Was sind Verbesserungsvorschläge in der DV wert?

02.11.1979

Während Fachabteilungs-Mitarbeiter für Verbesserungsvorschläge häufig dicke Prämien einstreichen, gehen Datenverarbeiter in der Regel leer aus. "Kreativität gehört zu ihrem Job", meint Ulrich Bünder, DV-Chef bei der Minolta GmbH in Ahrensburg, "und der wird schließlich gut bezahlt." Die Knausrigkeit vieler Firmenchefs und Top-Manager führt Dieter Hartz von der Wiegand Karlsruhe GmbH (Ettlingen) auf ein Mißverständnis zurück. Von den Repräsentanten der Hardware-Hersteller und Softwarehauser werde stets das Bild einer heilen (Computer-)Welt gezeichnet. Ergebnis: Viele halten Verbesserungen durch die DV für etwas ganz Normales. Hartz: "Vor diesem Hintergrund werden Verbesserungsvorschläge natürlich mit Skepsis angesehen." Drei Anwender und IBM äußern sich zu diesem Thema. ha

Ulrich Bünder

EDV-Leiter, Minolta Camera GmbH, Ahrensburg

EDV-Leute müssen meiner Ansicht nach grundsätzlich immer kreativ sein. Verbesserungsvorschläge gehören also zum Job. der schließlich gut bezahlt wird. Diese Feststellung ist sowohl technisch als auch organisatorisch zu sehen.

Da die Datenverarbeitung innerbetrieblich nahezu jeden Bereich in irgendeiner Form berührt, sollten EDVler auch andere Abteilungen mit ihren Ideen abdecken. Wir sehen uns nicht nur als. eine EDV- sondern auch als eine Organisationsabteilung. Verbesserungsvorschläge. die von uns kommen und andere Betriebsteile betreffen, werden nicht honoriert. Außerdem dürfte wohl der weitaus größte Teil der realisierten Ideen nicht in Mark und Pfennig auszudrücken sein. Indirekt werden Verbesserungsvorschläge beispielsweise durch besondere Berücksichtigung bei Beförderungen oder Gehaltserhöhungen natürlich schon berücksichtigt. Die Devise ist allgemein: Ein guter Mitarbeiter ist immer ein kreativer Mitarbeiter. Dies sollte allerdings mit der Größe der Position immer selbstverständlicher werden.

Wir sind ein relativ kleines Unternehmen und sind prinzipiell auf die kreative Mithilfe eines jeden Mitarbeiters angewiesen. Das fängt beim Operator an und hört beim EDV-Chef auf. Bei größeren Unternehmen, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, verläuft es ähnlich.

Ich sehe ein betriebliches Vorschlagswesen im EDV-Bereich durchaus als Zugpferd für Verbesserungsideen an. Die Mitarbeiter werden erfolgreicher motiviert wenn hinter einer außergewöhnlichen Leistung ein größerer Scheck oder eine Reise winkt.

In den Klein- und Mittelbetrieben steckt heute die EDV-Entwicklung noch größtenteils in den Kinderschuhen. Lösungen werden hier nahezu täglich von jedem Mitarbeiter in der Datenverarbeitung verlangt. Der Bürokratismus und Formalismus ist glücklicherweise in kleineren DV-Abteilungen noch nicht so ausgefeilt wie bei den

Großanwendern. Hiermit meine ich unter anderem auch das institutionalisierte Vorschlagswesen.

In Zukunft wird die Kreativität, bedingt durch die Standardisierung von Software und Organisation, vorerst sehr beschränkt und schließlich wahrscheinlich abgebaut werden. Zu diesem Zeitpunkt wird ein Verbesserungsvorschlag, wenn er überhaupt noch möglich ist, als eine Ausnahme wohl auch einmal im DV-Bereich honoriert werden.

