E-Learning stoppt den Fachkräftemangel

Weiterbildung bindet Mitarbeiter

12.02.2018
Von 
Barbara Schrettle arbeitet bei Akima Media als Director mit Schwerpunkt auf der Entwicklung und Umsetzung von PR-Konzepten für Technologieunternehmen.
In Zeiten des Fachkräftemangels herrscht ein harter Kampf um die größten Talente. HR-Abteilungen müssen sich kräftig ins Zeug legen, um Nachwuchskräfte zu gewinnen und talentierte Mitarbeiter zu halten. Eine wichtige Rolle spielen dabei attraktive Weiterbildungsangebote. Das Beispiel der Akademie von Vinci Energies in Deutschland zeigt, was Unternehmen tun können.
  • Ein attraktives Weiterbildungsangebot ist für HR-Manager ein wichtiges Kriterium der Mitarbeiterbindung.
  • Für die reine Wissensvermittlung sind E-Learning-Angebote besonders geeignet.
  • Ausgewählte Talente können durch Förder-Pools gezielt in ihrer Entwicklung unterstützt werden.

Was macht ein Unternehmen attraktiv? Das ist eine zentrale Frage, die sich HR-Manager heute unbedingt stellen müssen. Denn sie entscheidet darüber, ob begabte Fachkräfte dort arbeiten möchten - und auch bleiben. Dabei geht es um deutlich mehr als ein gutes Gehalt. Eine aktuelle Studie von TNS Infratest zeigt:

  • 86 Prozent der deutschen HR-Manager erachten ein attraktives Angebot zur Weiterbildung als wichtig bis äußerst wichtig für die Mitarbeiterbindung.

  • Für 71 Prozent der Befragten gewinnt das Thema auch im Vorstellungsgespräch zunehmend an Bedeutung.

Angela Köhler, HR Director Human Resources bei Vinci Energies Europe, bestätigt dieses Studienergebnis: "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass unsere Weiterbildungsangebote ein gutes Argument für Recruiting sind. Häufig rufen Bewerber auch nach dem Vorstellungsgespräch noch einmal bei uns an, um sich genauer über unsere Akademie zu informieren."

Weiterbildung sorgt für eine stärkere Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen und fördert den digitalen Kulturwandel.
Weiterbildung sorgt für eine stärkere Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen und fördert den digitalen Kulturwandel.
Foto: Wolfilser - shutterstock.com

Fortbildung im eigenen Unternehmen

Vinci Energies ist Teil des französischen Vinci-Konzerns. In Deutschland beschäftigt er rund 12.000 Mitarbeiter, die sich auf die Tochtermarken Actemium, Axians, Omexom, Vinci Facilities, Fire Protection Solutions und G+H verteilen. Da schon früh bekannt war, dass sich Unternehmen auf das digitale Lernzeitalter ausrichten müssen, hat der Konzern bereits 2003 die firmeneigene Vinci Energies Akademie in Deutschland gegründet. Diese bietet Mitarbeitern vorwiegend im Bereich Soft Skills individuelle und praxisnahe Weiterbildungsangebote wie Management-Trainings oder spezielle Förderprogramme.

Das Schulungsangebot der Vinci Energies Akademien weltweit spricht für sich:

• Mehr als 70 Prozent der Vinci-Energies-Mitarbeiter nehmen jedes Jahr an einer Schulung teil.

• 2016 wurden 93 Millionen Euro in die Weiterbildung der Mitarbeiter investiert.

• 2016 haben die Vinci Energies Akademien 155.000 Schulungsstunden organisiert.

Neun Mitarbeiter, aufgeteilt in die Teams Organisation, Training und Entwicklung, konzipieren und organisieren die Weiterbildungsmaßnahmen in enger Abstimmung mit den HR-Abteilungen in den Tochtermarken und der Geschäftsführung. Für die Kurse engagieren sie interne und externe Trainer. 2017 hat die Einrichtung 4000 Mitarbeiter fortgebildet. Arne Lange von der G+H Business Unit Kühllagerbau Bremen hat an der Schulung "Projektführerschein für Fortgeschrittene" teilgenommen. Seine Erfahrung: "Das Trainingsprogramm der Vinci Energies Akademie ist sehr gut und passgenau für uns entworfen." In seiner Entwicklung, so Lange, hätten ihm besonders die Ansätze für Selbstorganisation und Selbstreflektion geholfen. Auch das Thema Recht sei gut vermittelt worden - sehr praxisnah und anregend, statt belehrend.

Praxis und Zwischenmenschliches verbinden

Die Weiterbildungsmaßnahmen sind praxisbezogen und auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter zugeschnitten. Dazu steht die Akademie in engem Kontakt mit den Marken, besucht sie vor Ort und sondiert ihre Wünsche. Angestellte rufen auch selbst an und machen Schulungsvorschläge. "Der Großteil unseres Angebots basiert direkt auf den Wünschen der Mitarbeiter", sagt Birgit Postler, Leiterin der Vinci Energies Akademie in Deutschland. Der Trend gehe dahin, dass zunehmend auch individuelle Angebote für einzelne Fachbereiche erstellt würden.

