Softwareentwickler verstehen

Was Nerds wollen

26.09.2017
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Benny Neugebauer hat Informatik an der Fachhochschule Brandenburg studiert, als Werkstudent bei datango gearbeitet und beim Spieleentwickler Gameduell angeheuert. Darüber hinaus wurde er drei Jahre in Folge von Microsoft zum "Most Valuable Professional" gewählt und zählt auf Stack Overflow, dem vielleicht weltweit größten Fragen-Antwort-Portal für Entwickler, basierend auf Bewertungen zu den hilfreichsten 0,7 Prozent aller angemeldeten Nutzer. Heute ist er Entwicklungschef bei Wire. Das Kommunikationsunternehmen hat seinen Unternehmenssitz in Zug (Schweiz), der Entwicklungsstandort ist Berlin.
Arbeitgeber suchen händeringend nach Entwicklern. Viele Unternehmen haben aber noch nicht begriffen, wie diese Berufsgruppe anzusprechen ist. Ein Insider gewährt Einblick in das Arbeitsleben so eines Nerds.

Wenn andere Kollegen in den Urlaub fahren, nehmen Nerds vorzugsweise gerne an Meetups und Usergroups teil. Das sind Treffen mit Gleichgesinnten, bei denen Freiwillige kurze Vorträge halten. Diese beinhalten meist eigene Programmierlösungen, die für die Allgemeinheit nützlich sein könnten, oder es wird über die neuesten Programmiertrends berichtet.

Hoch oben auf der Beliebtheitsskala stehen auch Konferenzen und Workshops für Webentwickler, wie die JSConf EU, WWDC, Smashing Conference oder Lissabons Web Summit. Darüber hinaus sind Hackathons ebenfalls sehr beliebt. Meist nehmen dort erfahrene Entwickler und Designer teil, um ihr Können unter Beweis zu stellen.

Unternehmen sind gut beraten, wenn sie den Nerds von heute und morgen fachliche Weiterentwicklungsmöglichkeiten, flexible Arbeitszeiten, moderne Technologien und ein angenehmes Arbeitsumfeld bieten.
Unternehmen sind gut beraten, wenn sie den Nerds von heute und morgen fachliche Weiterentwicklungsmöglichkeiten, flexible Arbeitszeiten, moderne Technologien und ein angenehmes Arbeitsumfeld bieten.
Foto: Ollyy - shutterstock.com

Einige meiner Kollegen haben vor wenigen Monaten bei einem Hackathon der Deutschen Bank teilgenommen, das über 42 Stunden ging. Unsere Programmieridee, die dann umgesetzt wurde, war ein persönlicher Finanzmanager. Nächtelang mit der Maus, Tastatur und dem Headset im Web unterwegs? Ja, die Nacht eines Nerds kann schon mal länger gehen und gerade solche Hackathons die meist über 24 oder 48 Stunden gehen, gehören zum Standard. Developer sind schwer vom Bildschirm wegzukriegen, denn wenn sie nicht gerade coden, bilden sie sich mit Online-Tutorials oder Blogs weiter.

Große Firmen wie Google und Microsoft haben Mitarbeiter, die auf Twitter und anderen Kanälen über die neuesten Trends berichten. Diese Job- Position nennt sich "Developer Evangelist". So twittern etwa Mathias Bynens oder Addy Osmani von Google über Neuheiten aus der Szene, von denen man sich einiges abschauen kann.

Flexible Arbeitszeiten

Wenn die IT-Spezialisten erst gegen Mittag ins Büro kommen und ihnen die Müdigkeit ins Gesicht geschrieben steht, sollten Arbeitgeber diesbezüglich feinfühlig sein und flexible Arbeitszeiten ermöglichen. Nerds sind Optimierer mit Expertenwissen: Sie hinterfragen viele Prozesse und versuchen diese zu automatisieren. Diese Eigenschaft sollten Unternehmen sich zunutze machen und die Entwickler bei Besprechungen fernab der Entwicklungsumgebung integrieren.

