GFT-Chef Ulrich Dietz

Was wir von Vordenkern lernen können

24.01.2011
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.
Wie entsteht Neues? IT-Unternehmer Ulrich Dietz reiste um die Welt und fand Antworten im Gespräch mit 18 Visionären.

CW: In Ihrem Buch "The new New" gehen Sie mit 18 internationalen Visionären aus Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst der Frage nach, wie Neues entsteht. Ihre Protagonisten haben nach Jahren harter Arbeit etwas erschaffen, sei es ein Produkt oder ein Werk, dass das Zusammenleben vereinfacht und gesünder oder schöner macht. Was wollen Sie mit dem Buch erreichen?

Ulrich Dietz, GFT: "Pioniere zeichnen sich durch eigensinniges Denken aus."
Ulrich Dietz, GFT: "Pioniere zeichnen sich durch eigensinniges Denken aus."

DIETZ: Ich will die Themen Innovation und Lust auf Neues einem breiten Publikum nahe bringen. Ich wollte nicht das millionste Fachbuch produzieren, sondern ein Buch, bei dem die Menschen nach dem Lesen ein rundherum positives Gefühl haben. Wenn "The new New" ihnen vermitteln kann, dass Innovation schön, spannend und nicht zum Fürchten ist, hat es viel bewirkt. Wenn das Buch dann bei dem einen oder anderen einen Hauch von Pioniergeist weckt, hat sich die lange Reise gelohnt.

CW: Neues zu entdecken - ist das auch Ihre Devise?

DIETZ: Nach vorne denken gehört zu meinem Leben. Man muss das Neue wagen. Wir benötigen dringend eine neue Innovationskultur. Das gilt auch für die IT, in der durchaus Nachholbedarf besteht. Als IT-Unternehmer beschäftige ich mich fortlaufend mit neuen Trends, Technologien, Produkten und Märkten. Daraus ergab sich die Motivation zu hinterfragen, wie Neues entsteht, welche Modelle erfolgreich sind und was dem Innovationsgeist entgegenwirkt.

CW: Einige Ihrer Protagonisten in dem Buch sehen es regelrecht als Pflicht, neu zu denken. Was ist damit gemeint?

DIETZ: Neues Denken begreife ich als die große Zukunftschance. Wenn wir die Welt nach vorne bewegen wollen, müssen wir aus dem bestehenden Rahmen hinausspringen und neue Denkansätze wählen. Ein gutes Beispiel ist die Entwicklung des Elektroautos. Im vergangenen Jahr war das Thema Automobil sehr aktuell, weil die Wirtschaft sich mitten in der Krise befand. Heute brummt die Automobilwirtschaft wieder. Die Folge: Es wird nur überlegt, wie viele Autos wohin verkauft werden können. Über die Mobilität an sich denkt keiner nach. Das wäre aber dringend erforderlich, denn alle Großstädte dieser Welt haben heute mit verstopften Straßen zu kämpfen.

Eine Idee gegen alle Widerstände durchsetzen

CW: Zu Ihren Protagonisten gehören Techniker und Wissenschaftler genauso wie Philosophen und Künstler. Haben Sie dennoch einen gemeinsamen Nenner gefunden?

DIETZ: Die Leidenschaft, mit der jeder an seinem Projekt arbeitet, hat mich beeindruckt. Alle eint ein ausgeprägter Individualismus und eigensinniges Denken. Das hat es ihnen ermöglicht, ihre Träume und Ziele gegen alle Hemmnisse zu verfolgen. Sie haben sogar in Kauf genommen zu scheitern. Der Medientheoretiker Peter Weibel sagt im Buch: "Menschen, die gegen alle Widerstände Neues machen, sind kostbar. Sie garantieren das Überleben der Gesellschaft." Dem ist nichts hinzuzufügen.

CW: Sind Pioniere eher Einzelgänger?

DIETZ: Ganz im Gegenteil. Bei den Gesprächen hat sich ganz klar herauskristallisiert: Am effektivsten sind kleine Teams bestehend aus jungen engagierten Mitarbeitern. Diese Mannschaften sind in der Lage, Höchstleistungen zu bringen. Von dieser Begeisterung können sich große Unternehmen eine Scheibe abschneiden. Es gibt sogar Teams, die ohne Netz und doppelten Boden arbeiten. Dieses Risiko gehen nur Leute ein, die ein extrem hohes Maß an Engagement besitzen.

CW: Sie sprechen auch von einer notwendigen Aufholjagd der deutschen IT-Industrie.

DIETZ: Natürlich findet man hier interessante Themen. Ich denke dabei an Firmen wie salesforce.com, die neue Ideen zum Thema Cloud Computing entwickelt haben sowie an Apple mit dem iPad. Das sind Innovationen, die aus dem normalen Rahmen herausfallen. Die Voraussetzung für neues oder anderes Denken ist, die Welt zu beobachten, sogar Ideen in einen neuen Kontext zu bringen. Informationen müssen aufgenommen werden, wann immer man sie bekommen kann. Danach gilt es, sie zu verarbeiten und zu vernetzen. Die deutsche IT-Industrie muss dafür auch internationale Chancen viel mehr nutzen - sowohl als Quelle für Fachpersonal als auch als Absatzmärkte.