Kolumne

"Web-Services: Nur nichts überstürzen"

01.02.2002
Christoph Witte Chefredakteur CW

Die Idee ist fast zu schön, um wahr zu sein: Software holt sich aus dem Internet oder Intranet von anderen Programmen Inhalte und Verfahrensweisen (Softwarekomponenten). Diese Softwarehäppchen lassen sich, da sie allesamt die gleichen Standards und Protokolle verwenden, als so genannte Web-Services in die ursprüngliche Software integrieren. Damit können einerseits - so die Theorie - Programme ohne Entwicklungsaufwand schnell mit Funktionen und Inhalten angereichert werden. Andererseits machen diese Web-Services die Integration verschiedener Anwendungen sehr viel einfacher als bisher: Eine Applikation oder Komponente kann eine andere Anwendung oder eine bestimmte Funktion davon einfach als Web-Service anfordern. Vorausgesetzt natürlich, dass sowohl die anfordernde als auch die gewünschte Komponente Web-Service-fähig sind.

Wer davon nicht begeistert ist und Web-Services lediglich für eine Wiedergeburt des altbekannten Remote Procedure Call hält, hat zwar nicht ganz unrecht, vergisst aber, dass die Aufrufe via Internet funktionieren und weder zwischen den Applikationen innerhalb eines Unternehmens noch über Unternehmensgrenzen hinweg zusätzlicher Absprachen bedürfen. Genau in dieser Einfachheit liegt das Potenzial von Web-Services: Einige Szenarien gehen davon aus, dass Firmen schon in relativ kurzer Zeit von anderen Anwendern oder unabhängigen Servicehäusern fertige Web-Services mieten können. In nicht allzu ferner Zukunft sollen auch Endverbraucher Applikationen, beispielsweise ihre Office-Anwendung, als Web-Service beziehen können. Diese Szenarien gipfeln im lang gehegten Wunschtraum vom Computing aus der Steckdose: Einfach ein Zugangsgerät ins Web einklinken wie einen Rasierapparat in die Steckdose. So wie der Rasierer Strom bekommt, erhält das Access Device aus dem Netz alle Anwendungen und Daten, für die sein Benutzer autorisiert ist.

Doch bevor unsere Systeme die nächste Stufe der Computerevolution erklimmen können, müssen noch ein paar Kleinigkeiten erledigt werden. So fehlt es Web-Services an verlässlichem Messaging, bisher lässt sich beispielsweise noch nicht 100-prozentig feststellen, ob ein angeforderter Service auch geliefert oder korrekt ausgeführt worden ist. Außerdem muss die Sicherheit des Informationsaustausches via Internet noch gewährleistet werden. Die Workflows für die neue Art von Computing fehlen ebenfalls noch.

Die Empfehlung an Anwender lautet deshalb: ganz bedächtig und klein anfangen. Es kann auch nicht schaden, bei Kaufentscheidungen auf die Unterstützung von Web-Services oder die entsprechenden Pläne des Anbieters zu achten. Vor allem aber sollten sich Anwender Zeit nehmen, die Sache sorgsam zu prüfen. In einem Jahr, in dem die IT-Budgets knapp bemessen sind, besteht schließlich kaum die Gefahr, den Zug zu verpassen.