Gipfelgespräch

Was SAP und Munich RE sich zu sagen haben

04.09.2017
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Verhältnis zu SAP wird neu sortiert

Und was bedeutet das für Ihr Verhältnis zu SAP?

Frank: Hier versuchen wir auch, unser Geschäftsverhältnis zur SAP neu zu sortieren - von einem relativ klar gesetzten Lieferanten von Standardsoftware im Back-Office hin zu mehr Unterstützung für die Themen der Zukunft. Unser Back-Office ist mittlerweile einigermaßen aufgeräumt und die großen Konsolidierungsaktivitäten sind weitgehend erledigt.

Jetzt stellt sich für uns eher die Frage: Wie bewerkstellige ich End-to-end einen Durchstich zu neuen Geschäftsmöglichkeiten - die sich aber natürlich auch im Backend widerspiegeln müssen. In der Versicherungs- und der Rückversicherungsbranche lässt sich nur Geld verdienen, wenn es End-to-end passt und wir unsere Themen langfristig und regulationsgetreu betreiben können. Von daher ist für uns eine Strategie, schnell mal was ausprobieren, immer ein bisschen schwierig.

Für die zwei Unternehmen SAP und Munich Re ist nun die Frage, wie definieren wir zukünftig unsere Geschäftsbeziehung, denn die der Vergangenheit hat sich ein Stück weit geändert.

Holz: Wir kommen wie unsere Kunden aus einer Situation, in der man in den vergangenen Jahren die Geschäftsprozesse neu aufgesetzt und die Back-Office-Abläufe optimiert hat. Der gesamte Markt bewegt sich jetzt aber in eine völlig neue Richtung. Nach außen orientiert, neue Geschäftsprozesse, Innovationen und neue Geschäftsmodelle werden entwickelt. Es geht darum, diese dann dadurch effizient umzusetzen, dass man die volle Transparenz und Durchgängigkeit in einem integrierten System hat.

Das sind die Anforderungen, die von vielen Kunden an uns herangetragen werden. Wir glauben, diese Anforderungen recht gut bedienen zu können: Offene Architekturen, Cloud-Lösungen, hybride Landschaften und eine Plattform für Innovation. Es ist wichtig, dass wir unseren Kunden diese Plattform bieten. Damit können sie ihr Back-Office öffnen und zugänglich machen für neue Geschäftsfelder. Das funktioniert nur über eine Plattform, die mit offenen Standards arbeitet, und es so ermöglicht, schneller neue Applikationen an den Start zu bringen.

Auch für den größten deutschen Softwarehersteller SAP ändert sich das Business massiv. Das klassische Geschäft mit Lizenzen und Wartung, mit dem die Walldorfer in den vergangenen Jahrzehnten viel Geld verdient haben, neigt sich dem Ende zu. Stattdessen sind heute Cloud-basierte Abo-Modelle gefragt.
Auch für den größten deutschen Softwarehersteller SAP ändert sich das Business massiv. Das klassische Geschäft mit Lizenzen und Wartung, mit dem die Walldorfer in den vergangenen Jahrzehnten viel Geld verdient haben, neigt sich dem Ende zu. Stattdessen sind heute Cloud-basierte Abo-Modelle gefragt.
Foto: SAP AG / Stephan Daub

Frank: Für uns war das ein entscheidender Punkt in der Entwicklung der Geschäftsbeziehung. Als wir unser Back-Office mehr oder weniger durchkonsolidiert hatten, haben wir feststellen müssen, dass die gemeinsamen Aktivitäten abgenommen haben - weil schlichtweg weniger zu tun war - außer immer mal wieder ein Release-Upgrade einzuspielen. Ansonsten hatten wir hinsichtlich nach vorne gerichteter gemeinsamer Aktivitäten nicht mehr so viel auf unserem Bildschirm. Das hat sich geändert, seitdem SAP ihr HANA stärker in den Vordergrund stellt, und wir erkannt haben, dass es an dieser Stelle durchaus einige Paradigmenwechsel geben wird. Wir haben uns damals frühzeitig dazu entscheiden, mit auf dieses Zug mit aufzuspringen.

Produkte reichen nicht mehr

Was waren genau die Gründe?

Frank: Wir haben geglaubt, dass HANA eine sehr vielversprechende Technologie wird. Wir hatten auch das Vertrauen, dass sich das letztendlich am Markt durchsetzt. Doch es haben sich darüber hinaus eine ganze Reihe von interessanten neuen Punkten entwickelt. Design Thinking war so eine Sache, die wir hier bei MunichRe gemeinsam mit SAP ausprobiert haben - mit dem HPI (Hasso-Plattner-Institut) zusammen. Es gibt also viele neue Möglichkeiten, partnerschaftliche Aktivitäten aufzusetzen.

Das ist wichtig, weil wir natürlich auch aus unserem Haus und von außen immer stärker den Druck verspüren, uns in den neuen veränderten Rahmenbedingungen zurechtzufinden. Daher verändert sich aus meiner Perspektive auch ein Stück weit die Rolle des Dienstleisters dahingehend, dass es nicht mehr reicht, ein Produkt anzubieten, das wir nützen können, um eines unserer internen Probleme zu lösen. Es geht vielmehr darum, gemeinsam zu eruieren, was denn die nächsten Möglichkeiten sind, und dann eine Rollenteilung zu finden, um gemeinschaftlich an diesen Erfolgen teilhaben zu können.

Ist SAP damit gefordert, die technischen Software-Innovationen stärker auch ins Business zu übersetzen?

