Kolumne

"Weitblick gegen Tunnelblick"

28.11.2003
Heinrich Vaske Chefredakteur CW

Konsolidieren, standardisieren und harmonisieren - mitunter drängt sich der Eindruck auf, CIOs hätten in den vergangenen zwei, drei Jahren nichts anderes getan. IT-Chefs, die sich auf diesen Job reduzieren ließen, stehen nun vor einem Problem. Warum sollte ihnen ein Senior-Management, das sie über Jahre hinweg mit Aufräumarbeiten beschäftigt hat, plötzlich mehr zutrauen?

Als Gestalter werden heute nur die IT-Verantwortlichen wahrgenommen, die es während der schwierigen Konsolidierungsphase verstanden haben, auch über Innovationen, Prozessorientierung und neue Technologien nachzudenken. Die Betonung liegt auf Letzterem - auch wenn der Glaube, neue Technik könne einen Produktivitätsvorsprung herbeiführen, offenbar in vielen Organisationen verloren gegangen ist.

Der CIO eines deutschen Industrieunternehmens berichtete kürzlich, wie er mitten im größten Konsolidierungsstress seinem IT-Governance-Board in einem Vortrag das Thema Mobile Computing nahe brachte - "in einfachen Worten, so dass es wirklich jeder versteht". Trotz drastisch gekürzter Mittel habe er schließlich einen größeren Betrag für ein Pilotprojekt bewilligt bekommen. Inzwischen ziehen die ersten Servicemitarbeiter, ausgerüstet mit Smartphones und den jeweils aktuellsten Kundendaten, ins Feld - bis zu 4000 Kollegen sollen folgen.

Selbstredend müssen CIOs Betrieb und Service in Schuss halten. Doch das ist eine Pflichtaufgabe, die auch andere erledigen könnten. Wichtiger ist, dass die interne IT ihre Detailkenntnisse der Unternehmensorganisation nutzt und auf dieser Basis Angebote unterbreitet, die sich aus einem intelligenten Technikeinsatz ergeben. Als Querschnittsorganisation, die - idealerweise - den Gesamtkonzern überblickt und nicht den Tunnelblick der Abteilungsfürsten hat, muss die IT-Organisation dazu in der Lage sein.

Ein Einzelhändler beispielsweise sollte von seinem IT-Management regelmäßig im Detail über Business Intelligence, Supply-Chain-Management oder den Stand der Dinge in Sachen Funketiketten (Radio Frequency Identification = RFID) informiert sein. Ein Verleger muss über die Möglichkeiten des Content-Managements und über die Herausforderungen durch Web-Logs und Really Simple Syndication (RSS) Bescheid wissen. Wer ein Krankenhaus führt, sollte wissen, welche Möglichkeiten die elektronische Patientenakte bietet - die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen.

Die interne IT konkurriert immer mit der externen, dem Outsourcer also. Ihre Zukunft hängt davon ab, ob sie ihren Vorteil - die genaue Kenntnis der unternehmenseigenen Ziele, Strategien und Prozesse - konsequent nutzt.