"Sie müssen Ihre Mitarbeiter besser motivieren!" So lautet nicht selten die Erwartung an Führungskräfte. Menschen zu koordinieren und für zielgerichtete Arbeit zu sorgen, ist zentrales Thema einer jeden Organisation und jeder Führungskraft. Wäre es deshalb nicht ideal, wenn alle ihre Aufgaben freiwillig, selbstgesteuert und verantwortungsvoll erledigen würden? Das wird ein frommer Wunsch bleiben, denn weil sich Aufgaben, Interessen oder Lebensumstände ändern, wird Motivation immer ein Thema bleiben.
Mitarbeitermotivation: Toolset
Organisationen kennzeichnet, dass sie sich einen Zweck geben, eine Hierarchie ausbilden und Erwartungen an Personen formulieren, die Mitglieder der Organisation sind. Der Vorteil: Es muss nicht immer neu ausgehandelt werden, wer was wann und wie macht. Handlungen werden koordinierbar und berechenbar. Der Soziologe Stefan Kühl führt folgende Mittel zur Motivation auf:
Geld: Arbeitsleistung wird gegen Gehalt getauscht. Auch indirekte Formen der Bezahlung sind möglich, zum Beispiel Aufsichtsratsposten in Tochterunternehmen. Ansporn durch Geld hat den großen Vorteil, dass Art und Inhalt der Gegenleistung sehr variabel gehalten werden können. Wenn im Arbeitsvertrag steht: "Wir setzen Sie in unserem Bereich ein. Näheres regelt die Arbeitsplatzbeschreibung", können schnell andere Aufgaben zugewiesen werden. Die Organisation muss aber permanent dafür sorgen, dass die finanziellen Mittel erwirtschaftet werden. Das kostet viel Aufwand, Zeit und Energie.
Zweckidentifikation: Die "Anreiz-Beitrags-Theorie" diskutiert bereits seit den späten 1930er Jahren auch immaterielle Anreize (Bedürfnisse, Werte), um Menschen für ihren Arbeitseinsatz zu entlohnen (March, et al., 1993). Der Ansatz der "Purpose Driven Organization" will durch einen übergeordneten Sinn eine starke Identifikation und entsprechende "Durchprogrammierung" mittels Selbststeuerung und agiler Praktiken erreichen. Die hohe Identifikation mit den Zielen soll die intrinsische Motivation fördern. Damit - so die Überlegung - steigt die (freiwillige) Leistung und man kann auf Kontrollen (weitgehend) verzichten. Das spart Geld, da ein Teil der Leistung über die Identifikation mit dem Unternehmenszweck und der Erfüllung persönlicher Werte gelingt. Das Problem einer starken Bindung und Identifikation mit einem zentralen Zweck ist, dass die Flexibilität der Organisation eingeschränkt wird. Je stärker die Zweckidentifikation der Mitarbeitenden, umso veränderungsresistenter wird die Organisation. Menschen, die sich stark mit dem übergeordneten Zweck identifizieren, können nur schwer auf ein anderes Bestreben ausgerichtet werden.
Attraktivität der Aufgaben: Eine Aufgabe, die man gerne macht, motiviert. Organisationen, die das bieten, werden attraktiv und profitieren davon. Auch hier ist der Vorteil, dass die Mitarbeitenden Tätigkeiten gerne, selbstständig und mit viel Energie ausführen und Kontrollmechanismen kaum benötigt werden. Aber gerade weil die Aufgabe der Grund für das motivierte Arbeiten ist, wird die Veränderbarkeit der Anforderung gehemmt. Neue Aufgaben können weniger spannend sein und lassen die Motivation schwinden. Deshalb muss immer für ausreichend attraktive Aufgaben gesorgt werden.
Kollegialität: Ein gutes Betriebsklima und enger Zusammenhalt fördern die Mitarbeiterzufriedenheit. Kollegialität wirkt zugleich disziplinierend auf das Verhalten. Die Organisation kann darauf vertrauen, dass abweichendes Verhalten von Kollegen mehr oder weniger subtil angesprochen wird und "richtiges" Handeln über soziale Sanktionsmechanismen vermittelt wird: Man bekommt zum Beispiel gesagt, wie Dinge hier laufen oder muss unschöne Arbeiten verrichten und wird bei Schwierigkeiten auch mal hängen gelassen. Formale Anordnungen und Kontrollen sind kaum nötig. Kollegialität kann für die Organisation aber problematisch werden. Bei Konflikt mit dem Management können sich die Mitarbeiter darauf verständigen, mehr Dienst nach Vorschrift zu machen, das Arbeitstempo zu drosseln, weniger auf Qualität zu achten oder Unzulänglichkeiten der Prozesse nicht mehr abzufedern.
