Wenn User ihr PC-Programm behalten wollen:Dokumentenaustausch in VAX- und Unix-Umgebungen

22.06.1990

Netzwerke dienen heute nicht mehr ausschließlich dem Austausch und der Weiterleitung von Daten, sondern aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit immer mehr auch dem Austausch von Dokumenten. Insbesondere wird diese Art der Nutzung von Netzwerken in Bürokommunikations-Umgebungen aktuell.

Diese Anforderung stellt die Anwender vor Kompatibilitätsprobleme, einmal sofern innerhalb desselben Bürokommunikations-Systems unterschiedliche Textverarbeitungen eingesetzt werden, insbesondere aber auch, wenn unterschiedliche Bürokommunikations-Systeme innerhalb derselben Organisation eingesetzt werden . Die Problematik liegt einerseits im Dokumententransport und andererseits im Austausch der Dokumente zwischen verschiedenen Systemen .Vorausgesetzt, daß der Transport der Daten beziehungsweise Dokumente reibungslos funktioniert, so stellt sich die Frage, was der Empfänger mit dem empfangenen Dokument anfangen kann.

Stellt man sich eine umfangreiche Bürokommunikations-Umgebung vor, wie sie in der folgenden Grafik schematisch dargestellt ist, so findet der Austausch von Dokumenten auf zwei Ebenen statt.

Die Kommunikationsebene ist normalerweise in einer solchen Umgebung aus Anwendersicht, also zum Beispiel aus Sicht der Benutzer einer Textverarbeitung als Teil eines BK-Systems, unproblematisch und einfach vorhanden. Sie wird im folgenden, obwohl sie sicherlich von großer Bedeutung ist, nicht weiter betrachtet.

Die Aufmerksamkeit gilt der zweiten Ebene, der des Austausches von Dokumenten zwischen zwei Anwendungen. Letztere können hierbei verschiedene Textverarbeitungen, die in dieselbe Bürokommunikations-Umgebung eingebunden sind, sein, zum Beispiel All-in-one von DEC . Es können aber auch verschiedene Textverarbeitungen in verschiedenen Bürokommunikations-Umgebungen sein , was die Anforderungen an den Dokumenten-austausch noch komplexer macht. Diese Anforderungen haben sich im Laufe der Zeit verstärkt .So ist heute nicht mehr ausschließlich der Austausch von Texten gemeint, wenn man von Dokumentenaustausch spricht, sondern der Austausch von Tabellen und Grafiken wird mit einbezogen.

Den Anwendern reicht nicht mehr der Austausch von Dokumenten auf der Basis von ASCII ,sondern sie fordern berechtigterweise die Erhaltung möglichst aller Attribute und Formatierungen, soweit sie im Zielsystem unterstützt werden. Hierzu sind, wie wir im folgenden sehen werden, ausgefeilte Konvertierprogramme notwendig.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diese Problematik zu entschärfen:

- Die Standardisierung auf ein System hat zumindest den Nachteil, einige unzufriedene Benutzer zu schaffen, die gerne "ihr altbewährtes" Programm auf dem PC beibehalten wollen .Ein weiterer Nachteil - gegenüber dem unbestreibaren Vorteil einer klaren Linie - mag sein, daß spezielle Eigenschaften der ein oder anderen Textverarbeitung nicht mehr genutzt werden können .Unter diesen Einschränkungen leidet meist die Produktivität der Anwender, was nicht in der Absicht der Einführung eines Bürokommunikations-Systems liegen kann .

Die Neuerfassung aller Dokumente auf den unterschiedlichen angeschlossenen Systemen bringt als Vorteil eine gründliche Sichtung des vorhandenen Dokumenten-bestandes mit sich, kommt aber aus Gründen der Fehlereinbringung und der Datensicherheit meist nicht in Frage. Die enorm hohen Kosten sind ein anderes Manko, das durch einen hohen Zeitaufwand noch verstärkt wird. Fazit: "Dokumentenaustausch" auf diese Art verdient innerhalb einer modernen Bürokommunikations-Umgebung seinen Namen nicht .