Dieter Hartz,

EDV-Leiter, Wiegand Karlsruhe GmbH, Ettlingen

Daß Verbesserungsvorschläge in den DV-Abteilungen meist nicht honoriert werden hat zwei entscheidende Ursachen. Dies sind einerseits die Sprachprobleme zwischen dem, der einen Verbesserungsvorschlag macht und dem, der erkennen soll, daß es sich um eine Verbesserung handelt. Meistens fehlt dem Nicht-EDV-Gesprächspartner das erforderliche DV-Wissen, um zu erkennen, was hinter einer Verbesserung eigentlich steht und was sie schließlich bewirkt. Daraus ergibt sich dann auch das Problem der Quantifizierung. Die Frage ist: Wie kann man eine Verbesserung, die einen positiv veränderten organisatorischen Ablauf innerhalb eines Informationsflusses bewirkt, quantifizieren? Sicherlich merkt der Betrieb. daß ein Arbeitsablauf besser und schneller geworden ist, aber der Erfolg ist eben nicht unmittelbar in Mark und Pfennig darstellbar. Ein weiteres Problem dürfte darin liegen. daß die Präsentation durch den EDV-Bereich gerade in einem kleineren Unternehmen oft nicht ausreichend durchgeführt werden kann. Dem EDV-Personal fehlt hier oft die Möglichkeit, diese Dinge dem Management, das es ja honorieren soll. darzubringen. Sei es, daß von dieser Seite die Präsentationstechnik nicht beherrscht wird oder die Zeit nicht vorhanden ist, sich damit zu beschäftigen. Problematisch scheint auch die Aktivität mancher Beratungsunternehmen zu sein, die mit Brillanz ihre eigenen Erfahrungen und Erfolge darstellen und offen die betriebseigenen EDVler als "ihr Bestes gebende Idealisten" bezeichnen.

Hinzu kommen Softwarehäuser und Hardware-Hersteller, die dem (DV)unwissenden Management immer wieder versichern, wie einfach ein Softwarepaket oder System doch sei, und daß praktisch überhaupt keine Probleme auftreten könnten. Verbesserungsvorschläge werden natürlich vor diesem Hintergrund stets mit zusätzlicher Skepsis angesehen. Denn in einer heilen (Hersteller-)Welt können doch eigentlich keine Probleme entstehen.

IBM Deutschland GmbH, Stuttgart

Über zwei Millionen Mark hat die IBM Deutschland GmbH im Jahr 1978 an Prämien für Verbesserungsvorschläge aufgewendet. Von den 24 449 prämienberechtigten Mitarbeitern haben 5807 IBM-Mitarbeiter in der Bundesrepublik und West-Berlin 14 455 (1977: 12 682) Verbesserungsvorschläge eingereicht. Damit haben sich 23.7 Prozent (1977: 22,8) der prämienberechtigten Mitarbeiter am Betrieblichen Vorschlagswesen beteiligt. Im Oktober 1978 wurde der 200 000ste Verbesserungsvorschlag seit der Einführung des Vorschlagswesens bei der IBM im Jahre 1937 registriert.

Insgesamt konnten im vergangenen Jahr 4254 (1977: 3351) Vorschläge realisiert werden. Die Aufwendungen für Prämien betrugen 2 221 687 Mark, woraus sich eine durchschnittliche Prämie von 522 Mark ergibt.

Nach einer ab Mai 1978 gültigen Regelung erhält jeder IBM-Mitarbeiter 25 Prozent der rechnerisch erfaßbaren Einsparungen des ersten Jahres und zehn Prozent der Einsparungen des zweiten Jahres. Die Prämien für Verbesserungsvorschläge, deren Einsparungen rechnerisch nicht erfaßbar sind, betragen 50 Prozent.

