Wer CAD, der CAM

05.02.1988

Mini-Marktführer DEC ist seit 1978 um 8,8 Milliarden Dollar Umsatz gewachsen (1978: 1,6 Milliarden, 1986/87: 10,4 Milliarden), hat sich alle drei Jahre annähernd verdoppelt. In dieser Zeit gelang es der Olsen-Company, von Rang 6 der Liste der Industry-Leader auf Platz 2 hinter IBM vorzustoßen. Digital, der Herausforderer! So jedenfalls wird das Unternehmen gehandelt, wenn es um eine sichere Platzwette für das Shake-out-Rennen in der Branche geht.

Die meisten Analysten waren ratlos, die Chancen von Prime und Computervision einzuschätzen. Gleichsam zur Sicherheit für die Schwankenden hat sich Prime-Chef Joe Henson offen zur Fressen-oder-gefressen-werden-Philosophie bekannt. Die Faustregel gilt, wonach Marktanteile im einstelligen Bereich zum Überleben nicht reichen. Die Kunst, Marketing-Rätsel zu lösen: strategische Allianz, Kooperation oder Fusion? Für Henson kein Problem: Jetzt wurde der CAD/CAM-Spezialanbieter Computervision übernommen (Seite 1). Oberstes Gebot war, "Größe" zu erreichen.

Was spricht dagegen, daß sich die frisch Vermählten jetzt einen geruhsamen Honeymoon leisten? So gut wie nichts, zumal den Prime- und Computervision-Kunden die Fusion allemal Lieber sein dürfte als Konfusion. Große Anwender schätzen zwar Schaubilder von dicken Quartalsgewinnen ihres blauen Lieferanten am höchsten, doch Fusionierer eignen sich als Second-Source-Anbieter (neben IBM) immer noch besser als Chapter-eleven-Kandidaten.

Gegen eine Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung im Hause Prime/Computervision spricht aber doch, daß der Marktbereinigungsprozeß ja längst nicht abgeschlossen ist. Gerade der CAD/CAM-Bereich, traditionell eine Domäne der Minicomputer-Produzenten, gilt als Trainingsfeld für das "Catch-as-catch-can" im Rechnermarkt. Apropos Minicomputer: Ende der siebziger Jahre, als der DEC-Aufstieg begann (siehe oben), wimmelte es nur so von ehrgeizigen Konkurrenten, kämpften Unternehmen wie Computer Automation, General Automation, Harris, Microdata, Modular Computer (Modcomp), Perkin-Elmer (heute Concurrent) oder Texas Instruments um Marktanteile.

1978 betrug der IBM-Umsatz 17 Milliarden Dollar. Heuer dürfte Big Blue die 55-Milliarden-Dollar-Grenze überschreiten Glücklich, wer die Stellen hinter dem Komma vernachlässigen kann. Übrigens: Es werden noch Platzwetten angenommen.