Zwang: Bei diesem Mechanismus wird der Ausstieg aus der Organisation mit großen persönlichen Nachteilen verbunden und so die Mitarbeit erzwungen. Nötige Sanktionsmechanismen sind aufwendig, können meist nicht legitimiert werden oder sind schlicht illegal.
Mitarbeiterführung: Motivfördernde Ansätze
Organisationen nutzen in der Praxis Kombinationen dieser Maßnahmen. Man zahlt gute Gehälter und bietet weitere Annehmlichkeiten: zum Beispiel Zugang zu einem Fitness Club, Cafeterien auf dem Firmengelände oder ein positives Leitbild und Außendarstellung, so dass Mitarbeitende stolz sein können, bei diesem Arbeitgeber beschäftigt zu sein.
Es gibt gute Gründe, Vorgesetzte mit der Motivation ihrer Mitarbeiter im Zuge ihrer Führungsaufgabe zu betrauen. Sie stehen im direkten Kontakt, teilen Aufgaben zu und sollten das Ergebnis im Blick haben. Umgekehrt ist ein Chef wichtig für Mitarbeitende: Er entscheidet (mit), welche Aufgaben man bekommt, wie die Beurteilung ausfällt, und wie sich Fortkommen und Bezahlung entwickeln. Das ermöglicht, die Motivation zum Zweck der Aufgabenerfüllung zu beeinflussen. Weitere mögliche Gründe für das Übertragen der Motivationsaufgabe auf die Führungskräfte sind, dass das Unternehmen die finanzielle Motivation reduzieren und mittels eines Purpose - Unternehmenszweck - attraktiver werden möchte. In der Praxis einer Purpose Driven Organization spielen die Art und Weise sowie soziale Qualität von Interaktionen eine große Rolle (Stichwort: Chef als Coach). Damit kommen Aspekte der Handlungspsychologie nach dem Psychologen Hugo M. Kehr ins Spiel. Optimale Motivation wird wahrscheinlich, wenn explizite (selbsteingeschätzte) Motive, implizite (unbewusste) Motive und subjektive Fähigkeiten vorhanden sind:
Explizite Motive: stehen für rationale Absichten, Ziele und die Bereitschaft, eine bestimmte Handlung auszuführen;
Implizite Motive: stehen für emotionale Aspekte wie Spaß oder Freude beim Ausführen einer Aufgabe. Es handelt sich um unbewusste Bedürfnisse, Ängste oder Bauchschmerzen;
Subjektive Fähigkeiten: stehen für erforderliches Wissen und Erfahrung einer Aufgabe;
Fehlt einer dieser drei Einflussfaktoren, kann es zu Handlungsblockaden kommen. Die Erwartung an eine Führungsrolle ist es, diese zu identifizieren und aufzulösen. Dazu helfen drei Leitfragen:
Ist diese Aufgabe für den Mitarbeitenden wirklich wichtig oder gibt es Zielkonflikte?
Erledigt der Mitarbeitende diese Aufgabe gerne oder gibt es Befürchtungen?
Kann der Mitarbeitende die Aufgabe gut ausführen?
Je nach Ursache für den fehlenden Antrieb unterscheiden sich die Maßnahmen:
Fehlt es an der Wichtigkeit, Relevanz oder gibt es zu viele konkurrierende Ziele, könnte man die Aufgabe in einen größeren Kontext erklären, neue oder andere Zielanreize finden, konkrete (Unter)Ziele vereinbaren oder bei Zielkonflikten den Umgang mit den konkurrierenden Zielen verändern.
Fehlen objektiv Fähigkeiten, nützen fachliche Unterstützung, Coaching, Training, Vormachen oder Begleiten. Bei subjektivem Fehlen bietet es sich an, mit regelmäßigem positivem Feedback zu arbeiten oder den Rücken zu stärken.
