Wenn Chefs als Führungskräfte versagen

07.06.2006
Von 
Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.

Schuften bis der Arzt kommt

Natalie Jacquemin, DDI: 'Die Besetzung von Führungspositionen wird manchmal zum Glücksspiel.'
Natalie Jacquemin, DDI: 'Die Besetzung von Führungspositionen wird manchmal zum Glücksspiel.'

Nach Beobachtungen der Unternehmensberatung DDI aus Meerbusch wird der Bogen in der IT-Branche bereits überspannt. "Beklagen sich Konzerne wie die Deutsche Post oder die Deutsche Telekom, dass es ihnen zu langsam geht", sagt Managing Consultant Natalie Jacquemin, "werden die Anforderungen an Mitarbeiter in der IT-Industrie ständig hochgeschraubt." Laut einer aktuellen IAT-Studie wird in der IT geschuftet, bis der Arzt kommt. Widersprüchliche Anforderungen, überlange Arbeitszeiten und ein immens gestiegener Leistungsdruck zwängen immer mehr IT-Spezialisten in die Knie. Daran, so die Autoren Anja Gerlmaier und Erich Latniak, haben Entscheidungsträger, die zur Mitarbeiterführung unfähig sind, einen maßgeblichen Anteil.

Von "Traumjobs" in der IT kann nicht mehr die Rede sein. Hinter den Rechnern herrscht vielmehr chronische Erschöpfung vor. Insbesondere Mitarbeiter in Softwareentwicklungs- und IT-Beratungsprojekten leiden laut IAT viermal häufiger an Nervosität, Magenbeschwerden und Schlafstörungen als der Durchschnitt der Beschäftigten in Deutschland. Jede dritte der vom IAT beobachteten Personen schafft es nicht mehr, sich zu erholen. Als wäre es nicht schlimm genug, beuten sich IT-Spezialisten auch noch bereitwillig aus. "IT-Spezialisten sind hoch motiviert und gehen mit sehr viel Spaß an die Arbeit. Deshalb erkennen sie oft erst spät, dass sie sich überfordern", beobachtet Latniak. Zu inkompetenten Chefs und sich wie Lemminge aufopfernden Mitarbeitern gesellen sich in ihren Ansprüchen maßlose Kunden, die das in der Dienstleistung ad absurdum geführte Motto: "Der Kunde ist König" gnadenlos ausnutzen. Projektleiter Glaser: "Man muss ihnen klarmachen, dass sie nicht beliebig an der Schraube drehen dürfen."