Weg der Mikrocomputer-Branche ähnelt dem der traditionellen DV:\ Die Zeit der Billig-Software ist vorbei

22.05.1981

MÜNCHEN (rs) - Die Software bleibt das Problem der Mikrocomputer. Weniger die Qualität wird den Interessenten zu schaffen machen, als vielmehr der Preis: 20 000 Mark kann ein aufwendiges Lagerhaltungsprogramm schon mal kosten. "Brot- und Butter-Anwendungen", laxe Formulierung der Branche für Standard-Software wie Finanzbuchhaltung oder Auftragsbearbeitung, gibt's indes auch für weniger als die Hälfte.

Geschickt verschleiert die Karstadt AG in einem Werbebrief für einen Heimcomputer, daß Software auch Geld kostet. Zitat: ". . . Und als ,zweites Gedächtnis' empfehlen wir Ihnen hier das . . . System . . . In Preis und Leistung speziell Ihrem Bedarf anpaßbar - und das schon ab 1990 Mark."

Auch arbeiten kann man mit dem Rechner. Gegen Ende des Briefes heißt es: "Und das geht so einfach, daß sie weder eine Spezialausbildung noch Training brauchen." Dies mag stimmen, wenn der Benutzer die mitangepriesenen Programm-Moduln verwendet (Stückpreis ab 500 Mark). Investiert der hoffnungsfrohe Anwender jedoch nur den Basispreis von knapp 2000 Mark, benötigt er, um überhaupt anfangen zu können, mindestens einen Fernseher mit Video-Eingang und muß sich Basic-Kenntnisse aneignen. Um das Maß voll zu machen: Ausgerechnet aus dem Haus dieses System-Herstellers kommt die Kunde von dem 20 000-Mark-Programm.

Weit realistischer als der Essener Jubelverkäufer gibt sich die IBM. Die kleinste Version der Tischrechner-Serie 5100 kostet knapp 20 000 Mark. Dazu liefern die Schwaben Standard-Software wie Finanzbuchhaltung für runde 10 000 Mark. Geeignet, so IBM, sind die 5100er auch für Selbstprogrammierer. Dazu stünden Sprachen wie RPG zur Verfügung. Anwendungs-Software produziert das Stuttgarter Unternehmen nicht selbst, sondern überläßt dieses gewinnträchtige Geschäft diversen Softwarehäusern.

Am zukunftsträchtigen Mikro-Markt mögen auch Service-Rechenzentren nicht vorbeigehen. Die GfA Exdata, Nürnberg, beispielsweise produziert branchenneutrale Software für Triumph-Adlers Alphatronic. Ein Textverarbeitungspaket kostet hier rund 2000 Mark. Kalkuliert ist dieser Preis auf der Grundlage "einiger hundert Verkäufer".

Das Service-RZ will im Sommer dieses Jahres einen eigenen Mikrocomputer vertreiben. Damit sollen die RZ-Kunden ihre Daten vorverarbeiten, aber mit der endgültigen Arbeit wie Lohn- und Gehaltsabrechnungen natürlich zurück in die Großrechner kommen. Eine sinnvoll klingende Begründung haben die Nürnberger parat: Der ständige Pflegeaufwand durch Änderungen in der Gesetzgebung sei sehr hoch und erfordere beim Mikro-Anwender unter Umständen einen DV-Spezialisten.

Neutrale Kommerz-Software bietet beispielsweise auch Sharp, Hamburg, für seine Mikrocomputer. Dünner sieht es bei speziellen Branchenpaketen aus. Eine funktionierende Fakturierung kostet 1500 bis 2000 Mark. Ferner existierten Programme für Installateure sowie Teillösungen für Arztpraxen. Unabhängig davon sehen die Hamburger klare Grenzen beispielsweise in der Kapazität für die Anwender von Mikros.

Es gebe Anbieter, erzählte ein Sprecher des Unternehmens, die auf MDT-Maschinen funktionierende Software für den Gebrauch auf Kleinstrechnern umschrieben. Das könne nicht gutgehen. Zur Pflege seiner eigenen Softwarepakete schult das Unternehmen den Fachhandel, über den auch die Geräte vertrieben würden. Zu Teillösungen bei Branchenpaketen äußert sich Taylorix-Mitarbeiter Gerhard Pleil ("Praxis des Rechnungswesens", Heft 1/81): "Eine ganze Reihe von Personal Computer-Herstellern nimmt für sich in Anspruch über zahlreiche Branchenpakete zum Beispiel für Bäcker zu verfügen. Diese Programme gibt es tatsächlich. Bei näherem Hinsehen zeigt sich allerdings, daß es sich dabei meist um keine umfassenden und integrativen Branchenlösungen handelt, sondern lediglich um branchenorientierte Teillösungen Beispiele: Backplanung oder Schnittoptimierung für Glasereien." Reinhard Nedela vom Computershop Eschborn schätzt, daß gute Mikro-Software leicht den Hardware-Preis erreichen kann.

Mittlerweile konzentrieren sich die Personal Computer-Hersteller auf den kommerziellen Markt. Das Geschäft mit selbstprogrammierenden Hobbyisten erfüllte nicht die Erwartungen der Branche, die sie vor rund drei Jahren noch hegte. Dazu Vertriebsleiter Karl-Heinz Sult von der Deutschen Eurotech:" Die Leute sind zwar verspielt, aber sie denken doch über den Nutzen nach "

Als Konsequenz der kommerziellen Orientierung bemühen sich die Mikrocomputer-Verkäufer jetzt, teils in Zusammenarbeit mit echten Software-Profis, wirkungsvolle Anwendersoftware auf die Beine zu stellen. Weil das nicht billig ist, wie aus Bereichen der traditionellen Datenverarbeitung bekannt, schwebt das Damoklesschwert hoher Softwarekosten nun auch über dem Personal Computer-Anwender.

Dazu noch einmal Gerhard Pleil:" Auch bei Personal Computern kann davon ausgegangen werden, daß gute Software künftig ihren Preis haben wird. Professionelle Standardpakete zum Beispiel für die Finanzbuchhaltung werden in Zukunft nicht mehr unter 2000 Mark zu haben sein. Von '200-Mark-Programmen' spricht längst niemand mehr, wenn es um qualifizierte Programme geht. Alle anderen Äußerungen sind nicht seriös und als ?Aufreißwerbung` abzulehnen.