Die Rache der Enttäuschten

Wenn Mitarbeiter Unternehmen bewerten

28.04.2009
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

Zusätzliche Informationsquelle für Bewerber

Gerade Hochschulabsolventen und junge Bewerber sehen Arbeitgeberbewertungen als nützliches Recherche-Tool an. "Bewerber aus dem Consulting oder Finanzsektor nutzen Plattformen wie www.squeaker.net schon viele Jahre, um sich über potenzielle Arbeitgeber zu informieren", erinnert Plinke. Der Kienbaum-Mann hält wenig davon, Mitarbeitern eine positive Meinung aufzuzwingen, die sie in Foren veröffentlichen sollen. "Glaubwürdigkeit ist wichtig. Deshalb sollten Firmen ihren Angestellten vertrauen. Wenn der Führungsstil und das Miteinander stimmen, gibt es keine besseren Botschafter für das Unternehmen als die eigenen Mitarbeiter."

Simone Wamsteker, Accenture: Wir rufen unsere Berater nicht dazu auf, den Arbeitgeber auf einem der Portale zu bewerten.
Simone Wamsteker, Accenture: Wir rufen unsere Berater nicht dazu auf, den Arbeitgeber auf einem der Portale zu bewerten.

Die Unternehmensberatung Accenture setzt darauf, dass das Betriebsklima gut genug ist, um keine bösen Überraschungen zu erleben. "Da wir einen engen Kontakt zu den Mitarbeitern pflegen, sehe ich keine Probleme aufgrund schlechter Bewertungen auf uns zukommen", sagt Simone Wamsteker von Accenture. Dass im Zuge von Web 2.0, Blogs und Netzwerken irgendwann auch Unternehmen sich einer Beurteilung stellen müssen, sei wenig verwunderlich. "Nach Bewertungsportalen für Lehrer, Schüler und Professoren war es nur eine Frage der Zeit, bis Unternehmen an der Reihe sind", so die Beraterin. Sie und ihre Kollegen beobachten zwar genau den neuen Trend, sehen aber auch ihre Grenzen. "Uns ist klar, dass wir wenig Einfluss darauf haben. Wir würden uns nur dagegen wehren, wenn dort unrichtige Dinge über uns verbreitet werden", so Wamsteker. Ob sich mit Hilfe der Portale auch Mitarbeiter rekrutieren lassen, sei momentan noch nicht absehbar. Dafür nutzt das Beratungsunternehmen andere Plattformen. "In Netzwerken wie Xing werben Mitarbeiter ganz offen für ihren Arbeitgeber und treten als Botschafter auf." Die Beraterin ergänzt: "Wir sind Web-2.0-Themen gegenüber aufgeschlossen. Aber Accenture ruft seine Berater nicht auf, eine Bewertung auf einem der Portale abzugeben."

Geschäftsmodell mit Fragenzeichen

Das Geschäftsmodell der meisten Bewertungsportale setzt darauf, dass Unternehmen die Plattformen auch nutzen, um dort ihre offenen Stellen, Firmenporträts oder Videos zu veröffentlichen. Damit bringen sich die Portalbetreiber in eine schwierige Lage: Einerseits möchten sie möglichst viele Internet-Nutzer auf die eigenen Seiten locken, was nur gelingt, wenn die Bewertungen nicht zu zahm ausfallen. Andererseits schadet die Angriffslust der Teilnehmer den Geschäftsbeziehungen zu werbewilligen Firmen. "Audi hat sich dagegen entschieden, auf Bewertungsportalen Werbung zu schalten. Unserer Meinung nach geht es zu Lasten der Authentizität des Portals, wenn wir als Arbeitgeber dort massiv werben", erläutert Marcus Fischer die Strategie der Ingolstädter Autobauer.

Transparentere Arbeitgeber bezweckt auch das im Dezember 2008 gestartete Portal evaluba.com. Neben Bewertungen und Kommentaren bietet Vorstand Björn Schwenzer Firmen eine Plattform, sich als attraktiven Arbeitgeber zu präsentieren. Unter dem Schlagwort "Employer Branding" können Firmen ihr Porträt gestalten, einen Film oder Bildergalerien einstellen. Als weitere Einnahmequelle bietet evaluba Firmen ein Tool für Mitarbeiterbefragungen an. Schwenzer weiß durchaus, dass der Zeitpunkt für den Start des Unternehmens gewisse Risiken birgt. Doch er setzt auf umfangreiche Qualitätskontrollen. "Jeder Kommentar wird vor Veröffentlichung von einem Mitarbeiter gelesen", erklärt er. Es komme vor, dass man besonders diffamierende Anmerkungen nicht veröffentliche und den Verfasser per E-Mail kontaktiere. "Manchmal muss man die Leute vor ihrem eigenen Unglück bewahren", so Schwenzer. Denn gerade in kleineren Firmen sei der Autor häufig schnell identifiziert.

Momentan bieten die Portale ein buntes Potpourri aus Rankings, Imagewerbung, Stellenanzeigen und Videos. Bewertungssysteme für Arbeitgeber werden sich etablieren, da sind sich die Experten einig. Doch welche Plattformen sich im Netz durchsetzen, hängt zwar auch von deren Qualität ab, doch vermutlich noch viel stärker vom Elan ihrer Investoren.