Was spricht für die Ausgliederung der EDV?

21.04.1978

Immer mehr Unternehmen gehen dazu über, Organisation und Datenverarbeitung als selbständige Unternehmensbereiche auszugliedern und die Maschinen- und Personalkapazität nicht nach hausinternen, sondern marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu planen. Über ihre diesbezüglichen Erfahrungen berichten drei "lnsider". Ein EDV-Chef, der sich mit dieser Alternative auseinandersetzt, schildert seine Probleme.

Verständlicherweise will er mit seinem Namen nicht an die Öffentlichkeit. Sein Statement war jedoch Basis für unsere Fragestellung: "Was spricht dafür, die EDV aus einem

Unternehmen auszugliedern?"

N.N.

"Einsparungen durch Leasing oder Mixed Hardware beinhalten unternehmerische Risiken, die der EDV-Chef auf sich nimmt, um seine EDV-Anlage kostengünstiger zu betreiben. Muß er aber weiter Kosten sparen, werden diese Risiken immer größer und unüberschaubarer. Trotzdem erscheint der eingesparte Betrag im EDV-Budget nur einmal. Und die Unternehmensleitung fordert weitere Rationalisierungsmaßnahmen. Notwendige Erweiterungen der Anlage - etwa durch forcierte Realtime-Verarbeitung - müssen unterbleiben, obwohl die Fachabteilungen immer schneller bedient werden wollen. Wertvolles Potential geht durch die Rangeleien mit den Fachbereichen verloren. Die "Entrümpelung der EDV-Anlage" durch spezielle Systemsoftware kann nicht durchgeführt werden, weil die Programmierkapazität schon lange nicht mehr ausreicht. Und die Fachbereiche beklagen sich, daß Rationalisierung in ihrem Bereich nicht durchgeführt werden könne, weil man bei den Programmierern Schlange stehen muß. Diese Probleme erkennen auch viele Kollegen, sind ihnen gegenüber jedoch hilflos gemacht durch die Unternehmensstruktur, in der sie sich befinden. Abhilfe könnte hier eine Ausgliederung der Datenverarbeitung schaffen. Die Kosten werden dann aufwandsgerecht den Fachabteilungen zugeteilt, die Tochterfirmen untereinander vielleicht DV-bewußter. Das neue Unternehmen muß sich dann gegen die Fachbereiche des eigenen Hauses durchsetzen und versuchen, einen Namen auf dem Markt zu erwerben. Sehr hohe Kosten müßten dann für Spezialprogramme aufgewendet werden. Der EDV-Leiter handelt dann nicht mehr unternehmerisch, sondern er trägt auch unternehmerische Verantwortung.

Dr. Horst Kiesow

DVO-Datenverarbeitungs-Service Oberhausen GmbH, Deutsche Babcock

Wenigstens einer der beiden folgenden Voraussetzungen sollte gegeben sein, wenn man sich zur Ausgliederung der Datenverarbeitung entschließt:

a) Die eigene Datenverarbeitung hat ein Know-how-Potential, das gut zu vermarkten ist.

In diesem Falle ist eine Verselbständigung sinnvoll, da man auf dem Markt dauerhaft nur dann Erfolg hat, wenn man ein spezifisches Marktimage als DV-Service-Unternehmen gewinnt. Das ausgegliederte Unternehmen ist in der Regel auf einem ganz anderen Markt tätig.

b) Es ist erklärte Unternehmenspolitik, die Datenverarbeitung einer Firmengruppe zu zentralisieren .

In diesem Falle ist die Ausgliederung angezeigt, um sicherzustellen, daß alle Unternehmen der Gruppe von der neutralen Datenverarbeitung gleich bedient werden. Es darf keine Bevorzugung oder Benachteiligung geben.

Es braucht nicht betont zu werden, daß die Umstände für eine Ausgliederung dann besonders positiv sind, wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind.

Für die ausgegliederte Firma ist ein doppelter Nutzen zu schen: Einmal erwirtschaftet das DV-Service-Unternehmen (hoffentlich) Erträge, und zum anderen wird die Leistungsfähigkeit der Datenverarbeitung wesentlich erhöht.

Man kann nämlich den Nutzen nicht hoch genug einschätzen, der dadurch bewirkt wird, daß die Datenverarbeitung aus dem Dornröschenschlaf einer Stabsabteilung aufgeweckt wird.

