KOLUMNE

Was wir von IBM gelernt haben

28.05.1993

Ein Streit ueber die Rolle Microsofts ist in den Meinungsspalten der CW ausgebrochen. Das Thema verdient Aufmerksamkeit. Dass sich Wolfgang Sprick in einem Leserbrief (siehe CW Nr. 12 vom 19. Maerz 1993, S.9) fuer eine unverkrampfte Haltung gegenueber Microsoft aussprach, stoerte CW-Leser H. Heeg aus Muenchen. Bei der zu beobachtenden "Windowsmania" wundere es nicht, dass Microsoft nahezu alles nachgesehen werde, selbst Bugs in Programmen (siehe CW Nr. 20 vom 14. Mai 1993, S.9: "Unbegrenzte Narrenfreiheit"). Heegs Fazit: Microsoft besitze inzwischen eine uebermaechtige Marktstellung. Sprick beruft sich in seiner Erwiderung (siehe nebenstehenden Leserbrief "Fakten zu offensichtlich") auf den Kolumnisten (siehe CW Nr. 20, S.9: "Misstrauen gegenueber Microsoft- Manifesten"): Im Gegensatz zur frueheren Stellung der IBM im Mainframe-Sektor gebe es im PC-Bereich noch echte Alternativen.

Sprick hat richtig zitiert - wenn auch unvollstaendig. Welche Position die CW-Redaktion einnimmt, klang in der Kolumne an: "Es soll Anwender geben, denen das Monopolproblem schnurz ist, die opportunistisch dahin tendieren, wo sie die Mehrheit vermuten." Ein weiterer Hinweis war in dem Satz versteckt, dass "zu einem Pakt mit dem vermeintlichen Sieger (Microsoft, nachtraeglich eingefuegt) weder Kraft noch Fantasie gehoert".

Leser Heeg sprach mit Bezug auf die Gates-Company von "irrationalem Kundenverhalten, welches ihr zu dieser Dominanz verholfen hat". Ein heikles Thema: Leider ist sicher richtig, dass um Windows viel Wind gemacht wird von Leuten, die frueher das Mainframe-Monopol der IBM toleriert haben und bei denen auch angesichts eines PC-Software-Monopolisten Microsoft der Puls ruhig bleiben wuerde. Gemeint sind in erster Linie Third-party-Anbieter von Hardware und Software, die allenfalls ins Gruebeln kommen, wenn sich der grosse Goenner - ob IBM oder Microsoft - etwa in Patent- und Copyright-Fragen einmal ungnaedig zeigt.

Ein ausgepraegtes Marktverstaendnis fehlt den Microsoft- Partnerfirmen. Man kommt um die Feststellung nicht herum, dass sie aus der (IBM-)Geschichte nichts gelernt haben. Am Rande: Stoff fuer Anekdoten enthaelt das berufliche Ende des John Akers bei Big Blue. Man weiss wenig darueber, wie die Akers-Generation innerhalb der IBM auf den Gerstner-Kurs reagiert. Hat nicht die Mainframe-Koalition nach wie vor grossen Einfluss? Man darf annehmen, dass Akers vom Board of Directors fuer unfaehig gehalten wurde, neue Ideen anzunehmen und im Mittelbau, bei den Sales- und Marketing- Managern, durchzusetzen.

Aus der Geschichte gelernt haben sollten die Anwender. Nichts laesst sich dagegen sagen, dass Microsoft mehr verkaufen will als die Konkurrenz. Desto wichtiger wird es, Schnittstellen-Standards festzuschreiben. Einflussmoeglichkeiten auf die Normenpolitik haben die Anwender allemal, sie muessen sie nur nutzen. Dann ist Machtmissbrauch durch Microsoft kein Thema.