Sind es motivationale Gründe, wie zum Beispiel die Befürchtung negativer Konsequenzen wie Zurückweisung durch andere, Scheitern bei der Durchführung, Verlust von Ansehen oder fehlende Freude, die Aufgabe anzugehen, helfen äußere Anreize nicht oder kaum. Besser ist es, Aufgaben umzugestalten, um Befürchtungen zu reduzieren, eine andere Perspektive zu identifizieren (Reframing), auf Aspekte hinzuweisen, die auf die individuelle motivationale Disposition eingehen oder emotionale Unterstützung anzubieten.
Für solche Interventionen bedarf es Gespräche, um die mögliche Ursache der Blockade zu erkennen. Diese sind heikel, da sie einerseits den Mitarbeiter als Person und nicht nur in seiner Rolle ansprechen, man sich andererseits im Organisationskontext als Chef und Kollege begegnet. Ein Mitarbeiter kann sich dem Gespräch nur schwer verweigern, wird und darf aber auf die Grenze achten, ab der es zu persönlich wird. Diese Grenze gilt es auf Seiten der Führungskraft zu erkennen und zu beachten. Gespräche, die mechanisch, inquisitorisch, zwischen Tür und Angel, in unpassendem Kontext oder wenig wertschätzend geführt werden, sind demotivierend. Sie sollten deshalb geplant und vorbereitet werden. Das kostet auf beiden Seiten Zeit und Energie.
In der Praxis werden stets verschiedene Mittel zu Motivation eingesetzt, um Menschen mit Aufgaben zu verbinden. Geld, Zwang, Zweckidentifikation, Attraktivität der Tätigkeit, Kollegialität sind Mechanismen der Organisation. Parallel wird das Motivationsproblem an die Führungskraft gebunden. Man erwartet, dass sie Bedingungen für die Leistungserbringung schaffen. Um passende Maßnahmen zu finden, hilft es, Gründe für fehlende Motivation zu erkennen. Motivation kostet - egal wie und auf welcher Ebene. Jedes der Mittel kann aber auch dazu führen, dass Antrieb eingebüßt wird. Es gilt also, schon im Vorfeld zu überlegen, welche Mittel eingesetzt und welche Kosten akzeptiert werden und wie Demotivation vermieden werden kann. (pg/fm)
- Alles ist möglich – Inklusive Bankrott, Burn-out und Betrug
Der faule Zauber: „Du kannst alles erreichen, wenn du nur wirklich willst“. Das ist Bullshit. Jeder von uns hat Grenzen, körperliche, mentale, intellektuelle, finanzielle... Es kann definitiv nicht jeder Astronaut, Millionär oder auch nur Frauenschwarm werden. <br> Der wahre Kern: In den meisten von uns steckt mehr, als wir denken und uns zutrauen. Vielen Menschen täten eine optimistischere Grundhaltung und mehr Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten gut. Wer die Messlatte etwas höher legt und mutig handelt, erreicht mehr als jemand, der zu früh aufgibt. Insofern ist „Alles ist möglich!“ eine positive Provokation, die (typisch deutsches?) Miesmachertum und „Das haben wir noch nie so gemacht“-Lethargie infrage stellt. - Tsjakkaa! Urschrei-Therapie für Versager
Der faule Zauber: Wer Tsjakkaa schreit, wird unbesiegbar. Er spornt Sie zu großen Leistungen an, so das „Du schaffst es!“-Versprechen. Das stimmt so nicht, denn Schreien gibt allenfalls einen kurzen Kraftimpuls. Möglicherweise ist der Tsjakkaa-Schrei deswegen so beliebt, weil er als euphorisches Erlebnis, als Überlegenheitsgeste, als Aufbegehren gegen eigene Ängste empfunden werden kann. Ein solcher Schrei gibt einen kurzen Schub, man fühlt sich eine Sekunde lang unbesiegbar. Doch der Effekt verpufft, er hat keine Nachhaltigkeit. <br> Der wahre Kern: Ein Ritual vor großen Herausforderungen kann die Angst dämpfen und die Konzentration fördern. - Positiv Denken! Selbstbetrug statt Aufbruchstimmung
Der faule Zauber: "Erfolg entsteht im Kopf", so die These. Doch bei den meisten Menschen bleibt er auch dort. Wer positiv denkt, programmiert sein "Unterbewusstsein" angeblich auf Erfolg und lebt allein durch die Kraft seiner Gedanken glücklicher, erfolgreicher und gesünder. Der wahre Kern: Eine optimistische Grundhaltung hilft, Herausforderungen zu meistern. Und man kann trainieren, sich nicht von Grübeleien und negativen Gedanken überwältigen zu lassen. - Ziele setzen! Es könnte alles so einfach sein...
