Erfolgsfaktor Familie

Was Unternehmen für Eltern tun

24.05.2007
Von Anja Dilk und Heike Littger

Die neuen Erwartungen an Familie und Beruf haben sich in der Unternehmenswelt herumgesprochen. "Neuerdings melden unsere Personaler, dass immer häufiger hochqualifizierte IT-Absolventen anrufen und erstmal fragen: Was tun Sie für die Familienfreundlichkeit?", sagte ein Vertreter der Siemens-Führungsriege unlängst zu Familienministerin Ursula von der Leyen bei einem Rundgang durch die Werkshallen. "Kommt nichts, bewerben die sich nicht." Und Heidi Stock, Projektleiterin Chancengleichheit bei Bosch in Stuttgart erzählt: "Seit zwei, drei Jahren fragen die jungen Ingenieure, was wir für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie tun." Mit der Einführung der Vätermonate Anfang des Jahres, habe das Thema nochmal Schwung bekommen (siehe auch "Millennials – was sich junge Mitarbeiter wünschen").

Ein Unternehmen, das ebenso wie Netviewer und Securetec bereits reagiert hat, ist das Münchener Software- und Beratungshaus sd&m. Neben flexiblen Arbeitszeiten und einem ausgeklügelten Teilzeitsystem profitieren die Mitarbeiter von einem Firmenkindergarten und einem Kinderbetreuungszuschuss von 100 Euro im Monat. Vor allem Frauen nehmen die Angebote wahr, sieben Prozent der Mitarbeiter arbeiten in Teilzeit. Doch möglich ist das auch in Leitungsfunktionen, wie im Falle des Bereichsleiters, der auf 25 Stunden reduzierte, als der Nachwuchs kam. "Seit eineinhalb Jahren hat das Thema für unser Image auf dem Bewerbermarkt an Bedeutung gewonnen", sagt sd&m-Geschäftsführer Christoph Reuther. "Und wir werden noch mehr Gas geben."

Auch der Staat tut mehr für die Familie

Fast drei Viertel aller Unternehmen schätzen ein familienorientiertes Klima laut Unternehmensmonitor des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft als wichtig oder sehr wichtig ein. Vor drei Jahren waren es knapp die Hälfte. Gut 30 Prozent haben heute sieben bis zwölf familienfreundliche Maßnahmen im Angebot darunter flexible Auszeiten, Pausenregelungen und Eltern-Kind-Arbeitszimmer. 2003 waren es gerade mal 12,7 Prozent. Um den Austausch effizienter zu gestalten, haben Bundesfamilienministerium und Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) im Juli 2006 das Unternehmensnetzwerk "Erfolgsfaktor Familie" gegründet. Auch Firmen, die sich beim "Audit Beruf und Familie" auf Familienfreundlichkeit checken und beraten lassen sind keine Exoten mehr: 1999 meldeten sich acht an, 2006 waren es knapp 200.

Wenn das Projekt ruft

Und dennoch: Familienfreundliche Freiräume kollidieren in den meisten Unternehmen immer noch und immer wieder mit den Anforderungen des Alltagsgeschäfts. Im Zweifelsfall ist oft doch der Projektabschluss wichtiger, der Kunde ruft, der Druck des Marktes scheint keinen Spielraum zu lassen. "Natürlich gibt es Zeiten, in denen Familieninteressen zurückstehen müssen", sagt auch der Düsseldorfer Berater Hans-Georg Nelles. "Allerdings werden es sich Unternehmen kaum leisten können, dauerhaft keine Rücksicht auf die ausgehandelten Freiräume der Mitarbeiter zu nehmen."

Ohnehin stehe das Thema Familienfreundlichkeit erst am Anfang. "Die Außendarstellung unterscheidet sich oft fürchterlich von dem, was in den Unternehmen tatsächlich läuft", so Marcus Schmitz, der Unternehmen in puncto familienfreundlichem Personal-Management berät und soeben ein Buch über "Familienfreundliche Unternehmensstrategien" herausgebracht hat. Der Berliner Sozialforscher Peter Döge vom Institut für Innovations- und Zukunftsforschung (IAIZ) sieht das ähnlich: "Viele Personaler tönen mit ihren familienpolitischen Maßnahmen, stöhnen aber über die Kosten." Hinter vorgehaltener Hand werde signalisiert: Wenn du nicht 50 Stunden ranklotzt, wird das nichts mit der Beförderung. Diese doppeldeutigen Botschaften verunsichern gerade Väter.