in Deutschland, Europa und den USA gleichermaßen stark präsent. Big Blue habe auch das Zeug und die nötige Größe, eine Integration zweier Unternehmen zu bewältigen, allerdings keine Erfahrungen mit Akquisitionen. Auch im E-Business erwarb sich IBM gute Referenzen. Sollte das Debis Systemhaus also komplett verkauft werden, sei Big Blue ein guter Tipp. Einen Kommentar hierzu wollte IBM gegenüber der COMPUTERWOCHE aber nicht abgeben. Bei Szenario zwei würde die Service-Division der IBM in Europa extrem stark positioniert. Abzuwarten bleibe bei dieser Variante allerdings, welchen Preis der Computerriese dafür zu zahlen bereit wäre und welche Profitabilitätsoptionen der neu entstandene Servicekonzern zu gewärtigen hätte.

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Update @CeBIT, 23. Februar, 17.30 Uhr

Im Interview mit Jan-Bernd Meyer umriss Konrad Reiss, Vorstandsmitglied von Daimler Chrysler Services (Debis) AG und als Nachfolger von Karl-Heinz Achinger auch designierter Vorsitzender der Geschäftsführung des Debis Systemhauses, wie sich das Debis Systemhaus in den USA stark machen will.

CW: Alle Marktbeobachter konstatieren die schwache außereuropäische Position des Debis Systemhaus. Insbesondere die USA sind ein weißer Fleck auf der DS-Landkarte. Genau daher rühren die Spekulationen um eine Übernahme Ihrer Firma. Was gedenken Sie zu tun?

REISS: DS hat ja erst in Spanien, Italien, Frankreich oder mit der größten Versicherung Südafrikas, der Sanlam Group, Geschäfte aufgebaut. Bei Sanlam haben wir die komplette IT im Zuge eines Outsourcing-Vertrages übernommen. Das ist also die Strategie: Mit großen Outsourcing-Deals und gezielten Zukäufen im Beratungs- und Implementierungssegment unsere Basen in den jeweiligen Ländern aufzubauen. Das hat in Europa, Südafrika und in einigen Staaten Osteuropas funktioniert, mit dieser Strategie werden wir weitermachen.

CW: Was ist das Ziel für Europa?

REISS: Wir wollen in Europa die Nummer drei werden. Davon sind wir nicht mehr so weit entfernt.

CW: Wenn das Debis Systemhaus allerdings weltweit und insbesondere in den USA wachsen will, können Sie dies nicht über ein organisches Wachstum schaffen. Sie müssen also mit einem anderen Unternehmen fusionieren oder sich aufkaufen lassen.

REISS: Es ist natürlich richtig: Wir müssen einen Fuss in die USA setzen. Die Strategie ist dabei ähnlich der in anderen Ländern: Zunächst haben wir ein kleineres Unternehmen gekauft, Technology Asset Management (TAM). Das kann man im Plan-Built-Segment ansiedeln. Um dieses Unternehmen herum werden wir mit großen Deals unsere Präsenz aufbauen. Und wenn es da eine Möglichkeit gibt, uns an einer größeren Organisation zu beteiligen, werden wir dies entsprechend forcieren und auch tun. Eins ist ganz klar: Wir brauchen eine signifikante Position in den USA - wie immer wir das schaffen.

CW: Dann ist es doch legitim, dass aus dem Feld der möglichen Kandidaten all die herausfallen, die in den USA selbst nur schwach vertreten sind. Die Deutsche Telekom [machte Debis ein Angebot über 13 Milliarden Mark, Anm. d. Red.] käme dann zum Beispiel nicht in Frage.

REISS: Wir werden uns über mögliche Kandidaten nicht unterhalten, das ist alles Spekulation. Noch einmal: Um seine Kundenbasis zu erweitern, braucht das Systemhaus eine starke Position und Operationseinheit in den USA. Der Markt dort ist einfach der mit Abstand dynamischste.

CW: Sie haben heute betont, von welch überragender Bedeutung das E-Business als Betätigungsfeld für das Debis Systemhaus künftig sein wird. Ein Fusionspartner muß also wohl auch ein hohes Maß an E-Business-Know-how mitbringen?

REISS: Wenn wir jemanden finden, der dieses E-Business-Potenzial in den USA hätte, wäre das toll. Wenn nicht, bauen wir das selber auf. Das wäre dann teurer und würde länger dauern. Oder aber wir bauen gemeinsam mit einem Unternehmen, das schon in den USA situiert ist und dort schon Zugang zum Markt hat, diese E-Business-Angebotskompetenz auf.

CW: Wenn ein potentieller Kandidat aber die E-Business-Kompetenz schon besäße, wäre das natürlich optimal?

REISS: Ja, natürlich.

CW: Gibt es vom Daimler-Chrysler-Konzern Vorgaben, bei einem Fusionskandidaten über eine Beteiligung, vielleicht sogar eine Mehrheitsbeteiligung, auch weiterhin Einfluß auszuüben? Solche Bedingungen gab es ja wohl bei den Verhandlungen mit der Siemens Business Services um ein Zusammengehen mit der Debis Systemhaus. An der harten Haltung der Konzernmutter sollen die Verhandlungen ja letztlich gescheitert sein.

REISS: Bislang ist das Debis Systemhaus im Bestreben, über ein organisches Wachstum größer zu werden, nicht eingeschränkt worden.