Als SAP-Berater in Brasilien

"Wenn Brasilien spielt, herrscht im SAP-Projekt Ausnahmezustand

03.07.2014
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Henning Krug ist seit sieben Jahren als SAP-Berater bei der Heidelberger Unternehmensberatung cbs Corporate Business Solutions tätig und war oft in Brasilien im Einsatz. Die CW befragte ihn zu seiner Arbeit, zu Land und Leuten und natürlich zur WM.

CW: Was glauben Sie, was ist einfacher: SAP in Brasilien einzuführen oder Fußball-Weltmeister in diesem Land zu werden?

KRUG: Für uns als Berater für globale SAP-Lösungen und Experten für Brasilien ist die Fußball-Weltmeisterschaft dort sicher die größere Herausforderung. Denn Können allein reicht hier nicht aus. Das Quäntchen Glück wird für die deutsche Nationalelf eine zentrale Rolle spielen. Ich bin jedoch optimistisch und drücke den Jungs die Daumen.

Henning Krug, cbs: "Das Steuersystem in Brasilien ist äußerst komplex."
Henning Krug, cbs: "Das Steuersystem in Brasilien ist äußerst komplex."

CW: Wie lautet Ihr Erfolgsrezept in SAP-Projekten?

KRUG: Um SAP weltweit einzuführen, bedarf es eines globalen Template-Ansatzes. Nur so können Unternehmen mit kalkulierbarem Aufwand ihre Geschäftsprozesse weltweit adäquat in ihren SAP-Landschaften abbilden. Neben globalem SAP-Know-how und lokaler Marktkenntnis sind vor allem eine effiziente Methodik und eine gute Projektvorbereitung entscheidend. Mit einem soliden, strategiekonformen SAP-Template, einer zentralen Governance und einem zukunftsfähigen IT-Betriebskonzept gerade auch für die BRIC-Länder Brasilien, Russland, Indien und China sollte dem Erfolg nichts mehr im Wege stehen.

CW: Die Wirtschaft in den Schwellenländern wie Brasilien wächst und ist für viele Unternehmen interessant. Welchen Herausforderungen müssen sich Unternehmen, die SAP in Brasilien einführen wollen, stellen?

KRUG: Das Steuersystem des brasilianischen Staates ist äußerst komplex und die damit verbundenen Auflagen streng: Umfangreiche Behördenmeldungen wie die gesetzlich vorgeschriebene „Nota Fiscal“, über 60 verschiedene Steuern und Abgaben, die je nach Branche und Produkt unterschiedlich gehandhabt werden, die hohe Häufigkeit an Gesetzesänderungen und das eigene, umfassend geforderte legale Reporting lassen Unternehmen bei Neuinvestitionen oder dem Ausbau ihrer Standorte zögern. Trotzdem sehen immer mehr Unternehmen die Notwendigkeit, ihre Standorte in den Emerging Markets in die gruppenweite Systemlandschaft zu integrieren.

CW: Und wie gehen Sie vor?

KRUG: In Ländern wie Brasilien kommt es darauf an, legale und lokale Anforderungen gut zu kennen und voneinander unterscheiden zu können. Legale Anforderungen, die nicht über den SAP-Standard oder vollständig über Länderpakete abgedeckt werden können, stehen dabei im Fokus. Diese Lokalisierungshürden finden sich in jeder Weltgegend, wenn auch in unterschiedlichem Maße. In Brasilien sind sie am höchsten.

CW: Es kursieren zahlreiche Einführungslegenden bis hin zur These von der Unmöglichkeit einer Template-gestützten SAP-Einführung in Brasilien. Wie sind Ihre Erfahrungen?

KRUG: Brasilien ist aufgrund des komplexen Steuersystems sicherlich eines der anspruchsvollsten Länder für eine SAP-Einführung. Aber auch hier bleibt ein Template-basierter Rollout die wirtschaftlichste Form, eine globale SAP-Standardlösung einzuführen. Was für alle Länder gilt, trifft insbesondere für Brasilien zu. Mit Template-Ansätzen können wir den Implementierungs-, Schulungs- und Change-Management-Aufwand senken. Das fällt gerade bei der Vermittlung und Einführung solch komplexer fiskaler Prozesse, wie sie bei der brasilianischen Buchführung auftreten, besonders ins Gewicht.

CW: Neben dem komplexen Steuersystem gibt es doch sicher auch sprachliche und kulturelle Barrieren, die überwunden werden müssen. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den brasilianischen Kollegen?

KRUG: Die Brasilianer arbeiten lange und hart. Vor 18 Uhr macht hier niemand Feierabend. Trotzdem ist es wichtig, dass wir während der ‚heißen‘ Phasen vor Ort präsent sind. Die Zusammenarbeit läuft dann einfach noch besser. Das Projekt ist zu diesem Zeitpunkt bei allen Beteiligten höher priorisiert. Natürlich läuft das Projekt auch, wenn wir nicht vor Ort sind. Aber Telefonkonferenzen mit Zeitverschiebungen sind schwieriger zu koordinieren.

CW: Nun zum Thema Fußball. Wirkt sich die WM auf die Projektarbeit aus?

KRUG: Durchaus. Aufgrund eines U-Bahnstreiks sind die brasilianischen Kollegen teilweise nicht zur Arbeit gekommen, Telefonkonferenzen mussten verschoben werden. Und für die Zeit während der WM hat der brasilianische Projektleiter vorgesorgt. Er hat den Spielplan geschickt und alle Spiele der Brasilianer, die während der Arbeitszeit stattfinden, markiert. So wissen wir, wann Ausnahmezustand herrscht und keiner arbeitet.

CW: Die Fußballbegeisterung in Brasilien scheint groß. Ist das eine Ausnahme wegen der WM im eigenen Land?

KRUG: Das mit dem Fußball-Schauen während der Arbeitszeit ist sicherlich eine Ausnahme. Aber Fußball ist unabhängig von der WM ein wichtiges Thema für die Brasilianer – auch bei der Arbeit. Gerade in São Paulo gibt es mehrere große, rivalisierende Fußballvereine. Es ist also nicht ungewöhnlich, Fans verschiedener Mannschaften innerhalb eines Projekts zu haben. Kleine Späße auf Kosten der Gegner und ein bisschen Schadenfreude gehören zum Projektalltag dazu. Aber das ist ja bei uns nicht anders. In unserem Dortmunder Büro geht es zwischen den BVB- und Schalke-Fans ähnlich zu.

CW: letzte Frage: Wer zieht ins Finale ein und wird Fußball-Weltmeister 2014?

KRUG: Ich hoffe auf ein europäisches Finale zwischen Deutschland und Holland. Dieses werde ich dann in meinem Urlaub genießen, denn am 4. Juli geht es für mich wieder zurück nach Deutschland.