Cybervorfälle und Betriebsunterbrechungen

Was Risikomanagern Albträume bereitet

25.01.2023
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Lahmgelegte IT-Systeme und Stillstand im eigenen Geschäftsbetrieb – davor haben die Risk-Manager weltweit laut einer Allianz-Umfrage am meisten Angst.
Die Zeiten sind zum Fürchten - doch die Risk-Manager in den Unternehmen dürfen sich nicht bange machen lassen.
Die Zeiten sind zum Fürchten - doch die Risk-Manager in den Unternehmen dürfen sich nicht bange machen lassen.
Foto: Toma Stepunina - shutterstock.com

Risiko-Manager sorgen sich am meisten wegen möglichen Cybervorfällen und Betriebsunterbrechungen. Das ergab das bereits zum 12. Mal erhobene "Allianz Risk Barometer" von Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS). Dafür hat der Versicherer 2.712 Risikomanagement-Experten in 94 Ländern befragt, darunter CEOs, Risk-Manager und Versicherungsexperten.

Gut ein Drittel der Befragten nannte Cybervorfälle und Betriebsunterbrechungen als die größten Risiken für ihr Unternehmen. Damit landen beide Faktoren wie schon im Vorjahr ganz vorne im Ranking der größten Bedrohungen. Einen großen Sprung von Platz 10 auf den dritten Rang machte mit einem Viertel der Nennungen die Sorge vor negativen makroökonomischen Entwicklungen wie einer möglichen Rezession oder der in vielen Ländern grassierenden Inflation.

Angst vor Pandemien und Corona schwindet

Der höchste Neueinstieg auf Platz 4 betrifft die anhaltende Energiekrise (22 Prozent). Fünftgrößte Bedrohung sind aus Sicht der Betriebe ständige Veränderungen in den rechtlichen Rahmenbedingungen (19 Prozent). Andere Herausforderungen rücken dagegen in den Hintergrund. Naturkatastrophen rutschen vom dritten auf den sechsten Platz ab. Für den Klimawandel geht es um einen Rang von sechs auf sieben nach unten. Die Sorgen um den Ausbruch von Pandemien, seit der Corona-Krise immer ganz vorne im Risikobarometer mit dabei, rutschte sogar ganz aus den Top Ten heraus und liegt nur noch auf Rang 13.

Weltweit liegen Cybervorfälle und die Angst vor Betriebsausfällen gleichauf ganz vorne im Risk-Ranking.
Weltweit liegen Cybervorfälle und die Angst vor Betriebsausfällen gleichauf ganz vorne im Risk-Ranking.
Foto: Allianz / AGCS

"Die Unternehmen - vor allem in Europa und den USA - machen sich Sorgen über die 'Permakrise', die aus den Nachwehen der Pandemie und den wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen des anhaltenden Krieges in der Ukraine resultiert", kommentiert Joachim Müller, CEO von AGCS, die Ergebnisse der jüngsten Umfrage. Er bezeichnet die aktuelle Lage als einen Stresstest für jedes Unternehmen.

Große Gefahren durch Ransomware und Staats-Hacker

Nach Einschätzung des Allianz Cyber Center of Competence müssen Betriebe weltweit auch im laufenden Jahr mit häufigen Ransomware-Angriffen rechnen. Dazu komme, dass die durchschnittlichen Kosten einer Datenpanne mit 4,35 Millionen Dollar so hoch seien wie nie zuvor und 2023 sogar die Fünf-Millionen-Schwelle überschreiten könnten. Der Konflikt in der Ukraine und weitere geopolitische Spannungen erhöhten zudem das Risiko eines groß angelegten Cyberangriffs durch staatlich geförderte Akteure. Hinzu komme ein zunehmender Mangel an Fachkräften für Cybersicherheit.

