Pressestimmen zur Fusion CII- HB:

Wenig Überlebenschancen für die Unidata

30.05.1975

Ein merkliches Rauschen im bundesdeutschen Blätterwald hat die Fusion der Compagnie Internationale pour L'Informatique (CII) mit der Compagnie Honeywell Bull hervorgerufen. Trotz eifriger Zusicherung der Regierung in Paris, das durch den französischen Alleingang die Existenz der Unidata nicht gefährdet sei, gibt die deutschsprachige Presse dem Fortbestand der europäischen Computerehe wenig Überlebenschancen. Im Folgenden einige Auszüge aus den besonders kritischen Kommentierungen. rai

So schreibt "Die Welt", Hamburg, unter der Überschrift "Unidata hat einen unsicheren Partner" unter anderem:

. . Die Unsicherheit über die künftige Haltung von Cll gegenüber der Unidata kann deren weiteren und schnellen Integration nicht dienlich sein. Und unsicher ist die weitere Entwicklung allemal, auch wenn die Regierung in Paris die Einhaltung aller Verpflichtungen gegenüber dem deutschen und dem niederländischen Partner zugesichert hat. Es darf dabei nicht übersehen werden daß mit der angestrebten Neordnung der Computer-Industrie in Frankreich eine Gesellschaft angestrebt wird, die entscheidend unter den Einfluß des dortigen Staates gerät.

. . Wie wird es aber mit der weiteren Entwicklung sein? Sinn der französischen Ehestiftung ist es, eine starke nationale Gesellschaft zu schaffen. Es wird Cll auf die Dauer kaum möglich sein, am Honeywell Bull-Bereich vorbei mit der Unidata "zu tuscheln". Als Untermieter in der europäischen Computer - lndustrie hat Honeywell aber die falsche Mitgift. Seine Erzeugnisse sind zu Unidata nicht kompatibel.

Trotz des Willens, zusammenbleiben zu wollen, gibt es hier viele latente Scheidungsgründe. Es bleibt abzuwarten, ob sich Philips und Siemens nicht doch nach einem starken amerikanischen Partner - natürlich außerhalb von IBM - umsehen werden.

"Platzt die Unidata?" fragt das Düsseldorfer "Handelsblatt" und meint dazu:

... Nachdem vor einigen Tagen die bereits seit Monaten in der Luft liegende Verbindung zwischen der französischen Staatsgesellschaft CII und der amerikanischen Honeywell Bull endgültig über die Bühne ging, lautet das für die deutsche Wirtschaft vordringliche Problem: Kann die innerhalb der Unidata geschlossene Ehe zu dritt zwischen Cll, der deutschen Siemens AG und dem holländischen Philips - Konzern noch in der bisherigen Form weiterbestehen? Da wegen der Inkompatibilität der Honeywell Bull - Computer mit der Unidata 7000 - Serie der französische Partner Cll nicht gut auf zwei Hochzeiten tanzen kann, setzt sich wohl allmählich die Meinung durch, daß das bisherige Unidata- Konzept einen langsamen, wenn auch kaum qualvollen Tod sterben wird. Langsam, weil ja schließlich Verträge vorliegen und keiner der drei Partner gerne den Schwarzen Peter einer gewaltsamen Lösung in der Hand behalten will.

... Ein neuer Computer - Partner für Siemens- Philips ist wohl vorerst noch kaum in Sicht, wenn auch in dieser Branche unter dem harten Marktdruck des Spitzenreiters IBM jeder mit jedem spricht. Ob die britische ICL als Partner in Frage kommt, muß wohl zumindest auf kürzere Sicht bezweifelt werden. Aber Siemens und Philips, die bereits in einigen Zweigen erfolgreich konkurrieren, sind ja keineswegs zu schwach, um mit der übermächtigen IBM im Wettbewerb als guter Zweiter in Europa zu bestehen.

"Das Ende einer Computerehe" sagt "Der Spiegel", Hamburg, voraus:

.... Die Fusion der französischen Computerfirma Cll mit dem amerikanisch beherrschten Konzern Honeywell Bull beendet vermutlich ein Experiment in europäischer Zusammenarbeit. Die mit Milliardensummen aus der Staatskasse alimentierte Cll hatte sich 1973 mit Siemens und Philips zur Unidata zusammengetan, um gegen die amerikanischen Computergiganten IBM und Honeywell bestehen zu können. Das Ende der Cll bedeutet nach Ansicht von Branchenkennern auch das Ende für die von Siemens beherrschte Partnerschaft. Frankreichs Industrieminister d'Ornano will es schon immer gewußt haben: "Alle haben doch immer schon gesagt, daß das auf die Dauer nichts ist."