Frank: Natürlich werden SAP und andere Softwaredienstleister unsere geschäftlichen Herausforderungen nicht lösen können. (an Holz gerichtet) Ich gehe nicht davon aus, dass Sie uns genau erzählen können, wie wir in Zukunft unser Geschäft machen sollten, um erfolgreich zu sein.

Holz: Das ist nicht unsere Expertise.

Frank: Das ist die Frage nach der Definition unseres Verhältnisses aktuell: Wie können wir gemeinsam unsere Kräfte bündeln, um erfolgreich mit neuen Initiativen zu sein. Da stecken wir momentan noch in einer Phase, in der wir untersuchen, wer kann was zur Lösung beitragen. Und der fast noch entscheidendere Teil dabei ist zu verstehen, wie kann man das dann gemeinsam angehen. Zu warten, dass uns die SAP sagt, was wir tun sollen, funktioniert nicht. Wir können aber auch der SAP nicht genau sagen, was wir erwarten - sonst wüssten wir ja die Lösung schon. Es ist also die Frage: Wie bringt man die einzelnen Potenziale so zusammen, das etwas Besseres daraus entsteht und man auch noch eine Möglichkeit findet, gemeinsam geschäftlich erfolgreich zu sein.

Holz: Und Sie haben außerdem auch noch die Herausforderung, immer stärker die Fachabteilungen mit einbinden zu müssen. Ein gutes Vehikel dafür sind die Design Thinking Workshops auch im SAPApp Haus, in dem wir mit kreativen Entwicklungsansätzen intensiv mit den Kunden an neuen Lösungen arbeiten. Damit stellen wir neben den reinen Softwarelösungen, den Kunden auch Methoden zur Verfügung, wie man interdisziplinär zusammenarbeiten kann. Ich glaube, dass dies ein wichtiger Schlüssel ist.

Sie hatten es ja auch angesprochen: Es geht sehr stark um Two-Speed-IT: Zum einen, um sicheres und stabiles Backend, und zum anderen, Innovationen voranzutreiben. Wir haben uns gefragt: Wie können wir unsere Kunden auf diesem Weg optimal unterstützen? Dabei ist Design Thinking sicher ein sehr guter Weg, um Fachabteilungen und IT zusammenzubringen.

IT auf neuen Wege - von einer Service- zu einer Geschäftsorganisation

Frank: Für mich ist vor allem eines entscheidend: Als Unternehmen sehen wir uns Veränderungen ausgesetzt und müssen Wege finden, um mit den damit verbundenen Herausforderungen zurecht zu kommen. Aber auch für die IT im Haus sehen wir, dass die alte Rolle nicht mehr die ist, die wir haben wollen und langfristig haben können. Wir müssen als IT neue Wege finden: Wie bringen wir neue Technologie ins Haus? Wie erklären wir den Kollegen auf der Geschäftsseite, welche Auswirkungen und Potenziale dahinter stecken? Und wie können wir das nutzen?

Direkt daran knüpft ein weiterer wichtiger Punkte an: Wir müssen auch in der Lage sein, wirklich zu liefern. Es geht also darum, Ergebnisse zu erzielen, und geschäftsrelevante Aktivitäten zu betreiben, die man gemeinsam mit dem Business unterstützt. Das ist der Punkt: Wir müssen uns intern von der Service-Organisation hin zu einer Geschäftsorganisation entwickeln. Man kann sich natürlich fragen: Wo lassen sich hier überhaupt noch exakt Grenzen zum Geschäft ziehen. Wir sehen es immer mehr, dass wir uns um inhaltliche Thermen, und die Kollegen auf der Business-Seite umgekehrt immer mehr um IT-Themen kümmern müssen.

Und das funktioniert?

Frank: In nicht miteinander kommunizierenden Silos mittelfristig sicher nicht. Man muss sich gegenseitig einigermaßen gut versehen. Ich glaube, diese Änderung zu begleiten, darin liegt die Herausforderung, aber auch die Chance für Software- oder Technologiedienstleister. Sie müssen verstehen lernen, wie sich die Rolle von IT in den Anwenderunternehmen ändert, wie sich die Rollen in der Organisation wandeln und wie man dann gemeinsam diese Transformation gestalten kann.

Wie weit sehen Sie sich auf diesem Weg. Es gab ja zuletzt bei Munich Re einige Veränderungen im Management. Wird das ganze jetzt auch stärker von der Firmenspitze her getrieben?

Frank: Das Thema Innovation ist schon seit drei, vier Jahren auf der Vorstandsebene sehr präsent. Wir haben viel getan, um einen kulturellen Wandel im Haus zu befördern. Auch weil man an dieser Stelle eine andere Denke braucht, um in neuen Geschäftsfeldern aktiv und erfolgreich zu sein. Wir sehen natürlich auch als IT den wachsenden Druck und betreiben unsere Repositionierung. Das wurde durch den Kollegen Johnson (Robin Johnson ist seit April 2017 neuer CIO bei der Münchener Rück, Anm. d. Red.), der hier auch sehr viel Erfahrung hat, noch einmal beschleunigt. Wir sind jetzt an dieser Stelle noch ein Stückchen konsequenter und mit mehr Durchschlagskraft unterwegs.

Doch der Wechsel, für uns als interne Organisation aus einer lange gelebten Servicedenke herauszukommen und in einen Modus als integraler Bestandteil innovativer Lösungen einzuschwenken, das ist ein weiter Weg. Wir geben uns sehr viel Mühe und haben sicher auch einige Achtungserfolge erzielt. Aber das ganze wird durch einen solchen Wechsel und eine solche Personalie sicher noch einmal stärker forciert. Von daher bin ich eigentlich optimistisch, dass wir auf dem Weg, den wir bereits eingeschlagen haben, noch deutlich Fahrt aufnehmen können.