Die Schadensfälle in der Cyberversicherung blieben auf einem hohen Niveau, sagte Shanil Williams, AGCS-Vorstandsmitglied und Chief Underwriting Officer Corporate. Große Unternehmen seien zwar mittlerweile daran gewöhnt zur Zielscheibe werden, und diejenigen, die über ein angemessenes Niveau an Cybersicherheit verfügen, könnten die meisten Angriffe abwehren. "Zunehmend sind aber auch kleine und mittlere Unternehmen betroffen", so Williams. "Diese neigen dazu, ihre Gefährdung zu unterschätzen und sollten kontinuierlich in die Stärkung ihrer Cyberabwehr investieren."

Cyberangriffe sind die von den Unternehmen am meisten gefürchtete Ursache für Betriebsunterbrechungen (45 Prozent der Antworten), gefolgt von der Energiekrise (35 Prozent) und Naturkatastrophen (31 Prozent). Ein weiteres Störszenario ist die globale Rezession. Durch die wachsende Zahl von Betriebsinsolvenzen drohten Lieferantenausfälle und damit Unterbrechungen im eigenen Geschäftsbetrieb. Allianz Trade erwartet, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2023 um 19 Prozent ansteigen wird.

2023 - ein Jahr zum Vergessen

"Alle drei großen Wirtschaftsräume - die Vereinigten Staaten (USA), China und Europa - befinden sich gleichzeitig in einer wirtschaftlichen Krise, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen", konstatiert das Team von Allianz Research, das für 2023 eine Rezession in Europa und den USA prognostiziert. Als besonders besorgniserregend bezeichnen die Marktbeobachter die Inflation, da sie die Preisstruktur und die Margen vieler Unternehmen auffresse. Die Zentralbanken zögen überschüssige Liquidität aus dem System ab und selbst in historisch liquiden Märkten gingen die Handelsvolumina zurück. "Rein wirtschaftlich gesehen dürfte es für viele Haushalte und Unternehmen buchstäblich ein Jahr zum Vergessen werden", warnt Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Allianz.

Die deutschen Risk-Manager fürchten sich mehr vor Betriebsunterbrechungen. Cyberangriffe folgen auf Platz 2.
Die deutschen Risk-Manager fürchten sich mehr vor Betriebsunterbrechungen. Cyberangriffe folgen auf Platz 2.
Foto: Allianz / AGCS

Angesichts der ökonomischen Turbulenzen wächst auch die Angst vor politischen Konflikten und sozialen Unruhen. Politische Risiken und Gewalt stehen erstmals unter den Top-10-Risiken auf Platz 10 (13 Prozent). Neben Krieg befürchten die Unternehmen auch zunehmende Störungen durch Streiks, Aufstände und Unruhen, etwa angeheizt durch die hohen Lebenshaltungskosten in vielen Ländern.

Hoffnungsschimmer: Resilienz wird besser

Allen Krisen zum Trotz sehen die Allianz-Ökonomen aber auch einen Hoffnungsschimmer. "Als Versicherer stellen wie bei vielen unserer Kunden kontinuierliche Verbesserungen in Sachen Resilienz und Risikomanagement fest", sagte AGCS-Chef Müller. Die Betriebe hätten ihre Lieferketten robuster aufgestellt, seien besser gewappnet gegen Unterbrechungen ihres Geschäftsbetriebs und hätten ihre Cyberkontrollen ausgebaut. "Widerstandsfähiger zu werden und Risiken besser zu managen, war für viele Unternehmen eine zentrale Aufgabe in den vergangenen Jahren."

Auch Chefvolkswirt Subran sieht keinen Grund zu verzweifeln. "Die mittelfristigen Aussichten sind trotz der Energiekrise deutlich besser." Der Ökonom rechnet mit einem forcierten Umbau der Wirtschaft in Richtung Dekarbonisierung sowie einem erhöhten Risikobewusstsein in allen Teilen der Gesellschaft. Das stärke wiederum die soziale und wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit. Außerdem profitierten Millionen von Sparern von der Zinswende.