Was wird aus Business ByDesign?

05.03.2009
Noch hat SAP Probleme mit der ERP-Mietsoftware. Die Entwicklung soll weit fortgeschritten sein, doch ob der Konzern die hochgesteckten Ziele erreichen kann, ist fraglich.

Mit keinem anderen Produkt hatte SAP je solche Probleme wie mit Business ByDesign. In das ambitionierte Softwareprojekt hat der Konzern mehr als 400 Millionen Euro gesteckt, und weitere Investitionen sind erforderlich, denn wann Business ByDesign für die breite Masse verfügbar sein wird, will oder kann SAP nicht sagen. Fest steht nur, dass SAP zwar hohe Erwartungen geweckt hat, es aber auch 2009 bei einer "kontrollierten Markteinführung" bleibt: Nur ausgewählte Kunden erhalten die Mietsoftware und werden dabei intensiv vom Softwarehaus betreut. "SAP verkauft das Produkt bisher nicht großflächig. Vielmehr handelt es sich derzeit eher noch um ein Entwicklungsprojekt zwischen Hersteller und Kunden", meint Christian Hestermann, Research Director ERP bei Gartner.

Standardprozesse aus der Steckdose

Business ByDesign soll SAPs Geschäft mit mittelständischen Firmen eröffnen, denen die Softwareprodukte des Unternehmens bisher zu teuer und zu komplex sind. Die Idee: Standardsoftware für betriebswirtschaftliche Abläufe kommt quasi aus der Steckdose, so dass Firmen keine eigenen Systeme und somit auch kein Spezialistenteam vorhalten müssen. Auch soll sich das Produkt viel leichter und kostengünstiger an den jeweiligen Bedarf des Kunden anpassen lassen. Vor allem die Konfiguration der klassischen SAP-Systeme verursacht hohe Kosten, die für kleinere Unternehmen nicht tragbar sind.

Anspruch und Wirklichkeit

Von einer neuen Ära sprach der damals noch alleinige SAP-Chef Henning Kagermann im Herbst 2007, als das Produkt der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Seinerzeit hieß es, im ersten Halbjahr 2008 werde das Volumengeschäft anlaufen. Bereits 2010 sollte Business ByDesign eine Milliarde Euro erwirtschaften und dem Konzern etwa 10 000 Neukunden bescheren.

Doch derzeit ist fraglich, ob es 2010 überhaupt zur breiten Markteinführung kommt. "Wir geben dem Produkt die Zeit, die es braucht", sagte SAPs Co-CEO Léo Apotheker. Gerade einmal 40 Anwenderunternehmen setzen die Mietsoftware derzeit produktiv ein, weitere 40 sollen bald folgen. SAP will mit Business ByDesign kein "R/3 aus der Steckdose" liefern. Daher entwickelt der Konzern seit Jahren eine komplett neue Software, die wenig mit den monolithischen Geschäftsapplikationen der R/3-Ära gemein haben wird. Während aber R/3 über Jahre reifen konnte und auch das Nachfolgeprodukt SAP ERP von diesen Erfahrungen profitiert, betritt SAP mit Business ByDesign Neuland. Die Kernprodukte der SAP folgen dem Client-Server-Konzept, dagegen besteht die Neuentwicklung aus zahlreichen kleinen Prozessbausteinen, die sich flexibel gruppieren lassen.

Wo liegen die Schwierigkeiten?

Ungewohnt ist dabei nicht nur die Programmlogik und die Ablaufsteuerung, sondern auch die Ablaufumgebung. Business ByDesign nutzt Netweaver-Technik, die noch nicht in Kundenprojekten erprobt werden konnte. Dazu zählen fest in die Applikation eingebettete Bausteine für die Analyse von Geschäftsdaten, die auf Knopfdruck Berichte auf den Bildschirm zaubern sollen. Das klappt nur mit leistungsstarken CPUs und jeder Menge Arbeitsspeicher. Schließlich soll der Nutzer beim Buchen eines Auftrags nicht merken, dass die Software nicht im eigenen Firmennetz, sondern auf SAP-Servern läuft.

Billige Rechenleistung = hohe Marge

Genügend Hardware zu beschaffen ist nicht das Problem, doch muss der Aufwand dafür mit den zu erwartenden Einnahmen aus der Softwaremiete im richtigen Verhältnis stehen. Und hier hat SAP noch zu kämpfen, weil offenbar der Hardwarebedarf für die Softwareumgebung unterschätzt wurde. Mit geringen Kosten für Rechnerkapazität, so die Kalkulation, lassen sich hochkomplexe Anwendungen mit großem Leistungshunger für viele Anwender wirtschaftlich betreiben. Kommt die erforderliche Rechnerausstattung zu teuer, lohnt sich das Geschäftsmodell für SAP nicht. Der Grund: Der Konzern und natürlich auch die Börsenanalysten erwarten die gleiche Marge, die er mit den klassischen Softwarelösungen erzielt, auch von dem Mietprodukt.

