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Web 2.0: "Die Menschen quatschen und quatschen und hören nicht mehr auf"

26.07.2007

Weinberger habe Recht: Das Internet repräsentiere den Überfluss von allem: mehr Porno, mehr Liebe, mehr Ideen, mehr Zerstreuung. Für einen Philosophen möge das faszinierend sein. Für einen Normalsterblichen, der sich auf Informationen verlassen wolle, führe der digitale Überfluss in die intellektuelle Armut. Je mehr wir wissen, desto weniger wissen wir am Ende wirklich. "Um dieses chaotische Medium wirksam zu nutzen", so Keen, "müssen wir unsere eigenen Taxonomien entwickeln. Für die Mehrheit der Menschen, die die Welt verstehen möchten, ist das nicht realistisch. Sie halten Taxonomie für etwas, mit dem man zum Flughafen fahren kann."

Gute Autoren und Künstler sind den Ausführungen des Web-2.0-Kritikers zufolge schon immer knapp gewesen. Sie mussten Wege finden, ihr Talent zu Geld zu machen. Traditionelle Medien hätten sie dabei unterstützt, indem sie sie entdeckt, gefördert und vermarktet hätten. "Wenn aber alles verflacht, wenn Bücher digitalisiert und Bibliotheken zu Gehilfen von Google werden, wenn Schreiber zu Vertriebs- und Marketing-Verantwortlichen für ihre eigene Marke mutieren - wohin soll das führen?", fragt Keen, der offenbar den Untergang des Abendlandes fürchtet.

Du bist ein Künstler oder ein Affe…

Weinberger hält dagegen: "Wir sollten die Zeiten, in denen traditionelle Medien den Ton angaben, nicht verherrlichen. Weil es so teuer war, kulturelle Produkte wie Bücher, Tonträger oder Filme zu produzieren, haben nur wenige Glückliche ein Massenpublikum erreicht. Der große Rest ist einfach von der Landkarte verschwunden", konstatiert der Autor. In der traditionellen Medienlandschaft habe stets die Regel gegolten: "Du hast Talent oder du hast es nicht. Du bist ein Künstler oder ein Affe." Dadurch sei der Eindruck entstanden, dass Talente knapp seien. In Wirklichkeit sind laut Weinberger aber nicht die Talente, sondern die konventionellen Distributionswege knapp, über die sie vermarktet werden. Die Kosten waren stets zu hoch und die Veröffentlichungen zu riskant.