Postler: "Der Großteil unseres Angebots basiert direkt auf den Wünschen der Mitarbeiter."
Postler: "Der Großteil unseres Angebots basiert direkt auf den Wünschen der Mitarbeiter."
Foto: Postler - Vinci Energies

Zu diesem Zweck macht die Akademie konkrete Bedarfsanalysen. Dazu führt sie sogenannte Development Center durch, die ähnlich wie ein Assessment Center funktionieren. Sie richten sich an ausgewählte Mitarbeiter von der mittleren Führungsebene aufwärts und testen, welche Fähigkeiten und Kompetenzen die Teilnehmer mitbringen. Daraus ergibt sich dann das individuelle Förderpotenzial. So kann die Akademie zielgerichtet und passgenau Weiterbildungen entwickeln.

Mix aus Präsenzkursen, E-Learning und Networking

Die Fortbildungen bestehen zu 50 Prozent aus Präsenzveranstaltungen. Sie werden durch E-Learning und Trainingsvideos im Akademie TV ergänzt. Die Mischung ist wichtig, denn sowohl digitale als auch persönliche Kurse haben ihre Vorteile. Wenn die reine Wissensvermittlung im Vordergrund steht, setzt die Akademie E-Learning-Angebote ein. So können die Mitarbeiter flexibel lernen, wann und wo sie möchten. Für Soft Skills empfehlen sich dagegen Präsenzkurse, denn hier geht es um menschliche Interaktion. Dafür ist es wichtig, dass sich die Teilnehmer persönlich kennenlernen und Netzwerke bilden.

Gerade dieser Networking-Gedanke ist ein zentrales, übergeordnetes Ziel, mit dem Fachkräfte auch längerfristig an ein Unternehmen gebunden werden können. Präsenzkurse der Vinci Energies Akademie enthalten deshalb auch immer eine Abendveranstaltung, bei der die Teilnehmer zwanglos miteinander reden und Erfahrungen austauschen können. Ein Konzept, das aufgeht, bestätigt Jörg Bastel, Teilnehmer eines Förderprogramms und Teamleiter Business Analytics bei Axians: "Die Teilnahme am Förder-Pool bringt mich nicht nur fachlich weiter, sondern auch mit unterschiedlichen Menschen im großen Konzernnetzwerk zusammen. Das schafft eine persönliche Bindung zu Kollegen." Im Rahmen der Teilnehmergruppe seien interessante Potenziale für Kooperationen entdeckt und bereits konzernübergreifende Projekte gestartet worden.

Intern ausbilden und fördern

Der Förder-Pool ist ein spezielles Zusatzprogramm der Vinci Energies Akademie, um ausgewählte Talente in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Es beginnt mit einem Development Center, um den Ist-Zustand der Mitarbeiter zu messen. Anschließend durchlaufen die Kandidaten über das Jahr verteilt fünf bis sechs Blöcke an Workshops, die individuell auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind. Ein Block dauert drei bis vier Tage und hat maximal zwölf Teilnehmer, die aus unterschiedlichen Gesellschaften und Fachbereichen kommen. Das soll Grenzen aufbrechen und gezielt zum Netzwerken anregen. Ergänzt wird das Programm durch einen sozialen Tag, an dem die Teilnehmer in Frankfurt in die Praunheimer Werkstätten gehen, um zusammen mit benachteiligten Menschen an einem Projekt zu arbeiten. Dies soll ihre Wahrnehmung für die Realität jenseits der Karrierewelt schärfen.

Am Ende des Jahres findet ein zweites Development Center statt, um den Fortschritt und Erfolg der Weiterbildungsmaßnahmen zu messen. "Es beeindruckt mich immer wieder, was da mit den Teilnehmern passiert", sagt Köhler. "Die sind wirklich Vincianer geworden. Sie haben die Unternehmenswerte im Blut, leben den digitalen Kulturwandel und tragen diesen auch weiter." Die Vinci Energies Akademie führt den Förder-Pool bereits im fünften Jahr durch. Ehemalige Teilnehmer sind mittlerweile bis zur Divisionsleiterebene aufgestiegen.

Ein Erfolgskonzept für die Zukunft

Gerade das High-Potential-Programm zur Förderung von Nachwuchsführungskräften trägt wesentlich dazu bei, Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden. Akademieleiterin Postler resümiert: "Wir haben immer wieder Teilnehmer dabei, die sich unschlüssig sind, ob sie im Unternehmen bleiben wollen. Durch den Förder-Pool fühlen sie sich geschätzt und wachsen zu einer eingeschweißten Gemeinschaft mit den Kollegen zusammen. Die meisten sind heute noch im Unternehmen."

Vinci Energies hat erkannt, wie wichtig solche Weiterbildungsangebote sind, und arbeitet kontinuierlich daran, sie zu verbessern. So tauschen sich die Mitarbeiter der Akademie einmal im Jahr bei einem speziellen Event mit den HR-Managern der verschiedenen Geschäftsbereiche aus, um aktuelle Entwicklungen zu diskutieren. An einem Best Partner Day kommen außerdem die wichtigsten Trainer und externen Partner zusammen, um Ideen und Anregungen zu sammeln. Auch Erweiterungspläne gibt es schon. Die aktuell fünf Akademien im weltweiten Konzern sollen bis zum Jahr 2025 auf 25 bis 30 weltweit aufgestockt werden.