Pariser Spekulationen:

Was wird denn nun aus CII

11.12.1974

PARIS - "Die Datenverarbeitung ist wichtiger als die Luftfahrt - die übrigens noch teurer ist", sagte einer der Berater von Giscard d'Estaing in einem Interview mit der französischen Zeitschrift "La Lettere de l'Expansion".

Nach französischen Schätzungen müßte der Staat pro Jahr zwischen einer und zwei Milliarden Francs einem europäischen Unidata-Programm zuschießen - und das wenigstens fünf Jahre lang. "Eine Affäre Concorde - auf Dauer", spottet man in Paris. Offene Frage Nummer 1: Was wird aus der CII (Companie Internationale pour l'Informatique)? Offene Frage Nummer 2: Wird aus der Arbeitsgemeinschaft Unidata die viel beredete große europäische Computerfirma? Seit 1966 hat der französische Staat an CII bereits Kredite von mehr als einer Milliarde Francs geleistet. Inzwischen wurde eine weitere Kredithilfe in Höhe von 400 Millionen Francs beschlossen, denn die beiden alleinigen Aktionäre CGE (Compagnie Generale d'Electricite) und Thomson Brandt sind nicht bereit, die nötigen Finanzmittel zur Entwicklung der französischen Firma im Rahmen einer europäischen Gruppe zur Verfügung zu stellen.

Mehrere Versionen über eine eventuelle Entwicklung von CII liegen in Paris vor. Eine Möglichkeit: Alles so zu belassen wie es ist, einschließlich staatlicher Finanzhilfe. Damit wird zwar die finanzielle Lage von CII momentan, aber nicht langfristig, gelöst, ebensowenig wie das Verhältnis zu den Unidata-Partnern.

Verstaatlichung von CII?

Ein anderes Gerücht besagt, die Finanzierung von CII solle durch CISI (Compagnie International de Service et Informatique) erfolgen, ein Unternehmen, das den Großteil französischer Rechenzentren und Softwarehäuser kontrolliert. "Damit kann ein Hardware-Software-Monopol in Frankreich geschaffen werden", verlautet in französischen Zeitungen und weiter, "da CISI eine Tochter der staatlichen Gesellschaft CEA (Commission d'Energie Atomique) ist, erfolgt damit eine indirekte Verstaatlichung."

Als weitere Möglichkeit erörtert man in Paris die Umformung der Arbeitsgemeinschaft Unidata in eine Einheitsgesellschaft mit 25 Prozent Anteilen für die CII-Gesellschafter, 25 Prozent für Philips und 50 Prozent für Siemens. Diese Lösung sieht die englische "Times" als wahrscheinlich an, weil "damit der Eintritt von ICL in die Unidata ermöglicht werden könnte mit einer teilweisen Fabrikation der ICL 2900 in einem CII-Betrieb".

In Paris diskutiert man auch eine Annäherung CII/Honeywell Bull. Dazu wäre die Teilung von HB in Gesellschaften erforderlich. An der einen, die in den europäischen Ländern arbeiten solle, die CII-Gesellschafter mit 51 Prozent und Honeywell Bull mit 49 Prozent beteiligt, an der zweiten, die in den übrigen Ländern tätig wäre, hätte Honeywell die 51-Prozent-Mehrheit, während die restlichen 49 Prozent von CII und Bull gehalten würden. Dadurch könnte Honeywell indirekt zur Unidata stoßen und seine Position in Europa verbessern. Andererseits würde man damit den Weg zur Gründung einer rein europäischen Gesellschaft versperren, wie es schon bei der in Frankreich größtenteils unerwünschten Fusion Bull/General Electric der Fall war.

Neueste Version des Gedankenspiels: Bull und CII werden eine europäische Gesellschaft, Honeywell geht in den USA mit Univac zusammen, wird rein amerikanisches Unternehmen und verkauft seine Anteile an der Compagnie Honeywell Bull. Offen ist dabei in erster Linie, wer übernimmt den Rückkauf der 662/3-Prozent-Honeywell-Anteile? Es geht, so hört man, um 50 Millionen US-Dollar.

Paris wünscht französisches Unternehmen

Prognosen, was denn nun passieren soll, sind kaum möglich: Der französische Ministerrat, der bereits Ende November entscheiden wollte, hat statt dessen einen neuen Konferenztermin für Mitte Dezember festgelegt.

Auf keinen Fall will die französische Regierung denselben Fehler machen wie bei der Affäre Bull und wiederum ein französisches Unternehmen den Amerikanern überlassen. Nach zuverlässigen Informationen aus Paris sagte Giscard d'Estaing: "Eine weitere solche Affäre wird uns nicht mehr unterlaufen . . ."

Man wird also von staatlicher Seite aus die Wiederherstellung einer nationalen Computerindustrie versuchen.

M. Calliot, Vizepräsident des Industrieverbandes, sagte vor einer Versammlung von CII-Anwendern: "Die staatliche Kredithilfe wird der Finanzierung der CII entgegenkommen und CII nicht untergehen lassen." CII-Generaldirektor M. Barre meinte über die Zukunftschancen des Unternehmens: "Die Formierung von Unidata ist nicht einfach, aber es besteht der feste Wille, zu einem Ziel zu kommen."