Kolumne

"Wenn eine Ära zu Ende geht"

29.10.1999
Christoph Witte - Chefredakteur CW

Auf Anhieb ist nicht klar, warum der Internet-Riese AOL 800 Millionen Dollar in den PC-Direktversender Gateway investieren will. Schließlich hätten sich die Vereinbarungen zur gemeinsamen Vermarktung von Internet-Zugängen, Information Appliances und vielem anderen auch (siehe Seite 1) als ganz normaler Vertrag gestalten lassen.

Doch betrachtet man die Sache etwas genauer, wird schnell klar, wieso sich AOL so engagiert. Der Direktversender verpflichtet sich, auf allen von ihm verkauften PCs AOLs Internet-Zugang zu vermarkten. Vor rund zwei Jahren war ein ähnlicher Deal bereits mit Microsoft ausgehandelt worden. Diese Vereinbarung, wonach das AOL-Icon standardmäßig auf jedem Windows-95-Desktop auftaucht, dürfte dem Online-Dienst bisher einige Millionen neue Abonnenten gebracht haben.

Das jetzige Geschäft ist nicht exklusiv und erlaubt damit dem Online-Anbieter, mit anderen Firmen ähnliche Abkommen zu schließen. Doch schon dieser Vertrag dürfte der AOL-Anywhere-Strategie weiteren Schub geben. Allein in den USA setzte Gateway im dritten Quartal dieses Jahres gut eine Million PCs ab, was dem Unternehmen den dritten Platz unter den größten PC-Herstellern und einen Marktanteil von 9,3 Prozent bescherte.

Im Gegenzug gewinnt Gateway einen attraktiven Partner, der nicht nur den Internet-Service gateway. net komplett betreut, sondern dessen Beitrag auch die eigenen PCs durch zusätzliche Funktionen von denen der Konkurrenz abgrenzt - heute kein leichtes Unterfangen mehr bei Rechnern, die zusehends zu Commodity-Produkten werden. Wenn die Partner außerdem die Kombination aus Hardware und Internet-Zugang noch mit einem attraktiven Rabatt anbieten, dürften sich weitere Kunden anlocken lassen.

Allerdings macht sich der PC-Hersteller mit dem weitreichenden Abkommen in hohem Maße von AOL abhängig. Schließlich bietet der Online-Anbieter ein wichtiges Differenzierungsmerkmal, und dieses aufgrund der fehlenden Exklusivität eventuell auch nur auf Zeit. Noch vor zwei Jahren wäre kein PC-Anbieter ein solches Geschäft eingegangen. Daß es heute möglich ist, beweist eindringlich, daß die PC-Ära vorbei ist und das Internet-Zeitalter endültig begonnen hat.