- Eine OCR-Erfassung bedingt den Ausdruck der neuen Dokumente in höchster Qualität, um das Einlesen mit Scannern zu ermöglichen. Auch hier sprechen Fehleranfälligkeit und Kostengründe sowie ein hoher Zeitaufwand gegen diese Lösung, zumal sie dann zum Scheitern verurteilt ist, wenn das Dokument grafische Elemente, zum Beispiel den Firmenkopf, enthält .Innerhalb eines Netzwerkes beziehungsweise einer Bürokommunikations-Umgebung erweist sich die Möglichkeit als zu wenig integrierbar.

Zunächst standardisierte Testdokumente entwickeln

Berücksichtigt man die vorherigen Überlegungen, läßt sich daraus die Ideallösung folgendermaßen ableiten:

Ein Softwarepaket steht - möglichst transparent für den einzelnen Anwender - im Hintergrund auf einem im Netzwerk befindlichen Rechner, sei es ein Mainframe, ein Fileserver, Netzwerkserver oder ein "normaler" PC, zur Verfügung. Damit dies möglich wird, muß die Software bereits bei der Anmeldung der einzelnen User erkennen ,mit welcher Textverarbeitung sie standardmäßig arbeiten . Eventuell sollte hier eine Abweichung durch Benutzereingaben möglich sein .

Der Benutzer erhält das gewünschte Dokument in "seinem" Format, das heißt, nicht nur der Text oder die Feldinhalte einer Tabelle werden weitergegeben, sondern auch Text- und Dokumentenattribute, wie zum Beispiel Fettdruck, Hoch- und Tiefstellungen, Tabulatorsprünge beziehungsweise die Feldattribte bleiben erhalten. Unter diesen Voraussetzungen muß die Konvertierung von Dokumenten zwischen mehreren Textverarbeitungs-Systemen auf Großrechner- und PC-Basis möglich sein .

ldealerweise gibt es dann noch eine Möglichkeit, Dokumente, die auf dedizierten Textverarbeitungs-Systemen erstellt wurden, mittels spezieller Diskettenlaufwerke einzulesen und ebenfalls unter Beibehaltung jeglicher Dokumentenattribute zu konvertieren.

Beurteilung meist zeitaufwenig und mühsam

Seit einiger Zeit sind nun Softwarepakete am Markt erhältlich, die in dieser Hinsicht viel versprechen und der Ideallösung nahe zu kommen scheinen; was sie halten, muß jeder Anwender leider selbst herausfinden. Die Beurteilung der unterschiedlichen Programme ist meist zeitaufwendig und recht mühsam, da zunächst standardisierte Testdokumente entwickelt werden müssen, bevor mit den Tests begonnen werden kann. Nach der Definition der Beurteilungskriterien und dem probeweisen Konvertieren steht das Vergleichen der Zieldokumente an, was noch einmal Zeit und damit Geld kostet.

Welche Möglichkeit bietet sich nun dem Anwender in einer heterogenen Rechner- beziehungsweise Systemlandschaft:

Ein unter VMS auf VAX, UNIX beziehungsweise Unix-Derivaten, MS-DOS und OS/2 ablauffähiges Programm ist beispielsweise Keypak. Diese von DEC empfohlene Software realisiert allerdings nur ihrer Umgebung die vorstehend geschilderte Lösung.

Sie erlaubt beispielsweise die Integration von PC-Arbeitsplätzen (Macintosh, Rainbow, IBM-PC oder Kompatible) in verschiedene Bürokommunikations-Umgebungen beziehungsweise als Grundlage hierfür den Dokumentenaustausch zwischen den unterschiedlichen Systemen .

Bevor man sich aber zum Erwerb einer solchen Software entschließt, kann es durchaus ratsam sein, den Rat von Experten einzuholen, die sich nicht nur "nebenher" mit Dokumentenaustausch und der Erstellung von entsprechenden Konzepten befassen. Oft ergeben sich hierdurch neue Aspekte, beziehungsweise werden Fehlentscheidungen vermieden.

Mit der Verfügbarkeit solcher Softwarepakete beziehungsweise des entsprechenden Wissens wird dem Anwender die Möglichkeit an die Hand gegeben, sich innerhalb seiner Organisation für das jeweils dem einzelnen Teilbereich angemessenste Bürokom-munikations-System zu entscheiden. Das heißt, Abschied nehmen von einer Ein-Hersteller-Politik im Rahmen der Bürokommunikation - ein Abschied, der dem Anwender sicherlich durch einen Gewinn an Flexibilität und Unabhängigkeit versüßt wird.