Gaia-X FAQ

Was Sie zur Europäischen Cloud wissen müssen

25.11.2019
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Dr. Michael Rath ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Informationstechnologie-Recht und Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH mit Sitz in Köln. Zudem ist er Certified ISO/IEC 27001 Lead Auditor. Seine Beratungsschwerpunkte sind das IT-Recht, Datenschutzrecht und der Gewerbliche Rechtsschutz. Dr. Michael Rath ist u.a. Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Recht und Informatik e.V. (DGRI) und akkreditierter Schlichter für IT-Streitigkeiten bei der Schlichtungsstelle der DGRI.
Yvonne Wolski ist Rechtsreferendarin und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Datenschutz- und IT-Recht.
Bundesregierung, Wirtschaft und Wissenschaft arbeiten am Projekt GAIA-X, das auch unter dem Schlagwort Europäische Cloud diskutiert wird. Das müssen Sie jetzt zum Thema wissen.

"Die vernetzte Dateninfrastruktur - Wiege eines vitalen, europäischen Ökosystems" - so heißt es im Untertitel der Informationsbroschüre zum Projekt Gaia-X, herausgegeben vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.

Projekt Gaia-X: Das müssen Sie jetzt über die Initiative zur Europäischen Cloud wissen.
Projekt Gaia-X: Das müssen Sie jetzt über die Initiative zur Europäischen Cloud wissen.
Foto: DesignRage - shutterstock.com

Das Ziel von Gaia-X ist der Aufbau einer Dateninfrastruktur für Europa, also einer Europäischen Cloud, die sich insbesondere durch Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit, Sicherheit und Souveränität auszeichnet. Dadurch soll ein Netzwerk geschaffen werden, in dem Entwickler, Anbieter und Anwender digitaler Produkte und Services Daten sicher und vertrauensvoll verfügbar machen, zusammenführen und teilen können. Auf Basis europäischer Werte sollen insbesondere Datensouveränität, -verfügbarkeit und Innovationen gestärkt werden.

Lesetipp: Stärken und Schwächen der deutschen Cloud-Initiative

Welchen zentralen Vorteil bringt Gaia-X?

Derzeit dominieren amerikanische Unternehmen den Markt. Damit geht die Gefahr der Abhängigkeit von einzelnen Anbietern einher sowie die Unsicherheit darüber, wer wann welchen Zugriff auf die in der Cloud befindlichen Daten hat. Verschärft wird dies noch durch den US Cloud Act, der amerikanischen Behörden den Zugriff auf Daten erlaubt, ohne dass Nicht-US-Bürgern hiergegen ein Rechtsbehelf zur Verfügung stünde. Auch die Vereinbarkeit mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist angesichts der drohenden Millionen-Geldbußen nicht zu vernachlässigen.

Die Datensouveränität steht im Zentrum der Erwägungen um die Europäische Cloud - beziehungsweise dem Projekt Gaia-X. Nach dem Verständnis der Projektinitiatoren ist damit die vollständige Kontrolle über gespeicherte und verarbeitete Daten sowie die unabhängige Entscheidung darüber, wer darauf zugreifen darf, gemeint. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund wachsender internationaler Spannungen und Handelskonflikte. Europa müsse daher digital unabhängig agieren können.

Was ist der größte Kritikpunkt an Gaia-X?

Die Europäische Cloud könnte gerade für deutsche Unternehmen Vorteile mit sich bringen. 75 Prozent der hiesigen Unternehmen nutzen bereits Cloud-Anwendungen. Dabei fällt jedoch auf, dass die Unternehmen oft nicht das komplette Leistungsspektrum in Anspruch nehmen, sondern sich auf gewisse Teilbereiche reduzieren. Grund hierfür ist vor allem die Sorge um Aspekte der Cybersecurity, nämlich unberechtigter Datenzugriff und Datenverlust. Diese haben schon aus Gesichtspunkten der Rechte am geistigen Eigentum und des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen einen abschreckenden Effekt. Dies könnte sich mit steigendem Vertrauen in GAIA-X ändern und so die Digitalisierung in der Wirtschaft vorantreiben.

Einer der größten Kritikpunkte im Zusammenhang mit der Europäischen Cloud ist aber, dass diese in erster Linie der öffentlichen Hand dienen solle. Denn diese sei es, die von den Vorteilen profitiere, indem sie in besonderem Ausmaße Ansprüche an Sicherheit, Verlässlichkeit, Vertrauen und Transparenz in Cloud-Umgebungen stelle, wie sie im Rahmen des Projekts GAIA-X umgesetzt werden sollen.

Ist Gaia-X die "neue" deutsche Cloud?

Die Motive, die für die Entwicklung von Gaia-X ausschlaggebend waren, sind kein neues Phänomen. So gab es in der Vergangenheit bereits Bestrebungen, den bestehenden Bedenken mit einer deutschen Cloud entgegenzuwirken.

Die von T-Systems für Microsoft betriebene Datentreuhand konnte sich jedoch am Markt nicht durchsetzen und wurde 2018 eingestellt. Eine neue deutsche Cloud soll aber ab Ende 2019 von Microsoft direkt angeboten werden und das volle Dienstleistungsspektrum bieten, wobei ausschließlich regionale Rechenzentren genutzt werden sollen. Schutz vor den durch den Cloud Act gewährten Befugnissen bietet diese Lösung jedoch nicht, denn diese gelten unabhängig vom Speicherort der Daten. Entscheidend ist die Zugriffsmöglichkeit durch ein US-amerikanisches Unternehmen.

Wie geht es mit Gaia-X weiter?

Das Projekt Gaia-X wurde Ende Oktober 2019 vorgestellt und steht zurzeit noch am Anfang seiner Umsetzung. Der nächste Schritt ist die Implementierung fester Strukturen durch Gründung einer Organisation mit Rechtsfähigkeit. Dies ist für das Frühjahr 2020 geplant. Dann soll die Europäische Cloud auch einen richtigen Namen bekommen - Gaia-X ist nur ein vorläufiger Projektname.

Für das zweite Quartal 2020 ist die Fertigstellung eines ersten Proof of Concept geplant. Ende 2020 sollen dann bereits erste Anbieter und Anwender live sein. (fm)