Erste Business-Angels-Netzwerke in Deutschland

Wenn Managern langsam Flügel wachsen

27.08.1999
MÜNCHEN (ag) - In der Regel sprechen sie nicht darüber, so als müßten sie sich dafür schämen. Erfahrene Manager investieren ihr Geld und Wissen in Startups. Auch wenn Business Angels mittlerweile ihre ersten Netzwerke in Deutschland geknüpft haben, ist es oft noch der Zufall, dem die Firmengründer den Kontakt zu den irdischen Engeln zu verdanken haben.

Offiziell ist er Rentner und hätte alle Zeit der Welt, um sich auf seinem Bauernhof der Tierzucht zu widmen, den Bau seines Hotels zu überwachen oder auch einen weiteren Winkel Mallorcas auf langen Wanderungen zu entdecken. Doch seinen Hobbies kann Klaus Plönzke nicht ausgiebig frönen, obwohl er seit April nicht mehr Vorstandsvorsitzender der CSC Ploenzke AG ist. Seit Juli hat er wieder ein Büro in Wiesbaden, Anfang 2000 soll die Ploenzke Holding AG offiziell aus der Taufe gehoben werden. Geschäftsfeld: Unterstützung für Startup-Companies im IT-Umfeld.

"Ich bin so mit der IT-Branche verwachsen, sie läßt mich nicht los. Könnte ich meine beruflichen Erfahrungen nicht weitergeben, würde ich mich lebendig begraben fühlen", gesteht der 62jährige, der 1969 sein damaliges DV-Studio "Ploenzke" gründete, es 1992 in eine AG umwandelte und vor knapp vier Jahren den US-Dienstleister Computer Sciences Corp. (CSC) als Hauptanteilseigner an Bord holte. Bereits vor zwei Jahren hat Plönzke das Forum Kiedrich ins Leben gerufen, das erfahrene Unternehmer, Manager und Wirtschaftswissenschaftler mit Existenzgründern zusammenbringt. Im Vordergrund steht die Vermittlung von Wissen und Kontakten. "Wir helfen den Gründern, Entscheidungen abzusichern, betriebswirtschaftliche Konzepte zu untermauern, Vertriebswege zu eröffnen oder Wege der Finanzierung zu finden", beschreibt er die Aufgabe der über 100 Mentoren.

Ein finanzielles Engagement wie bei Business Angels üblich ist im Konzept des Forums Kiedrich nicht vorgesehen. Diese Lücke schließt nun Plönzke selbst, der mit seiner neuen Firma jungen IT-Gründern nicht nur mit Know-how, sondern auch mit ein bis zwei Millionen Mark unter die Arme greifen will. Im Gegenzug erhält er eine Minderheitsbeteiligung an den aufstrebenden Firmen. Damit liegen seine Investitionen deutlich höher als die der anderen Business Angels in Deutschland, die in der Regel zwischen 100000 und 500000 Mark in Startups stecken und den Unternehmen über die Frühphase der Gründung hinweghelfen, bis die Venture-Kapitalisten einsteigen. In den USA greifen die irdischen Helfer noch tiefer in die Tasche: So geben die Mitglieder des "Band of Angels", eines der mächtigsten Netzwerke im Silicon Valley, durchschnittlich 6,8 Millionen Dollar pro Firma.

Im Gegensatz zu den USA, wo Privatpersonen mehr in neue Firmen als Venture-Capital-Gesellschaften investieren, steckt die private Förderung der Existenzgründer in Deutschland noch in den Kinderschuhen.

So machte eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Systemtechnik und Innovationsforschung zwar bereits 1998 ein Potential von 200000 Business Angels aus, was einem Fünftel der Privatinvestoren in den USA entsprechen würde. Aktiv dürften bislang aber nur 27000 sein, die jedoch vielen Gründern kaum zugänglich sind, da die Kontakte auf persönlichem, informellem Weg zustande kommen. Offizielle Netzwerke in Berlin, Leipzig oder München sind erst im Entstehen. Das Business Angels Netzwerk Deutschland (Band) in Berlin bietet seit kurzem zusammen mit der Deutschen Börse AG und der Kreditanstalt für Wiederaufbau eine Vermittlung im Internet an (www.business-angels.de). Dort können Gründer inzwischen 67 Mentoren finden. Oberstes Prinzip ist auch hier, daß die Engel zwar ihre Berufserfahrungen beschreiben, aber nicht namentlich auftreten. In München hat der Förderkreis Neue Technologien (FNT) das "Munich Business Angel Network" Anfang Mai ins Leben gerufen. Mittlerweile sind dort etwa zwölf Unternehmen und 35 Business Angels registriert, die aber auch im Vorfeld des Kontaktaufnahme anonym bleiben wollen. Die strikte Vertraulichkeit wird ebenso als Erfolgsfaktor angesehen wie die regionale Nähe zu den Gründern. Kurze Wege, das heißt eine Autofahrt von maximal einer Stunde, sollen den regelmäßigen Austausch zwischen Förderer und Gründer sichern. Über erfolgreiche Netzwerke für Unternehmer informiert der FNT übrigens am 23. September in München (siehe Kasten).

