Billige Hardware verändert Angebot der Service-Rechenzentren:

Weitergabe von DV-Wissen bietet gute Überlebenschance *Jürgen Ropertz ist Referent des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater BDU e. V., Fachverband Informationstechnik, Bonn.

12.08.1988

Die Entwicklung bei den Service-Rechenzentren stagniert seit Jahren. Neue Marktchancen erhoffen sich die Betreiber jedoch im Ausbau des Beratungsgeschäfts. Immerhin können die Dienstleistungs-Anbieter den Unternehmen 20 Jahre DV-Erfahrung offerieren. In welchen Bereichen die Service-Rechenzentren eine Zukunft haben, beschreibt Jürgen Ropertz*.

In den Entstehungsjahren der Datenverarbeitungs-Branche, insbesondere seit Beginn der 60er Jahre, wurde eine Vielzahl von Unternehmen gegründet, deren Geschäftszweck primär darin bestand, ihren Kunden die Nutzung ihrer Hardware-Ausstattung anzubieten. So entstand der Geschäftszweig der unabhängigen, also nicht von einem DV-Anwender als Teil seines Verwaltungsapparates eingerichteten, Service-Rechenzentren.

RZ-Markt zeigt eine stagnierende Entwicklung

Mit dieser Dienstleistung sollte vornehmlich kleinen Betrieben, für die Investitionen in einen eigenen Rechner als zu aufwendig erschienen, die Möglichkeit zur Nutzung der Vorteile der DV geboten werden. Ihre Aktivitäten waren aber zugleich auch auf solche Geschäftspartner ausgerichtet, denen die speziellen Kenntnisse der Datenverarbeitung fehlten.

Deshalb verstanden sich die Rechenzentren schon sehr schnell auch als Service-Anbieter, indem sie als weitere Leistung die zur Verarbeitung der von den Kunden bereitgestellten Daten benötigte Software erstellten oder beschafften. Meist wurde ein darüber hinausgehender Kunden-Service angeboten, wie beispielsweise die Beleghandhabung oder die Datenaufbereitung und -auswertung.

In den vergangenen Jahren wurde nun der Zugang zu einer Hardware-Ausstattung für die Anwender immer kostengünstiger, und auch das Personal mit DV-Fachkenntnissen ist inzwischen in weitaus größerer Zahl vorhanden. Insbesondere auch für kleine und mittlere Unternehmen existiert inzwischen eine auf ihre Verhältnisse zugeschnittene Hardware- Umgebung in Form von Mini- und Mikrosystemen. So sind die ursprünglichen Argumente für eine Nutzung der Rechenzentrumsleistungen seit geraumer Zeit teilweise weggefallen, mit der Folge, daß der Markt nur noch eine stagnierende Entwicklung zeigt.

Damit wurden die Existenzbedingungen für diese Betriebe schwieriger, so daß inzwischen einige dieser Unternehmen nicht mehr am Markt sind oder sich anderen Geschäftsbereichen zugewendet haben. Daß der daraufhin in der Öffentlichkeit vorschnell aufgekommene Eindruck einer zukünftig bedeutungslosen Branche jedoch unrichtig ist, beweist eine Reihe von Betrieben, die Ideen für den Eintritt in neue Märkte entwickelt haben.

Da das ursprüngliche Geschäftsfeld langfristig nur noch in speziellen Bereichen Zuwachsraten erwarten läßt, werden neue Marktchancen insbesondere in einem Ausbau des Servicegeschäftes gesehen. Mit einem auf die speziellen Kundenwünsche abgestellten Angebot zur Lösung DV-technischer Probleme werden in diesem Marktsegment auch zukünftig keine Existenzprobleme zu erwarten sein.

Die Service-Rechenzentren haben hierbei Wettbewerbsvorteile zu bieten, die nur von wenigen anderen Unternehmen der DV-Branche aufgewiesen werden können: ihre langjährige Erfahrung und das darauf gegründete umfangreiche Know-how.

Know-howr-Vermittlung gehört zur Angebotspalette

Dementsprechend bildet die Vermittlung von Know-how bereits derzeit mit zukünftig noch zunehmender Tendenz einen Teil des Angebots eines RZ-Betriebes. Gerade der schnellebige Markt der Informationstechnik mit immer kürzeren Produktlebenszyklen, mit dem kaum noch die Fachleute mitzuhalten vermögen, geschweige denn die fachlich meist weniger kompetenten Entscheidungsträger in den Unternehmen, verlangt immer stärker nach Beratungsleistungen.

Derartige Service-Funktionen können aufgrund des umfangreichen Erfahrungsschatzes von der RZ-Branche erfolgreich selbst erbracht werden. Hier bietet sich aber auch eine Zusammenarbeit mit klassischen Unternehmensberatern an, die ihre fachbezogenen Kenntnisse - etwa im Bereich des Managements oder der Organisation - auf diese Weise gut mit dem DV-spezifischen Know-how der Rechenzentren kombinieren können, so daß auf diese Weise Synergieeffekte im Sinne der Kunden zu erzielen sind.

Das ureigenste Fachwissen, nämlich das über die Führung eines Rechenzentrums, bildet dabei nur eine interessante Entwicklungsrichtung. Denn immer mehr Wirtschaftsunternehmen klagen darüber, daß sie die Kostenkontrolle über ihre betriebsinterne DV-Abteilung verlieren, weil das Management nicht über die notwendigen Fachkenntnisse zu ihrer Beurteilung verfügt. Die Führung eines solchen Kunden-Rechenzentrums oder - einen Schritt darüber hinaus - dessen vollständige Übernahme in den Geschäftsbetrieb eines Service-Rechenzentrums wird bereits von Firmen praktiziert.

