Rechtsfall Whistleblowing

Wenn Angestellte Geheimnisse verraten

18.01.2015
Von Claudia Tödtmann

Was die Gerichte sagen

Auf welcher Grundlage stellen die Gerichte fest, ob eine Anzeige von Missständen im Unternehmen eine Pflichtverletzung des Mitarbeiters ist oder nicht?

Kathrin Scheicht: Bei der Entscheidung wiegen die Gerichte die Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gegeneinander ab.

Dabei wird berücksichtigt, dass Mitarbeiter grundsätzlich zur Verschwiegenheit und Loyalität gegenüber dem Unternehmen verpflichtet sind. Allerdings können die Meinungsfreiheit und das Interesse des Arbeitnehmers an Beseitigung der Missstände überwiegen. Dies erfordert aber insbesondere, dass der Mitarbeiter zunächst alle innerbetrieblichen Möglichkeiten, für Abhilfe zu sorgen, ausgeschöpft hat, bevor er sich an Stellen außerhalb des Unternehmens, wie etwa Behörden, wendet.

Der Rat für Mitarbeiter lautet: Er muss zuerst die zuständigen Ansprechpartner im Unternehmen auf die Missstände hinweisen. Dies können Compliance-Beauftragte, die Personal- oder Rechtsabteilung oder Vorgesetzte sein. Nur wenn intern keine Abhilfe erfolgt oder auch diese Personen in Missstände verstrickt sind, dürfen Außenstehende informiert werden.

Was sollten Arbeitnehmer beim Melden von Missständen beachten?

Kathrin Scheicht: Wichtig ist bei der Interessenabwägung vor Gericht die Frage, ob sich der Mitarbeiter ordnungsgemäß verhalten hat, ob eine Pflichtverletzung vorliegt und wem er die Informationen weitergegeben hat.

Landet ein Unternehmen wegen möglicher Missstände in der Zeitung, führt dies häufig zu einer Rufschädigung des Unternehmens, auch wenn sich später herausstellt, dass es gar keine Missstände gab. Die Einschaltung der Presse ist daher meist nicht angemessen und stellt häufig eine Pflichtverletzung dar.

Etwas anderes ist es, wenn ein Arbeitnehmer eine Mitteilung an die Staatsanwaltschaft oder eine Behörde macht: Die setzt ein rechtstaatliches und zunächst nicht-öffentliches Verfahren in Gang. Zeigt er tatsächliche Missstände an, liegt keine Pflichtverletzung des Arbeitsverhältnisses vor - und damit darf unter den Umständen auch niemand gekündigt werden.

Was ist Ihr Rat für Unternehmen?

Kathrin Scheicht: Aus Compliance-Gründen und um den Mitarbeitern für den Fall von Missständen oder Fehlverhalten von Vorgesetzten oder Kollegen Handlungsempfehlungen und Ansprechpartner an die Hand zu geben, können Unternehmen interne Richtlinien erlassen. Damit werden dann der Belegschaft vor allem die zuständigen internen und externen Stellen und ein Verfahren für etwaige Meldungen aufgezeigt. Gibt es in dem Unternehmen einen Betriebsrat, muss die Firma eine Betriebsvereinbarung abschließen. Solche ausdrücklichen Regelungen schaffen Klarheit und sind damit im Interesse von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(Quelle: Wirtschaftswoche)