Top oder Flop?

Nach Angaben von SAP sind die Antwortzeiten von Business ByDesign mittlerweile akzeptabel und mit denen von lokal installierter SAP-Software vergleichbar. Fachleute trauen dem Anbieter ohnehin zu, die technischen Schwierigkeiten rund um Business ByDesign in den Griff zu bekommen. Doch ob sich die Lösung für den Konzern wirtschaftlich trägt und für den Massenmarkt taugt, steht auf einem anderen Blatt. Hinzu kommt, dass sich die Vertriebspartner auf den neuen Softwareansatz und die entsprechenden Einführungskonzepte einstellen müssen. "Die Tücken und Probleme bei der Markteinführung hat SAP offensichtlich unterschätzt", stellt Lynn Thorenz, Beraterin bei PAC in München, fest.

Solange die Einnahmen aus dem Kerngeschäft sprudeln, kann der Konzern das Sorgenkind noch eine Weile durchfüttern, aber nicht für ewig. "Ob Business ByDesign überhaupt in Gefahr ist, kann außerhalb der SAP derzeit niemand seriös beurteilen", sagt Cristian Wieland, Senior Analyst bei Raad Research in Münster. Einem Bericht der "Financial Times Deutschland" zufolge zieht SAP nun 800 der insgesamt 2600 Entwickler von dem Projekt ab. SAP habe verlauten lassen, es seien nicht mehr so viele Spezialisten erforderlich.

Keine Konkurrenz?

Sorgen und Ängste versuchen Konzernvertreter sich nicht anmerken zu lassen. Nach Überzeugung von SAP-Chef Léo Apotheker gibt es derzeit keinen Konkurrenten, der eine ähnliche Business-Applikation zur Miete feilbieten kann. Zumindest unter den Branchenriesen findet sich da tatsächlich keiner. Kleinere Softwareschmieden wie etwa Myfactory International aus Frankfurt am Main und Demand Software Solutions aus Landau sowie die amerikanische Firma Netsuite offerieren aber bereits heute moderne ERP-Pakete gegen Monatsmiete.

Konkurrenz schafft sich SAP jedoch im eigenen Haus. Experten bescheinigen dem Konzern Erfolge mit Lösungen der "Business-All-in-One"-Familie für den gehobenen Mittelstand. Dabei handelt es sich um vorkonfigurierte Pakete für bestimmte Branchen, die sich über einen Softwarekonfigurator leichter und zu besser überschaubaren Kosten einführen lassen sollen. Die technische Grundlage von All-in-One bilden erprobte Kernprodukte: "SAP ERP" beziehungsweise demnächst die "Business Suite 7". Allein im letzten Jahr will SAP 10 000 Neukunden aus dem Mittelstand hinzugewonnen haben. SAP entwickelt die bestehenden Kernprodukte weiter, so dass sie sich leichter bedienen und kostengünstiger betreiben lassen. In Zukunft können die Softwarekunden entscheiden, ob sie Komponenten einer Geschäftsapplikation on Premise (im eigenen Haus) oder on Demand (zur Miete) nutzen wollen – Apotheker spricht hier von "hybrider Software". Erfahrungen in Sachen Kundenwünsche, Technik und Gestaltung von Geschäftsprozessen, die SAP jetzt mit Business ByDesign sammelt, dürften in diese Hybridstrategie einfließen.

Experten gehen davon aus, dass Business ByDesign trotz aller Verzögerungen irgendwann auf den Markt kommt. Fragt sich nur, ob, wann und wie viel SAP damit verdienen kann.

Szenarien statt Menüs

Mit dem für das dritte Quartal 2009 geplanten Release 2.0 will SAP neue Softwarefunktionen für Business ByDesign liefern und Nutzern die Bedienung erleichtern. ERP-Funktionen werden in "Szenarien" zusammengefasst, um den Softwarenutzer über alle Stufen eines Geschäftsablaufs zu begleiten. Dies soll Fehler vermeiden, nahtlose Abläufe gewährleisten und den Schulungsaufwand gering halten. Beispielsweise will SAP einem Dienstleistungsunternehmen auf diese Weise eine Prozessvorlage bereitstellen, mit der Anwender ein Projekt von der Auftragserteilung bis zur Abrechnung in allen Schritten Workflow-gesteuert abarbeiten können sollen. Insgesamt 35 solche Szenarien will der Softwareanbieter mit Version 2.0 freigeben. Diese vorkonfigurierten Abläufe erinnern an die "Value-Szenarien", die SAP für die "Business Suite 7" entwickelt.

Ferner liefert das Update Softwarefunktionen für Einzelfertiger. Zielgruppe sind die zahlreichen Unternehmen aus dem mittelständisch geprägten Maschinenbau.

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