Scheinselbständigkeit vermeiden

Was nun, Freelancer oder Mitarbeiter?

30.09.2020
Von 
Maximiliane Piontek ist Pädagogin (Erziehungswissenschaft B. A.) und freie Mitarbeiterin der Redaktion Computerwoche.
Geht es um Scheinselbständigkeit, fordert der Arbeitsrechtsexperte Markus Stoffels eine eindeutige rechtliche Abgrenzung zwischen festen und freien Mitarbeitern. In einem Gutachten gibt er drei Empfehlungen, wie die bestehende Grauzone umgangen werden kann.
Freiberufler oder Mitarbeiter? Scheinselbständigkeit birgt nicht nur juristische Risiken, sondern bremst auch die digitale Transformation aus. Lesen Sie, wie sich das ändern könnte.
Freiberufler oder Mitarbeiter? Scheinselbständigkeit birgt nicht nur juristische Risiken, sondern bremst auch die digitale Transformation aus. Lesen Sie, wie sich das ändern könnte.
Foto: Andrii Yalanski - shutterstock.com

Am Beispiel von IT-Freelancern erarbeitete Markus Stoffels, Professor an der Universität Heidelberg, eine mögliche Einordnung von festangestellten Mitarbeitern und Selbstständigen. Der Status von qualifizierten IT-Spezialisten ist in vielen Firmen ein Streitthema, da sie in diesem Bereich besonders häufig projektbezogen eingesetzt werden. Die Experten selbst verstehen sich oft als Selbstständige, da ihr Auftrag nach Fertigstellung beendet ist. Die Auftraggeber gehen dabei teilweise ein rechtliches Risiko ein, da diese freiberuflichen IT-Projektarbeiter als festangestellte Mitarbeiter gesehen werden, das ist insbesondere bei langfristigen Projekteinsätzen der Fall.

"In der Praxis verursacht die Unsicherheit der Abgrenzung von festangestellten und freien IT-Mitarbeitern immense Probleme bei der Finanzierung und Umsetzung von IT-Projekten. Wichtiges Know-how von selbstständigen IT-Experten kann nicht genutzt werden und die digitale Transformation von Wirtschaft und Verwaltung wird ausgebremst", so Lisa Allegra Markert, Referentin Arbeitsrecht und Arbeit 4.0 beim Bitkom.

Scheinselbständigkeit vermeiden: Reformvorschläge

In seinem Rechtsgutachten erarbeitete Stoffels vorerst die bestehenden Probleme und empirischen Daten sowie die Folgen der Rechtsformverfehlung. Zum Abschluss erarbeitete er drei Reformvorschläge am Beispiel der IT-Freelancer, wie mit den genannten Risiken umgangen werden könnte. Das Rechtsgutachten in voller Länge steht hier als Download bereit.

1. Arbeitnehmerbegriff vereinheitlichen

Ein Stolperstein ist die rechtliche Differenz zwischen der arbeitsgerichtlichen und der sozialgerichtlichen Rechtsprechung. Der in § 611a BGB vorausgesetzte Begriff des Arbeitnehmers und der sozialversicherungsrechtliche Beschäftigtenbegriff (§ 7 SGB IV) sind dem Wortlaut nach nicht deckungsgleich. Stoffels fordert, dass das Sozialversicherungsrecht dem Arbeitsrecht folgen sollte, um so eine Angleichung der Begriffe zu erreichen.

2. Positivkriterien zugunsten von IT-Experten

Sollten die beiden Begriffe des Arbeitnehmers und des Beschäftigten weiterhin bestehen bleiben, könnte der Gesetzgeber durch bestimmte Kriterien Rechtssicherheit erhöhen. Stoffels sieht eine Ausnahmeregelung für IT-Berater vor. Abgesehen davon, dass das Risiko der Scheinselbständigkeit sich lähmend auf die Innovationsgeschwindigkeit der Wirtschaft auswirkt und der Digitalisierungsoffensive zuwider läuft, benötigen vor allem sie eine arbeits-und sozialversicherungsrechtlichen Absicherung. Solche Positivkriterien könnte eine Verdienstgrenze, der Nachweis einer Altersvorsoge, eine Gewerbeanmeldung oder die Erbringung von Diensten höherer Art (in Anlehnung an § 627 BGB) sein.

3. Statusfeststellungsverfahren überarbeiten

Um Mitarbeiter als abhängig Beschäftigte oder selbständig Tätige zu identifizieren, sollte das dafür wichtige Verfahren reformiert werden. Die derzeitige Version weist einige Defizite auf. In einer überarbeiteten Form könnten nicht nur der Status der Beschäftigung, sondern auch die Werk- und Dienstverträge ausdifferenziert werden.