Dr. Werner Brack

Geschäftsführer, Mannesmann Datenverarbeitungs GmbH, Ratingen

Vor rund zehn Jahren machten sich zahlreiche Unternehmen über die Vorteile einer Ausgliederung der EDV Gedanken. In vielen Fällen - insbesondere in Konzernen - entdeckte man so starke Argumente für eine Ausgliederung, daß die Idee auch in die Praxis umgesetzt wurde. Inzwischen ist es um die Ausgliederung der DV ruhiger geworden. Hat das Thema an Bedeutung verloren?

Die Vorteile einer Ausgliederung von Hardware und Organisation (Organisationsbetreuung, Anwendungsprogrammierung, Benutzer-Beratung) und die Argumente für eine derartige Separierung sind:

1. Man kann die mit EDV-Anwendungen befaßten Mitarbeiter homogener führen und stärker für die Aufgaben interessieren, die von den Unternehmensbereichen an die EDV bestellt werden.

2. Die in einer Verlagerung zusammengefaßten EDV-Kapazitäten können dem freien Markt besser und deutlicher dargestellt und aIs Leistung angeboten werden.

3. Die Ausgliederung zwingt zur exakten Ermittlung der Vollkosten der EDV (bei entsprechender Kostenrechnung ist dies auch bei in Unternehmen integrierter EDV möglich, in der Praxis jedoch nicht immer verwirklicht).

4. Prioritäten müßten nach objektiven Maßstäben ermittelt und festgelegt werden. Bei der Einbindung der DV ins Unternehmen ist oft nicht die Entscheidungsstruktur erkennbar, nach der die Wünsche der Fachbereiche erfüllt werden.

5. Werden verschiedene Unternehmensbereiche durch die EDV bedient, so ist ein ausgelagerter EDV-Betrieb ein Pool für Know-how, der bei dezentraler DV-Zuständigkeit in dieser Form nicht vorstellbar ist. Die ausgegliederte DV garantiert bei entsprechender Organisation dafür, daß positive wie negative Erfahrungen aus einem Anwendungsbereich allen Anwendungsbereichen des Unternehmens zugute kommen.

Die technische Entwicklung ist seit jenen ersten Überlegungen zur zentralen Organisation der EDV nicht stehengeblieben: Eindeutig ist der Trend zur Dezentralisierung der EDV erkennbar. Folge: Die EDV mit all ihren Komponenten (Hardware und Personal) ist näher beim Anwender und wird für ihn leichter verfügbar. Terminals, intelligente Datenerfassung, Rechnerverbund, Anwendungsorientierte Retrieval-Systeme, diese Stichworte kennzeichnen die Entwicklung. Soll nun etwa die ausgegliederte EDV zurück in die Fachbereiche? Bei der Suche nach der geeigneten Organisationsform ist ein Kompromiß zu suchen, der die Vorteile der jüngeren Entwicklung mit den positiven Merkmalen des Erreichten verbindet. Danach ist abzugrenzen zwischen zentralen - und damit für eine Ausgliederung sinnvollen - Funktionen in der EDV und Aufgaben die möglichst nahe beim Anwender wahrgenommen werden. Damit kommt auch der Anwender wieder stärker in die Verantwortung für die Entwicklung von Anwendungsphilosophien. Die ausgegliederte DV hat sich dabei schwerpunktmäßig um die "handwerklichen" Belange zu kümmern, also um die Beschaffung geeigneter Hardware, optimaler Betriebssysteme diverser Dienstprogramme und der Aufrechterhaltung einer bestimmten Kommunikationsstruktur zwischen zentraler DV örtlicher DV und den Benutzern. Das Problem einer ausgegliederten EDV wird damit mehr denn je zu einer pragmatischen Frage. Eine Grundsatzfrage ist es kaum.

Peter Lange-Hellwig

Geschäftsführer, Verband Deutscher Rechenzentren e. V., Hannover

Rund 20 Prozent der im Verband Deutscher Rechenzentren organisierten Service-Unternehmen sind ausgegliederte und verselbständigte Töchter ihres größten Kunden, für den sie überwiegend oder doch zum großen Teil die DV-Leistung zur Verfügung stellen. Der Anlaß zur Verselbständigung der RZ-Abteilung mag in vielen Fällen in fiskalischen Überlegungen zu suchen sein, im Nachhinein wird jedoch primär die Kostentransparenz als Folge der Verselbständigung zu Buche schlagen. Dieses Ergebnis trifft besonders auf Kooperations-Rechenzentren zu, die von mehreren Kunden-Gesellschaftern getragene DV-Unternehmen darstellen. Läßt man die psychologischen Barrieren bei der Gründung eines Gemeinschafts-Rechenzentrums außer acht, so dürfte der Rationalisierungseffekt, die Verwirklichung des optimalen Kostendenkens bei der Nutzung von Computerleistungen wohl in dieser Form zu finden sein.

