Dokumentation der Arbeitszeit

Was sich im Home Office ändert

24.05.2019
Von 
Claudia Knuth ist Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Kanzlei Lutz Abel in Hamburg sowie Dozentin im Bereich Human Resources Management an der Hochschule Fresenius.
Ein EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung sorgt für Aufregung. Stehen jetzt alle Home-Office-Regelungen vor dem Aus? Eine Arbeitsrechtlerin klärt auf.

Am 14. Mai 2019 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Arbeitgeber die Arbeitszeiterfassung ihrer Mitarbeiter umfassend und vollständig sicherstellen müssen. Die Mitgliedstaaten der EU sind angehalten, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit den Arbeitnehmern die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten und die Obergrenze für die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit tatsächlich zugutekommen.

Durch die Verpflichtung zur ausnahmslosen Zeiterfassung könnte die neue Flexibilität im Home-Office und bei der Mobilarbeit stark eingegrenzt werden.
Durch die Verpflichtung zur ausnahmslosen Zeiterfassung könnte die neue Flexibilität im Home-Office und bei der Mobilarbeit stark eingegrenzt werden.
Foto: Antonio.li - shutterstock.com

Das gilt für "alle Arbeitnehmer", auch für Arbeitnehmer im Home-Office oder während der Mobilarbeit. Der EuGH hat die Verpflichtung zur vollständigen Arbeitszeiterfassung - entgegen der Schlussanträge des Generalanwalts - auf alle Arbeitnehmer ausgedehnt. Durch die Verpflichtung zur ausnahmslosen Zeiterfassung könnte die neue Flexibilität im Home-Office und bei der Mobilarbeit stark eingegrenzt werden. Nach bisherigen Arbeitszeitrecht (Paragraf 16 Absatz 2 Arbeitszeitgesetz) waren grundsätzlich nur die Überstunden und Mehrarbeit sowie Sonn- und Feiertagsarbeit zu erfassen. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH ist diese gesetzliche Regelung nun dahingehend auszulegen, dass sich die Dokumentationspflicht ab sofort auf die gesamte Arbeitszeit erstreckt.

Flexible Arbeitszeitmodelle müssen überdacht werden

Das wird gerade im Home-Office und bei der Mobilarbeit keine einfache Umsetzung. Arbeitgeber müssen bestehende Zeiterfassungssysteme gegebenenfalls ändern. Sofern eine Betriebsregelung zur Arbeitszeit vereinbart ist, besteht vielleicht Anpassungsbedarf. Flexible Arbeitszeitmodelle - wie zum Beispiel Vertrauensarbeitszeit - müssen möglicherweise neu durchdacht werden, vom bürokratischen Aufwand einmal abgesehen.

Online-Zeiterfassungen für die Dokumentationspflicht

Nach dem EuGH müssen Arbeitgeber ein "objektives, verlässliches und zugängliches System" zur Arbeitszeiterfassung einführen. Neben der herkömmlichen Stechuhr können Unternehmen elektronische Zeiterfassungsprogramme verwenden, eine einfache Excel-Tabelle oder auch ein Blatt Papier. Die letzten beiden Formen der Zeiterfassung sind jedoch aufwendig, fehleranfällig und intransparent.

Denn auch die Arbeitskultur verändert sich zunehmend: Wer im Wettkampf um die besten Fachkräfte mithalten möchte, benötigt flexiblere Arbeitsformen. Diese sind aber ohne technische Unterstützung kaum noch effizient zu verwalten. Daher ließen sich für die Dokumentationspflicht auch Online-Zeiterfassungen einsetzen, die auf dem PC oder als App auf dem Diensthandy installiert werden. Entscheidend ist nur, dass die Firma die Erfassung den Aufsichtsbehörden jederzeit zugänglich macht.

Zeiterfassung kann an Arbeitnehmer delegiert werden

Auch wenn die Arbeitszeit ab sofort vollständig zu dokumentieren ist, wird es - nach derzeitiger Rechtslage - weiterhin möglich sein, die Zeiterfassung an den Arbeitnehmer zu delegieren. Dem Arbeitgeber obliegt zwar die Verantwortung dafür, dass die Aufzeichnungspflicht ordnungsgemäß erfüllt wird, in welcher Weise dies umgesetzt wird, schreibt das Arbeitszeitgesetz aber (noch) nicht vor. In diesem Fall muss der Arbeitgeber allerdings durch geeignete organisatorische Maßnahmen (zum Beispiel Stichproben) sicherstellen, dass die Arbeitnehmer seiner Anweisung auch tatsächlich nachkommen.