Der faule Zauber: „Schreiben Sie Ihre Ziele auf und profitieren Sie von der magischen Wirkung schriftlich fixierter Zielvorstellungen!“, so das kühne Versprechen. <br> Der wahre Kern: Ziele wirken tatsächlich wie ein Kompass und steuern Handlungsrichtung, - dauer und -intensität. Auch eine schriftliche Fixierung ist von Vorteil. Darüber hinaus kommt es aber vor allem darauf an, ins Handeln zu kommen. Aufschreiben allein genügt nicht! - Visualisieren! Fata Morgana der Träumer
Der faule Zauber: ...besteht in der Behauptung, eine Zielcollage entfalte eine geradezu magische Wirkung und lasse die ausgewählten Bilder quasi automatisch Wirklichkeit werden. <br> Der wahre Kern: Im Brainstorming und bei der Ideenfindung kann man gut mit Bildern arbeiten. Und: Was wir vor Augen haben oder was uns beschäftigt, lenkt unsere Aufmerksamkeit. Sich mit seinen Zielen auseinanderzusetzen schärft daher die Wahrnehmung für thematisch Passendes. - Glaub an dich! Sprüche statt Strategien
Der faule Zauber: ...entsteht, wenn banale Trostsprüche sich als echte Hilfestellung tarnen. <br> Der wahre Kern: Kurzfristig tut Trost gut, und wir alle brauchen gelegentlich Trost. Der sollte uns allerdings nicht einlullen und nicht davon abhalten, ins Handeln zu kommen. - Sei ein Teamspieler! Wer's glaubt, wird selig aber nicht erfolgreich
Der faule Zauber: ...besteht im Lobgesang auf eine nicht näher definierte „Teamfähigkeit“. Wer sich im Team versteckt und Konflikte scheut, wird es nicht weit bringen. <br> Der wahre Kern: Wer andere für sich und seine Ziele gewinnen kann, kommt leichter vorwärts. Dafür muss man aber Teams nutzen können, statt sie als bequeme Hängematte misszuverstehen. - Lauf Marathon! Unsinn des sportlichen Aktionismus
Der faule Zauber: Es wird suggeriert, (extreme) körperliche Fitness sei der Schlüssel zum Erfolg auch auf anderen Gebieten. <br> Der wahre Kern: Menschen, die gesund leben, sind im Allgemeinen leistungsfähiger. - Sei ganz du selbst! Die Lüge des Authentischseins
Der faule Zauber: ...besagt, dass man „einfach“ nur man selbst sein müsse, und alles werde sich zum Besseren wenden. Das ist im besten Fall nichtssagend, im schlimmsten Fall irreführend. „Wähle dir Rollen, die zu deinen Werten und Eigenschaften passen, und reflektiere regelmäßig, wie du diese Rollen am besten ausfüllen kannst“, wäre ein ehrlicher und angemessener Rat. Nur ist der für das simple Weltbild, das die Tsjakkaa-Propheten verkaufen, vielleicht ein wenig zu komplex. <br> Der wahre Kern: ...besteht darin, dass Menschen, die im Einklang mit ihren Werten und Bedürfnissen leben, glücklicher und potentiell auch erfolgreicher sind als Menschen, die das Gefühl haben, sich täglich verbiegen zu müssen. - Hab Spaß! Das Lächeln der Loser
Der faule Zauber: „Hab Spaß“ wird zur Erfolgsphilosophie überhöht, nach dem Motto: „Lächle in die Welt, und die Welt lächelt zurück.“ Das lädt zur Realitätsflucht ein und verhindert einen angemessenen Umgang mit Krisen. Wer die Erwartung schürt, der Job, das Leben (die Beziehung, der Sport etc.) solle immer Spaß machen, braucht vor allem eines - unbeschränkten Zugang zu Glückspillen. <br> Der wahre Kern: ... ist, dass man Erfolge feiern sollte, um Kraft für die Zukunft zu schöpfen, und dass in einem erfüllten Leben auch Platz für Freude und Genuss ist. - Quelle
Rolf Schmiel <br> Senkrechtstarter – Wie aus Frust und Niederlagen die größten Erfolge entstehen <br> Campus Verlag; Auflage: 1 (10. September 2014) <br> ISBN-10: 3593500086 <br> ISBN-13: 978-3593500089