Außerdem bestechen Nerds durch eine extrem hohe Auffassungsgabe. Sie erkennen schnell Zusammenhänge und analysieren diese. Nerds sind zudem Autodidakten und arbeiten sehr bedacht und detailorientiert. Inzwischen sind die ehemals belächelten Keller-Programmierer gefragte Experten für ihre Unternehmen geworden.

Kellerräume sind out, Open-Space-Büros sind in. Was viele Startups schon beherzigen, kommt bei zahlreichen Unternehmen noch zu kurz. Große, helle Räume mit hohen Decken bieten viel Platz zum Denken. Wichtig sind aber auch Rückzugsmöglichkeiten, damit Entwickler komplexe Denkstrukturen für sich durchgehen können, ohne dass Kollegen die Produktivität stören.

Als Unternehmen empfiehlt es sich, Entwickler zu fragen, wie und mit welchem Rechner sie arbeiten wollen. Windows oder Mac, klein oder groß - jeder Entwickler hat seine eigene bevorzugte Plattform auf der gearbeitet wird. Außerdem sollte ein stabiles WLAN-Netz vorhanden sein, denn nichts nervt Nerds mehr als ständige Verbindungsabbrüche.

Damit sie nicht verdursten, sollte für ausreichend Kaffee und natürlich Mate- Getränke gesorgt sein. Das Traumbüro eines jeden Nerds befindet sich übrigens in San Francisco, wo sich Unternehmen wie GitHub an den Bedürfnissen und Wünschen der Arbeitnehmer ausrichten. Aber auch Berlin entwickelt sich mehr und mehr zum Silicon Valley Europas, was nicht zuletzt an den vielen Startups liegt, die hier ihr Zuhause gefunden haben. Man nennt die Großstadt deshalb schon liebevoll "Silicon Allee".

Tools für das Entwicklerherz

Das liebste Tool eines jeden Entwicklers ist vermutlich die Konsole beziehungsweise das Terminal-Platz für 80 weiße Zeichen in der Breite und ein schwarzer Hintergrund. Das beste: Dieses Programm gehört zum Standard eines jeden Betriebssystems. Mit dem Webbrowser ist auch einiges möglich: Googles Chrome DevTools ermöglichen direkt im Browser zu entwickeln und dabei gleichzeitig YouTube-Videos zu schauen, auf Wikipedia zu surfen oder Soundcloud zu hören.

Ansonsten gehören Sublime Text, Microsofts Visual Studio Code und IntelliJ IDEA zu den beliebtesten Software-Werkzeugen. Jedoch sollten Unternehmen in Abstimmung mit den Entwicklern ein Software-Budget festlegen, damit auch die individuellen Bedürfnisse befriedigt werden.

Sind Nerds die nächsten Super-Heroes?

Viele Entwickler, die einen gewissen Berühmtheitsgrad in der Szene erlangt haben, haben inzwischen Superhelden-Status erreicht. Einer davon ist Robert C. Martin. Er hat das Buch "Clean Code" geschrieben. Ein besonderes Highlight war, dass Brendan Eich, der Erfinder von JavaScript einen Artikel zur nativen Entwicklung mit JavaScript gelesen und auf Twitter ge-retweetet hat.

Mit bekannten Größen über das Internet in Kontakt zu treten, auch wenn es nur der digitale Austausch ist, bedeutet Nerds sehr viel. Auch wenn es IT-Größen in der Branche bereits zu einem gewissen Bekanntheitsgrad geschafft haben, so steht die nächste Nerd-Generation in den Startlöchern.

Unternehmen sind gut beraten, wenn sie den Nerds von heute und morgen fachliche Weiterentwicklungsmöglichkeiten, flexible Arbeitszeiten, moderne Technologien und ein angenehmes Arbeitsumfeld bieten. Dann können aus ganz normalen Nerds auch Superhelden werden.