Service-Provider (XSP)/Servicemodule ergänzen Outsourcing-Angebote

Was vom ASP-Modell übrig blieb

01.11.2002
Auch wenn viele Application-Service-Provider mit ihren Geschäftsmodellen gescheitert sind, hat ihr Software-zur-Miete-Ansatz durchaus etwas bewegt. Die Idee, Applikationen zentral zu betreiben und via Netz schlanken Clients gegen Nutzungsentgelt zur Verfügung zu stellen, hat sich als sinnvoll erwiesen. Sie geht derzeit folgerichtig in anderen IT-Dienstleistungen auf. Von Lars Janitz*

Es schien so logisch zu sein, das Outsourcing-Modell der Application-Service-Provider: Als spezialisierte IT-Dienstleister stellen sie ihren Kunden alle wichtigen Geschäftsanwendungen zur Miete über das Internet zur Verfügung. Dazu erwerben sie die notwendigen Softwarelizenzen, um die zugehörige Anwendungssoftware dann in ihren Rechenzentren zu implementieren und zu betreiben. Zudem kümmern sie sich alleinverantwortlich und mit qualifiziertem Personal um Themen wie Sicherheit, Performance sowie System- und Datenbank-Management.

Auf dieser Grundlage können ASP-Kunden dann je nach Bedarf über Web-Verbindungen auf die angemieteten Transaktionen beziehungsweise Applikationsmodule zugreifen, die sie aus dem Portfolio ihres IT-Dienstleisters ausgewählt haben. Und dafür zahlen sie lediglich Gebühren, die sich an den tatsächlich genutzten Ressourcen orientieren. So sollten Unternehmen nicht nur von eingesparten Anfangsinvestitionen, besonders transparenten Kosten und der ständig aktuellsten Anwendung profitieren.

Die intelligente Bündelung von Know-how und Infrastrukturen in Händen des ASP versprach dessen Kunden auf Dauer finanzielle und qualitative Vorteile sowie die Chance, sich künftig konsequent auf die Kompetenzen im eigenen Kerngeschäft zu konzentrieren. Die Last der tagtäglichen kleineren und größeren Probleme der Software trug ja der ASP.

Doch das System hatte einen Makel: Den wenigsten Anbietern ist es gelungen, das grundlegende Misstrauen der potenziellen Kundschaft zu überwinden. Schließlich zögert so mancher IT-Verantwortliche, die Verantwortung für kritische und sensible Daten komplett aus der Hand zu geben. Und je mehr sich die schlechten Nachrichten häuften, desto bereitwilliger verabschiedeten sich Unternehmen von Überlegungen, ihre Anwendungen künftig vielleicht via ASP zu beziehen: Denn wer heuert schon gern auf einem leck-geschlagenen Schiff an?

Wichtiger noch für das weitgehende Scheitern des ASP-Modells dürfte jedoch ein grundsätzlicher Denkfehler sein. Denn die Besonderheit des Application-Service-Providings gegenüber anderen Ansätzen des IT-Outsourcings ist der One-to-Many-Ansatz. Eine Software für mehrere Kunden, lautete die Devise. Denn nur so entfaltet ASP tatsächlich seine Effizienzvorteile, die sich letztendlich in geringeren Kosten für alle Beteiligten auszahlen sollen.

Keiner will Word via Netz

Doch welche Anwendungen lassen sich tatsächlich in unveränderter Form für ganz unterschiedliche Firmen betreiben? Bei genauerem Hinsehen bleiben da nur die relativ simplen Applikationen aus den Office-Suites. So funktioniert das lupenreine ASP nach dem One-to-Many-Modell denn auch nur mit Standardanwendungen wie Microsoft Word. Das sind jedoch keine Lösungen mit geschäftskritischem Charakter. Zudem sind sie weder kostspielig in der Anschaffung noch schwierig zu implementieren und zu warten. Vor allem ist das Bereitstellen von Office-Lösungen ein austauschbarer Dienst und weit davon entfernt, dem Anbieter ein Alleinstellungsmerkmal zu verschaffen. Die Chance auf ein lukratives Geschäft mit dem Office zur Miete ist also eher gering.

Doch die meisten ASPs hatten ihr Hauptaugenmerk ja auch auf ganz andere Anwendungssysteme gelegt. Im Mittelpunkt ihres Interesses standen komplexe Applikationen, mit deren zuverlässigem, sicherem und kosteneffizientem Betrieb so manches Unternehmen bisher enorme Schwierigkeiten hatte. Die ASPs boten ihren Kunden Enterprise-Ressource-Planning-(ERP-) und E-Business-Systeme zur Miete an. Hier wollten sie mit den Pfründen wuchern, stets mehr und aktuelleres Wissen und die besseren Infrastrukturen vorhalten zu können als ihre potenziellen Kunden. "Wir haben alle Module der jeweils führenden Hersteller im Angebot - von Finanz- und Personalwesen über Datenbanken und Portale bis hin zum Management von Lieferketten und Kundenbeziehungen. Wählt einfach aus, was ihr benötigt!", lautete die Devise.

Doch während die Funktionsweise einer Textverarbeitung oder einer Groupware nicht an die individuellen Geschäftsprozesse eines Unternehmens gebunden ist, sieht dies bei traditionellen ERP-Systemen und deren Web-orientierten Nachfolgern ganz anders aus. Solche Lösungen müssen die individuellen Abläufe eines Unternehmens im Detail abbilden. Entsprechend groß ist der Customizing-Aufwand. Hinzu kommt, dass in einer von Übernahmen und Fusionen sowie steigendem Kosten- und Konkurrenzdruck geprägten Wirtschaftswelt die Firmen ihre Geschäftsprozesse immer schneller anpassen müssen. Niemandem ist mehr mit einer statischen IT-Landschaft geholfen. Um Anwendungen jedoch permanent zu reformieren, zu erweitern und zu ergänzen, bedarf es eines kontinuierlichen Feinschliffs und einer individuellen Systembetreuung. Diese Aufgaben aber können ASPs nur erfüllen, wenn sie ihr auf konfektionierten Applikationen beruhendes Geschäftsmodell aufgeben.