Noch entstehen die meisten Kontakte zwischen Jung- und erfahrenen Unternehmern zufällig, auf informellem Weg. "Ihnen wachsen auch schon langsam Flügelchen." Mit dieser Bemerkung traten Christian Spitzner und seine Vorstandskollegen der Interway AG am Rande einer Veranstaltung im Oktober 1998 an Eberhard Färber heran. Zwei Monate später war der Ixos-Vorstandsvorsitzende an dem Internet-Dienstleister beteiligt. Für ihn war es die Premiere als Business Angel, die er aber trotz seines Fulltime-Jobs als Chef einer Softwarefirma ernst nahm.

"Ein Business Angel muß ein Coach sein, seine Ratschläge sind oft wichtiger als das Geld", urteilt Spitzner. Als Interway zum Beispiel einen Vertriebsvorstand suchte, half Färber nicht nur mit seinem Personalberater aus, sondern nahm auch an den Vorstellungsgesprächen am Wochenende teil. Der regelmäßige Kontakt gehört zum Konzept. "Wenn wir zum Beispiel einen Fachanwalt für Patentrecht brauchen, stellt sich für uns die Frage, entweder wochenlang zu suchen oder Herrn Färber anzurufen", beschreibt Spitzner. Mittlerweile gilt die Interway AG, die Architekturen für digitale Marktplätze liefert, als Vorzeigemodell für eine Business-Angel-Beteiligung. Neben Färber konnte Jungunternehmer Spitzner, der auch noch einen Verlag für Computer- und Reisebücher besitzt, zwei weitere Engel und somit Kapital von insgesamt einer Million gewinnen. "Damit lassen sich auch Venture-Capital-Firmen von einer Beteiligung überzeugen." Bis Ende des Jahres will er eine Wagnisfinanzierung von acht Millionen Mark bekommen, damit er mit seiner E-Commerce-Software "Presentation Warehouse" richtig durchstarten kann. Sein ehrgeiziges Ziel: 100 digitale Marktplätze in einem Jahr zu verwirklichen.

Je breiter die Finanzierung des jungen Unternehmens wird, um so weniger Unterstützung brauchen die Startups. Diese Erfahrung hat Christian Schneider gemacht, der wie Färber im FNT engagiert und einer der dienstältesten Engel ist. Seit zwei Jahren ist der Münchner Unternehmensberater und Mitbegründer des Softwarehauses PC-Plus als Rat- und Geldgeber unterwegs und betreut inzwischen acht junge Firmen - ein Vollzeit-Job: Einen Tag pro Woche und Firma rechnet der 50jährige als Zeitaufwand in der Anfangsphase, schließlich gebe es viele Probleme zu lösen: "Schon allein die Personalsuche ist ein komplexes Thema. Da braucht man Erfahrung, um zu wissen, wie gute Mitarbeiter zu bekommen sind, auch wenn man deren Gehaltsvorstellungen nicht immer erfüllen kann." Habe ein Unternehmen dann schon einmal die zweite Finanzierungsrunde hinter sich wie der von ihm betreute Anbieter von Spielesoftware NxN, verringere sich der Aufwand, da sich vieles auch telefonisch klären ließe.

Daß man Gründern nicht nur mit Rat, sondern manchmal auch mit Tat zur Seite stehen muß, dieser Auffassung ist auch Klaus Plönzke. Erst kürzlich begleitete er einige seiner Schützlinge zu einem großen Konzern im Ruhrgebiet, wo sie Unified-Messaging-Lösungen zu präsentieren hatten. Er weiß, daß er mit seinem Namen in der IT-Branche so manche Tür öffnen kann, und ist davon überzeugt, daß noch viel mehr "frühpensionierte Manager" seinem Beispiel folgen sollten.

München: Stadt der Engel

Amerikanische und europäische Business Angels lädt der Förderkreis Neue Technologien (FNT) am 23. September 1999 nach München ein, um über erfolgreiche Netzwerke für Unternehmer zu sprechen. Ab 12.45 Uhr treffen in der Technischen Universität München Existenzgründer, erfahrene Manager, Investoren und Berater aufeinander, um Kontakte zu knüpfen. Vertreter von Business-Angel-Netzen aus Palo Alto, Seattle, Frankreich und den Niederlanden informieren über ihre Organisation. Ein Schwerpunkt der Veranstaltung liegt auf der Region München, die beispielsweise FNT-Vorsitzender Eberhard Färber als Zentrum für Entrepreneurship näher beleuchtet. Die Teilnahmegebühr beträgt für FNT-Mitglieder und Studenten 200 Mark, für Nichtmitglieder 300 Mark. Nähere Informationen gibt es unter der Rufnummer 089/63025310 oder per E-Mail infofntev.de.