Konkurrenz für Trump und Sanders

Watson for President

10.02.2016
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Steigt IBMs Superrechner Watson in das Rennen um die US-Präsidentschaft 2016 ein? Die Organisatoren von watson2016.com - angeblich unabhängig - spielen mit der Idee. Werbegag hin oder her - Maschinen und Algorithmen treffen heute immer mehr Entscheidungen - irgendwann auch politische?

"The Watson 2016 Foundation" ist eigenen Angaben zufolge eine unabhängige Organisation, die sich dafür einsetzen würde, dass die künstliche Intelligenz von IBMs Watson-Rechner in das Rennen um die US-amerikanische Präsidentschaftskandidatur eintritt. Watsons einmalige Fähigkeiten, Informationen zu bewerten und auf dieser Basis nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen, machten Watson zu einem idealen Kandidaten, der dem Anforderungsprofil eines US-Präsidenten durchaus gerecht werde, heißt es auf der Website der Organisation. Watson verstehe Fragen, könne große Mengen an Daten und Informationen analysieren und dann passende Antworten liefern. Das sei im Grunde die Aufgabe jedes Politikers, auch die des Präsidenten, verlautete von Seiten der Organisation. "Und möglicherweise könnten die Aufgaben von einer künstlichen Intelligenz besser und effizienter gelöste werden", lautet die Schlussfolgerung.

Wenn Superrechner wie IBMs Watson regieren, hätte das auf jeden Fall einen Vorteil: Aufwendige und teure Staatsbesuche und G7/20-Gipfel dürften dann der Vergangenheit angehören.
Wenn Superrechner wie IBMs Watson regieren, hätte das auf jeden Fall einen Vorteil: Aufwendige und teure Staatsbesuche und G7/20-Gipfel dürften dann der Vergangenheit angehören.
Foto: IBM

IBM hatte Watson 2011 vorgestellt. Für Aufsehen sorgte der Rechner damals, als er in der US-Quiz-Sendung Jeopardy zwei menschliche Kandidaten aus dem Rennen schlug. Watson war in der Lage, die gesprochenen Fragen zu verstehen und schnell eine Anatwort zu liefern. In den darauf folgenden Jahren hat IBM die Watson-Technik kontinuierlich weiterentwickelt. Heute bildet der Bereich Cognitive Computing rund um Watson den wichtigsten Stützpfeiler für das künftige IBM-Geschäft, das gerade in den klassischen Segmenten Hardware, Software und Services zuletzt eher enttäuschte. Erst kürzlich hat der Konzern in München seine neue Steuerzentrale für das Segment Cognitive Computing und Watson-Technologien eröffnet.

Transparente Rechner-Algorithmik gegen machtpolitische Taktikspielchen?

Die Befürworter einer Watson-Präsidentschaft argumentieren, das System sei aufgrund seiner Rechenleistung in der Lage, verschiedenste Facetten einer Frage beziehungsweise eines Problems zu bewerten, um darauf basierend die wertvollste Antwort abschätzen zu können. Watson könne darüber hinaus die Folgen seiner Ratschläge beispielsweise hinsichtlich der Auswirkungen auf Bereiche wie Wirtschaft, Erziehung, das Gesundheitswesen, die Außenpolitik oder die Bürgerrechte abschätzen. Außerdem arbeite das System transparant. Genauso wie Menschen ihre Emotionen durch verschiedene Gesichtsausdrücke nach außen tragen, zeigt Watson durch die Visualisierung seiner Ergebnisse, inwieweit er seiner Entscheidung sicher ist. "Wäre ein Land nicht besser, wenn alle Politiker in gleicher Weise trasparent arbeiteten?" fragen die Betreiber von Watson 2016.com.

Noch bleibt die Kandidatur Watson für das Präsidentenamt ein Werbegag - lässt aber durchaus viel Spielraum für mögliche Zukunftsszenarien zu. In immer mehr Bereichen übernehmen Maschinen mit ausgefeilten und selbst lernenden Algorithmen die Entscheidungen, beispielsweise im Börsenhandel. Wissenschaftler am kalifornischen Institute For The Future (IFTF) haben im vergangenen Jahr den Prototypen einer Software entwickelt, die Management-Aufgaben übernehmen können soll. Der "iCEO" sei durchaus in der Lage, auch komplexere Entscheidungsprozesse auf C-Level-Ebene erfolgreich abzuwickeln, hieß es.

Ob künstliche Intelligenz einmal politische Aufgaben und Entscheidungen übernehmen wird, bleibt indes abzuwarten. Wählerpotenzial scheint zumindest vorhanden. Auf ihrer Website fragten Watsons Wahlhelfer, ob die Besucher die künstliche Intelligenz wählen würden. Dabei kam Watson am 10. Februar unter gut 900 Teilnehmern immerhin auf die stolze Quote von über 73 Prozent, die den Superrechner 2016 zum US-Präsidenten wählen würden. Knapp jeder fünfte lehnte es ab, sich von einer Maschine regieren zu lassen und etwa sieben Prozent waren noch unentschlossen.