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Webasto nutzt das Wissen seiner chinesischen Kundschaft

02.03.2006
Der Autozulieferer geht innovative Wege in der Marktforschung und Produktentwicklung. Von CW-Redakteur Sascha Alexander

Der in Stockdorf bei München ansässige Automobilzulieferer Webasto und das Beratungsunternehmen Technologie Management Gruppe (TMG) aus München wollen neue Wege in der Produktentwicklung erproben. Ziel sei es, mit Hilfe der Wissens-Management-Software "Knowledge Factory" der TMG das Wissen potenzieller chinesischer Kunden frühzeitig zu sammeln, um deren Vorschläge und Anforderungen in die Entwicklung innovativer Autoteile für den chinesischen Markt einfließen zu lassen.

Projeksteckbrief

Projektart: Aufbau einer Web-basierenden Lösung zur Marktforschung und Entwicklung von Innovationen mit Hilfe von Lead usern.

Branche: Automobilindustrie.

Stand heute: Das Projekt läuft seit sechs Wochen und soll zum Sommer 2006 live gehen.

Produkte: "Knowledge Factory" der TMG Gruppe auf einer Microsoft-Server-Infrastruktur.

Dienstleister: TMG Gruppe

Herausforderung: Anpassung an den chinesischen Markt und Abbildung der Innovations-Prozesse von Webasto in der Lösung.

"Eine Marktforschung vor Ort wäre zu teuer und zu aufwändig für uns", begründete Alexander Lang, Leiter Strategisches Marketing bei Webasto, gegenüber der COMPUTER-WOCHE das Vorgehen. Webasto arbeite auch hierzulande schon seit Jahren mit ausgewählten "Lead usern", um mit Hilfe von deren Wissen Produkte zu entwickeln. Dabei wurde ein mittlerweile in der Automobilindustrie viel beachteter Prozess geschaffen, der nun auch im China-Projekt genutzt werden soll. Innovation so zu steuern sei laut Lang bei weitem nicht die Regel: In Deutschland enden in der Regel bis zu 90 Prozent aller Produktinnovationen als Flop - und das trotz hoher Ausgaben für Entwicklung und Forschung. Eine der Ursachen für die Fehlschläge sei, dass Endkunden nicht ausreichend in die Produktentwicklung integriert sind und letztlich so die Bedürfnisse der Kunden erst gar nicht ausreichend berücksichtigt werden. Das wolle Webasto auch in China anders machen, um sich in diesem wichtigen Markt von Anfang an richtig zu positionieren.

Auto-Freaks teilen ihr Wissen

Als Teilnehmer des Projekts dienen die rund 339 000 registrierten Online-Mitglieder eines Automobilforums in China. Über einen Link auf ihrer Community-Site gelangen sie zur von TMG München und Webasto programmierten Internet-Seite, die die Module der Knowledge Factory bereitstellt. Die Software ist eine Weiterentwicklung des Umsatzsteigerungsprogramms von McKinsey. Sie lässt sich als ein Web-basierendes Frontend-Toolset beschreiben, das das Wissen über Strategie-, Marketing- und Vertriebsprozesse eines Unternehmens vereinen hilft sowie Anwendern die Möglichkeit bietet, die Informationen auszutauschen und zu analysieren. Sie unterstützt mehrere Sprachen, darunter Mandarin, die für das Webasto-Projekt genutzt wird.

Um dieses Wissen zu erhalten, präsentiert Webasto auf der Site einen so genannten Keim, beispielsweise das Modell einer Standheizung. Der Keim kann von den Forumsmitgliedern je nach Bedarf und Wunsch erweitert und auf der Seite präsentiert werden. Die Besucher der Web-Seite bewerten gegenseitig ihre Ideen und erhalten als Anreiz Punkte, die sich später bei Webasto in Sachwerte umtauschen lassen. Mit Hilfe eines Auswertungs-Tool fassen TMG München und Webasto die interessantesten Ideen zusammen. Das Projekt läuft bereits. Derzeit finden laut Paul Gromball, Geschäftsführer von TMG, noch Sprachanpassungen und die Umsetzung des Lead-User-Prozesses des Autobauers statt. Das Going-live ist für Anfang Sommer 2006 geplant.

Webasto und TMG wollen profitieren

Insgesamt soll das Projekt ein Jahr laufen. Die Lösung basiert auf Microsoft-Server-Technik und wird zunächst in München gehostet. Die Kosten beschränken sich in erster Linie auf die Implementierung der Lösung. Lizenzkosten fallen nicht an, weil beide Firmen davon profitieren wollen: Webasto verspricht sich einen besseren Zugang zum chinesischen Markt, weil es gelingen werden den lokalen Autobauern, aber auch anderen Herstellern passende Produkte anbieten zu können. TMG, das bereits mit dem Pharmakonzern Merck ein vergleichbares Projekt betrieben hat, gewinnt laut Gromball eine prominente Referenz und kann sein Produkt besser an die Kundenanforderungen anpassen.