Die Berliner Morgenzeitung "Der Tagesspiegel" spricht von einem "Fingerzeig" und erklärt:

.... Verständlicherweise klammert sich der größte Partner der Cll innerhalb der Unidata, die Siemens AG, an die Erklärung der französischen Regierung, daß bei der Neuordnung der Computer- lndustrie in Frankreich die Verpflichtungen der Cll gegenüber den Unidata - Partnern Philips und Siemens voll berücksichtigt werden. Andererseits sind Branchenkenner keineswegs sicher, ob die Unidata- Verbindung zwischen Siemens , Cll und Philips in ein oder zwei Jahren in der heutigen Form noch bestehen wird. Möglicherweise muß diese neue Verbindung zwischen Cll und Honeywell Bull durch Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft als erster Schritt einer Scheidung der Unidata- Ehe angesehen werden. Bei Siemens tut man jedoch vorerst so, als ob die Unidata kaum von den jüngsten Vorgängen innerhalb der französischen Datenverarbeitung betroffen werde. Aber vielleicht muß der Satz im amtlichen Siemens- Kommuniqué: "Die Zusammenarbeit von Philips und Siemens in der Unidata bleibt von der Neuordnung in Frankreich unberührt", bereits als Fingerzeig angesehen werden, wie es künftig weitergehen wird.

"Scheidung auf französisch?", fragt der "Münchner Merkur". In seinem Kommentar heißt es unter anderem:

Nachdem die europäische Lösung nicht die gewünschten Erfolge zeigte, glaubt CII mit der atlantischen Kooperation auf dem US- Markt Fuß fassen zu können. Vordergründig könnte es scheinen, daß auch die Unidata von der neuen CII-Ehe profitieren müßte. Da jedoch die Honeywell- Computer aus Generationen von General - Electric-, Olivetti- und ehemaligen Bull- Anlagen zusammengewürfelt sind und die Unidata wiederum eine eigene Computer-Familie entwickelt hat, die sich mit den amerikanischen Modellen nicht vermischen kann, bleibt die Feststellung, daß sich CII selbst Konkurrenz machen wird.

Aus dem Unidata- Verbund auszuscheiden, dürfte die Franzosen teuer zu stehen kommen, da die Verpflichtungen und Verflechtungen zu groß sind. Paris wird der atlantischen Ehe eine saftige Mitgift beisteuern, um der neuen Computer- Formation auf die Beine zu helfen. Da Philips und Siemens erklärt haben, daß ungeachtet der französischen Schritte an dem Fortbestehen der Unidata festgehalten wird, liegt die Vermutung nahe, daß die beiden Konzerne über den Seitensprung der Franzosen nicht einmal sehr böse sind, wenn sich damit eine endgültige Scheidung anbahnen sollte.

Die "Frankfurter Allgemeine" widmet der CII- HB- Fusion einen langen Leitartikel. Unter der Überschrift "Um ein Illusion ärmer - Frankreichs Computerpläne gescheitert", schreibt die FAZ:

.... Weil die Fusionsgesellschaft angeblich weiter mit Siemens und Philips zusammenarbeiten will, gibt der Industrieminister d'Ornano diese Konzentration als eine "europäische Lösung" aus. In Wirklichkeit übernehmen die Franzosen eine knappe Mehrheit von 53 Prozent in einer amerikanischen Tochtergesellschaft, die naturnotwendig wirksam nur von einer Konzernspitze in den Vereinigten Staaten geführt werden kann. Der französische Staat, dem es jetzt vor allem um die Erhaltung von rund 20 000 Arbeitsplätzen geht, muß die Fusion der Cll mit Honeywell Bull zur "Compagnie Internationale pour I'lnformatique Cll- Honeywell Bull" teuer bezahlen. Die Morgengabe für die französisch- amerikanische Hochzeit wird vorläufig mit 1,2 Milliarden Franc Subventionen und 3,7 Milliarden Franc an garantierten Staatsaufträgen angegeben.