Im Endeffekt müssen sich ASP-Kunden also stets mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner begnügen. Das aber ist nur für wenige Unternehmen attraktiv, die sonst ganz auf entsprechende Applikationen verzichten müssten. Einen Ausweg suchen viele der verbliebenen Anbieter deshalb in der Strategie, sich auf einzelne Industrie- und Dienstleistungszweige zu spezialisieren. Schließlich finden sie hier vorkonfigurierte Branchensoftware vor, die in der Regel zumindest 80 Prozent der gewünschten Funktionalität abdeckt.

Rückzug in Nischen

Während das Mietmodell im engen Sinne also weitgehend in Nischenmärkten verschwindet und die Systemhäuser angesichts der weltweiten Konjunkturflaute unter einem schwachen Projektgeschäft leiden, erlebt das traditionelle Outsourcing einen neuen Frühling. Im Rahmen dieser Angebote bilden externe Dienstleister individuelle Kundenanforderungen in einem passenden System ab und betreiben es auch. In dem One-to-One-Ansatz liegt auch der entscheidende Vorteil des Outsourcing-Modells gegenüber den ASP-Offerten, denn letztere konnten nicht auf kundenspezifische Anforderungen eingehen.

Die steigende Nachfrage nach Outsourcing-Angeboten ist zum Teil einfach auf die aktuelle Wirtschaftsflaute zurückzuführen, die derzeit natürlich auch auf den IT-Budgets lastet. Schließlich stehen in der Krise alle Kostenfaktoren auf dem Prüfstand. Und eine Auslagerung von DV-Systemen hat sich bereits für zahlreiche Unternehmen als taugliches Mittel erwiesen, zumindest die kontinuierlich steigenden Ausgaben für den Betrieb der IT in den Griff zu bekommen. Doch nicht nur der Kostendruck spricht für das wachsende Interesse am Outsourcing. Vielmehr scheint es einigen Anbietern solcher Dienste heute weitaus besser als noch vor einigen Jahren zu gelingen, individuelle Kundenanforderungen umzusetzen.

Outsourcing plus ASP

Kurioserweise sind derzeit jene Outsourcing-Lösungen besonders gefragt, bei denen das weitgehend gescheiterte ASP-Modell deutliche Spuren hinterlassen hat. So berichten Marktbeobachter nun übereinstimmend von einem Trend zu modularen Outsourcing-Angeboten aus einzeln abrufbaren und flexibel kombinierbaren Leistungen. Das heißt: IT-Dienstleister verpflichten Interessenten nicht mehr, auf einen Schlag die gesamte Systemlandschaft in fremde Hände zu geben. Das Hosting im externen Rechenzentrum ist nur noch eine der möglichen Optionen. Kunden haben vielmehr die Chance, ein selektives Service-Shopping zu realisieren. So bleiben sie selbst der Kapitän, der die Richtung bestimmt. Der IT-Dienstleister hingegen stellt entweder Teile seiner Flotte zur Verfügung oder auch nur die Mannschaft - je nachdem, was erforderlich ist, um auf dem eingeschlagenen Kurs zu bleiben.

So stellt sich ein modernes Outsourcing-Angebot aus der Perspektive eines Kunden quasi als eine Matrix dar. Auf der X-Achse stehen die einzelnen Anwendungen: klassische Module für das Personal- und Finanzwesen ebenso wie Web-basierende Systeme für das Management von Lieferketten, Vertrieb oder Produktlebenszyklen. Auf der Y-Achse hingegen gruppieren sich vielfältige IT-Services. Diese reichen vom Applikations-Hosting mit Vollverantwortung für den technischen Betrieb über die kontinuierliche Anwenderbetreuung per Telefon und E-Mail sowie die permanente Fernadministration und proaktive Überwachung von Applikationen bis hin zum Support bei deren Pflege, Optimierung und Erweiterung.

Unternehmen haben also die freie Wahl, welche Services sie für welche Anwendungen jeweils nutzen möchten. Denn alle Leistungsbausteine lassen sich frei kombinieren. Das heißt dann zum Beispiel: Ein Outsourcing-Kunde lagert nur seine Human-Resource-Applikation ins Rechenzentrum eines IT-Dienstleisters aus, während er für die übrige Anwendungslandschaft dessen Remote-Administration und Applikationssupport beansprucht. Das erweist sich in der Praxis auch als Schlüssel zu hochgradig flexiblen Preismodellen, mit denen sich genau jene Kostentransparenz erfüllt, die auch das ASP für sich beansprucht hatte. (jha)

*Lars Janitz ist Leiter des Geschäftsbereichs Solution Management bei der SAP SI AG in Dresden.

Service-Shopping

- Outsourcing-Angebote lassen sich um ASP-ähnliche Dienste erweitern.

- Der Anbieter stellt eine Liste von Applikationen zur Verfügung, aus denen der Anwender wählen kann.

- Diese lassen sich mit unterschiedlichen Serviceformen wie Hosting, Applikations-Management oder Supportdiensten kombinieren.

- Dadurch ist ein gewisser Individualisierungsgrad möglich.