Die Vorteile der Ausgliederung des internen Rechenzentrums überwiegen bei weitem die Nachteile. Als Vorteil ist neben der Kostentransparenz der oft nicht unerhebliche Deckungsbeitrag zu nennen, der dem ausgliedernden Betrieb durch die neue Tochter erwächst. Wir dürfen auch nicht unerwähnt lassen, daß den Mitarbeitern des Rechenzentrums durch Gewinnbeteiligung Anreize geboten werden können, die von weitsichtigen Unternehmensleitungen bei der Ausgliederungsmaßnahme ins Kalkül gezogen werden.

Die Chancen für die Datenverarbeitung außer Haus stehen heute besser denn je: Die Hardware ist so billig geworden daß die Kopflastigkeit von Personalkosten und Software-Anteilen penetrant zutage tritt. Die Auflagen, die uns der Gesetzgeber fast täglich beschert, stellen hohe Anforderungen an den Aktualitätsgrad der DV-Besatzung. Wenn schon DV im eigenen Hause notwendig ist, das heißt die Entscheidung für den gekauften oder angemieteten Computer bereits gefallen ist, warum dann nicht in Multiplikator-Manier das Know-how und die Gesamtleistung des Rechenzentrums am Markt anbieten?

Bei derartiger, rein ökonomischer Betrachtungsweise fallen Nachteile so gut wie nicht an. Es sei denn, Mißmanagement oder das Nichtbeachten wesentlicher Voraussetzungen zur Ausgliederung werden als solche dargestellt.

Voraussetzungen zur Ausgliederung in ein leistungsfähiges DV-Team und eine größere Computer-Anlage, die möglichst dialogfähig sein sollte, die Bereitschaft, mit unkonventionellen Denkmodellen DV-Auswertungen aufzuspüren und anzubieten, die den aktuellen Marktbedürfnissen der Einzelkunden respektive der Branche spezifisch entsprechen. Mit DV-Standards, wie Finanzbuchhaltung, Lohn- und Gehaltsabrechnung, ist mit Sicherheit kein Blumentopf zu gewinnen; hier haben die DV-Dienstleistungsfabriken nicht nur den Rahm abgeschöpft, sondern sich so eingeschlossen, daß auch preislich für den Newcomer kaum noch Raum bleiben dürfte.

Abschließend ein Wort pro domo: DV-Service-Unternehmen, die mindestens zwei Jahre am Markt sind und überwiegend für Dritte Datenverarbeitung außer Haus anbieten, können Mitglied des VDRZ werden. Die Vorteile der VDRZ-Mitgliedschaft sucht der Betreiber eines in-house-computers am Markt vergeblich. Zu nennen sind hier nicht nur Informationen, die durch Betriebsvergleiche und Statistiken erwachsen, der Verband schult die Mitarbeiter seiner Mitgliedsunternehmen ständig in allen Bereichen der DV-Weiterbildung, von Operator-Kursen bis zu Management-Seminaren. Er bietet den Erfahrungsaustausch, die Programm-Informationsbörse, Kooperationsmöglichkeiten, erarbeitet Allgemeine Geschäftsbedingungen und beeinflußt maßgeblich die Gesetzgebung in Bonn und in den Ländern. In jüngster Zeit nimmt er auch Einfluß auf die europäische DV-Entwicklung, zum Beispiel bei den Harmonisierungsbestrebungen der Datenfernverarbeitung, arbeitet eng mit der Bundespost und den zuständigen Bundesministerien zusammen, gibt Promotion durch die Verbandsbeteiligung an Messen und Ausstelluungen und wirkt mit Kostenvergleichen aufklärend der jüngst wahrzunehmenden Hardware-Euphorie entgegen.

Übrigens, der Markt ist keineswegs voll erschlossen. Die Service-Rechenzentren konkurrieren kaum miteinander, sieht man von dem Branchenführer in Nürnberg ab, was dessen Spezialgebiet anbetrifft. Dies hat ein Betriebsvergleich des VDRZ gezeigt. Die stärkste Konkurrenz des Rechenzentrums ist nicht das Rechenzentrum, sondern in vielen Fällen die Mittlere Datentechnik. Dies ist aber keineswegs eine Frage des Kostendenkens, sondern der Aufklärung.