In vielen Rechenzentren ist bei der Auftragsabwicklung für Kunden in der Vergangenheit ein umfangreicher Bestand an Software entwickelt worden, einerseits branchenunabhängige Standardsysteme für die Unternehmensführung, andererseits Branchensoftware für spezielle Einsatzbereiche, für deren Vermarktung ebenfalls gute Chancen eröffnen. Hier sehen sich viele dieser Betriebe auch in der Funktion eines Softwarehauses, denn gerade für den boomartig anwachsenden PC-Markt halten sie - nach Anpassung der Software - für viele spezielle Problemstellungen ein interessantes Angebot bereit.

Ein weiteres wichtiges Aktionsfeld ist die Telekommunikation, denn die Datenfernverarbeitung, ausgehend von Datenstationen in den Kundenbetrieben, gehört schon seit langer Zeit zum Leistungsumfang der Rechenzentren. Gerade das Beratungsangebot für den Telekommunikationsmarkt, für den große Wachstumsmargen vorhergesagt werden, stellt ein interessantes, neues Betätigungsfeld dar.

In diesen Bereich einzuordnen sind auch Aktivitäten im Btx-Geschäft, in dem - insbesondere für den Touristikbereich - bereits eine, wenn auch zunächst nur kleine, Anzahl von Projekten abgewickelt wird. Im Zusammenhang mit Btx ergeben sich auch neue Möglichkeiten bei den Mehrwertdiensten. So sind Angebote im Datenbankgeschäft vorstellbar, wenn über diese kostengünstigen DFÜ-Möglichkeiten ein einfacher Zugang zu Informationen geschaffen werden kann.

Einige Rechenzentren betätigen sich heute mit der Beratung bei Neubeschaffung von Hardware und deren Vertrieb. Dieser Markt wird jedoch voraussichtlich nur für wenige Unternehmen ein zukunftssicheres Geschäftsfeld bilden, denn bei abnehmenden Gewinnmargen für den Hardwarevertrieb zeigt sich hier kein einträglicher Markt auf.

Der Hardwarevertrieb erscheint nur in Verbindung mit der Vermarktung schlüsselfertiger Systeme (Turnkey-Systeme) erfolgversprechend, also bei Projekten mit Vertrieb selbsterstellter Software, Beratung bei der Auswahl von Hardware und der Abwicklung ihrer Beschaffung. In dieser Funktion eines Systemhauses sind bereits viele Rechenzentren auf dem Markt tätig, denn gerade diese Angebote aus einer Hand sind bei Anwendern beliebt, die nicht mit mehreren Vertragspartnern verhandeln wollen.

Für die klassischen Rechenzentrumsleistungen ergeben sich insbesondere dort noch gute Chancen, wo die zugrundeliegenden Vorgänge sehr speziell und dazu noch laufend Änderungen unterworfen sind.

Neben der speziellen Lohnbuchhaltung bietet auch der Full-Service in der Finanzbuchhaltung sowie die darauf aufbauende Auswertung für die Kostenrechnung ein interessantes Angebot für die Kunden. Hier verursachen jedoch häufig Angehörige der steuerberatenden Berufe ein ihnen angeblich zugestandenes Monopolrecht in Anspruch zu nehmen, mit der Folge, daß sie Rechenzentren beispielsweise bei der Vornahme der Kunden-Buchführung auf DV-Basis auf rechtlich zweifelhafter Grundlage abmahnen.

Der Fachverband Informationstechnik im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e. V. hat seit Beginn dieses Jahres einen Arbeitskreis initiiert, der als ständiges Diskussionsforum für Zukunftsstrategien der Service-Rechenzentren gedacht ist. In diesem Gremium sind etwa 30 Betriebe dieser Branche vertreten.

Service-RZ tritt mit Steuerberatern in Konkurrenz

Bei einer Umfrage unter den Mitgliedsfirmen des Arbeitskreises zeigte sich deutlich die zuvor beschriebene Tendenz einer zunehmenden Verlagerung des Geschäftsbereiches auf neue Aktionsfelder. Während im Jahre 1977 noch 87 Prozent der Leistungen im eigentlichen RZ-Geschäft erbracht wurden, entfiel darauf zehn Jahre später mit 56 Prozent nur noch etwa die Hälfte des Umsatzes. Dagegen entstammten 1987 schon 15 Prozent des Umsatzes dem Beratungsangebot, jeweils weitere 12 Prozent dem Hardware- und dem Software-Vertrieb und die restlichen 5 Prozent sonstigen Aktivitäten.

In diesem Arbeitskreis werden derzeit beispielsweise Ansätze erörtert, wie sich die Rechenzentren auf die für 1992 angesetzte Öffnung des europäischen Binnenmarktes, die neue Chancen und Risiken eröffnen wird, vorbereiten können.

Aufgrund der aufgezeigten Strategien und Entwicklungstendenzen ist zu prognostizieren, daß die Service-Rechenzentren bei verändertem Angebot gute Zukunftschancen haben werden. Bei einem leistungsfähigen auf die speziellen Kundenwünsche und Erfordernisse des Marktes ausgerichteten Leistungsspektrum, das auf ihrem wichtigsten Kapital - ihr in vielen Jahren entwickeltes Know-how - aufbaut, werden sie einen nicht zu ersetzenden Wettbewerber auf dem Markt darstellen.