Im Jahr 1978 brachten 1132 Vorschläge bei der IBM Deutschland Einsparungen in Höhe von 5,7 Millionen Mark. Bei den restlichen Verbesserungsvorschlägen konnten die Einsparungen nicht in Mark und Pfennig erfaßt werden. Sie brachten dem Unternehmen und den Mitarbeitern Verbesserungen, weil durch sie die Qualität der Produkte und die Arbeitssicherheit erhöht werden konnten. Vorgänge der täglichen Arbeit und organisatorische Abläufe konnten vereinfacht werden.

Jeder IBM-Mitarbeiter ist angehalten, Verbesserungsvorschläge zu machen. Die Höchstprämie für eine realisierte Verbesserung beträgt derzeit 250 000 Mark, die Mindestprämie 50 Mark. Für deutsche Prämien bis zu 100 000 Mark übernimmt das Unternehmen die Lohnsteuer. Darüber hinausgehende Prämienbeiträge muß der Einreicher versteuern.

Bei mehr als der Hälfte aller angenommenen Vorschläge läßt sich keine Ersparnis errechnen. Da sie dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern jedoch Vorteile erbrachten, wird ihre Prämienhöhe in der Regel mit Hilfe einer Bewertungstabelle ermittelt (in der Regel zwischen 50 bis 300 Mark). Sogenannte Fleißprämien gibt es nicht.

Hartmut G. Schütz

Leiter der Organisation und EDV, Carl Schenk AG, Darmstadt

Verbesserungsvorschläge innerhalb des reinen DV-Bereichs werden in unserem Unternehmen nicht in Form von Zuwendungen honoriert. Es gehört meiner Meinung nach zur normalen Aufgabe eines Programmierers, Systemanalytikers oder Organisators Verbesserungen zu produzieren. Wenn DV-Mitarbeiter positiv verändern, soll es kein Einzel- oder Glücksfall sein, sondern vielmehr tägliche Arbeit. Unter anderem ist es im EDV-Bereich normalerweise sehr schwer, Verbesserungen gezielt zu quantifizieren.

Nur schwerlich kann nachvollzogen werden, wie es gelaufen wäre wenn wir eine bisherige Marschrichtung beibehalten oder nach den zuvor üblichen Regeln weiterprogrammiert hätten. Hier kann man normalerweise nur grob abschätzen. Annähernd wäre eventuell noch der ersparte Zeitwert zu ermitteln, den eine neue Idee einzusparen vermag. Konkret in Minuten Stunden oder Prozenten läßt sich dies natürlich auch nicht ausdrücken. Die Frage ist also: Wo soll der Maßstab angelegt werden? Die Pionierzeit ist innerhalb der meisten EDV-Abteilungen noch nicht abgeschlossen. Man befindet sich noch immer im Aufbau, woraus resultiert, daß Verbesserungen eigentlich an der Tagesordnung sind Häufig stößt man auf die Frage warum bekommen Mitarbeiter aus den Fachabteilungen ihre Verbesserungsvorschläge honoriert - gehört dies nicht ebenfalls zu ihrem Job? Sicherlich, sofern sie in leitender Funktion tätig sind. Aber normalerweise haben diese Vorschläge nicht unmittelbar mit dem direkten Tätigkeitsgebiet des Mitarbeiters zu tun.

Ein weiterer Punkt für die Nichthonorierung von Verbesserungsvorschlägen hängt oftmals damit zusammen, daß das Management von den Datenverarbeitungsproblemen zu wenig oder nichts versteht. Eine echte EDV-Verbesserung vermögen die meisten Führungskräfte also gar nicht zu erkennen. In unserem Haus ist es üblich, daß Verbesserungsvorschläge seitens der Fachabteilungen, die sich auf die Datenverarbeitung beziehen, honoriert werden. Üblich ist auch, daß DV-Mitarbeiter mit ihren Vorschlägen positive Veränderungen in den Fachabteilungen bewirken. Auch in diesem Fall wird eine Geldprämie gezahlt werden. Das Prämien-Maximum in unserem Unternehmen beläuft sich auf etwa 1000 Mark, das Minimum ist ein "Buch".