Was Mittelständler für ihre Mitarbeiter tun

09.05.2012
Im Kampf um IT-Fachkräfte müssen sich Arbeitgeber anstrengen, um Talenten ein attraktives Arbeitsumfeld zu bieten. Drei mittelständische IT-Unternehmen verraten, wie sie Mitarbeiter gewinnen und langfristig halten.

Gestern noch sahen es Führungskräfte als ihre Aufgaben an, die Arbeit der Kollegen zu kontrollieren, dafür Prozesse aufzusetzen und die Produktivität jedes Einzelnen genau nachzuverfolgen. Heute strengen sich Unternehmen an, ihren IT-Mitarbeitern und vielversprechenden Kandidaten ein attraktives Arbeitsumfeld zu bieten. Gerade mittelständische Betriebe müssen im heiß umkämpften IT-Bewerbermarkt neue Strategien entwickeln, um die dünn gesäten Spezialisten für sich zu interessieren.

Das Münchner Beratungs- und Systemhaus Pentasys etwa bemüht sich so früh wie möglich um ein gutes Verhältnis zu Jobsuchenden. "Wir bewerben uns letztlich ja auch beim Bewerber", sagt Martin Lehnert, Leiter des Personal-Managements. "Uns ist es wichtig, dass sich die möglichen neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Anfang an gut begleitet fühlen und ein Bewerbungsgespräch auch als wirkliches Gespräch und nicht als Verhör erleben." Zudem sei es wichtig, auf die Vorstellungen des Bewerbers einzugehen. "Konkret bedeutet das: Wir fragen den Kandidaten beim Erstkontakt nach seinen Erwartungen an den Bewerbungsprozess, an seine künftige Position und an das Unternehmen", so Lehnert.

Coaching statt Kontrolle

Ralf Hertneck, Geschäftsführer des CRM-Dienstleisters Anywhere24, bringt es auf den Punkt: "Wir sind keine Kontroll-Freaks und machen bewusst auf Mitarbeiterebene kein übertriebenes Controlling. Das Gefühl muss passen und das Gesamtergebnis stimmen. Unser Ansatz ist das Coaching der Mitarbeiter." Die Entscheider in IT-Unternehmen beschreiten neue Wege beim Recruiting: Je mehr sie den Mitarbeiter mit seinen Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellen, desto präziser lässt sich der Arbeitsrahmen daran ausrichten, und desto länger fühlt sich ein Mitarbeiter wohl und bleibt.

Von herkömmlichen Karrieremodellen und bürokratischen Hürden müssen sich Führungskräfte im Wettbewerb um die besten Köpfe schnellstens verabschieden, wollen sie als Coaches und nicht als Kontrolleure verstanden werden. Das fordern Gabriele Vollmar, Präsidentin der Gesellschaft für Wissensmanagement, und Uwe Rotermund, Geschäftsführer von Noventum Consulting, im Thesenpapier zur Studie "Wissensarbeiter und Unternehmen im Spannungsfeld", die der Personaldienstleister Hays in Auftrag gegeben hat. Die beiden Experten raten zu einer ergebnisorientierten Steuerung statt zu Mikro-Management.

Mehr Freiheiten

Sind Mitarbeiter also künftig von Vorschriften und Kontrolle befreit und können sich alles erlauben? Ganz so einfach ist es für Pentasys-Mann Lehnert nicht: "Auch bei uns müssen gewisse Spielregeln eingehalten werden wie etwa die Orientierung an den Anforderungen des jeweiligen Kundenprojekts." Jeder Mitarbeiter des mittelständischen Beratungsunternehmens ist gehalten, die Arbeit vor Ort beim Kunden an die erste Stelle zu setzen.

Siegfried Lautenbacher, geschäftsführender Gesellschafter des IT-Service-Anbieters Beck et al. Services, will ebenfalls die Kundenorientierung als wesentlichen Teil des Mitarbeiter-Engagements verstanden wissen: "Neue Kollegen kommen zu uns, weil sie hier selbstbestimmt arbeiten können. Ihnen geht es nicht in erster Linie um den schnellen Aufstieg auf der Karriereleiter, sondern um den Einsatz für den Kunden." Selbstdiszipliniertes und eigenverantwortliches Arbeiten bergen für Lautenbacher aber auch Gefahren: "Unsere Branche ist sehr gefährdet in Bezug auf hohe Arbeitsbelastung, weil die Arbeit Spaß macht. Denn im ‚ÄöFlow` verliert man oft nur allzu schnell das Zeitgefühl." Damit das nicht zum Dauerzustand wird, steuert das Management mit einer ausgeprägten Feedback-Kultur gegen: Eine technische Plattform erfasst weltweit das Arbeitspensum aller Mitarbeiter. So könne man sich schnell ein Bild von aus-ufernden Nachtschichten machen und eingreifen, erklärt Lautenbacher.

ByoD als Lockmittel?

Welche Rolle Bring your own Device (ByoD) und moderne Arbeitsmittel bei der Mitarbeitergewinnung und -bindung spielen, erklärt Pentasys-Personaler Lehnert: "In IT-Unternehmen haben Entscheider naturgemäß einen anderen Blick auf neue Arbeitsmittel. Durch die hohe IT-Affinität auch der Führungskräfte ist die Bereitschaft zur Modernität hier eher gegeben." Was allerdings noch nicht heiße, dass für Bewerber die Attraktivität eines Arbeitgebers von iPad & Co. abhänge.

Auch Anywhere24-Geschäftsführer Hertneck ist eher vorsichtig: "Wir praktizieren keinen ByoD-Ansatz - sowohl aus Standardisierungs- als auch aus Datenschutzgründen. Allerdings können unsere Mitarbeiter ihre Smartphones auch privat nutzen."

Beck et. al.-Mann Lautenbacher erklärt: "Wir nutzen Technologie als Chance, das kreative Potenzial unserer Mitarbeiter besser auszuschöpfen." Daher richte sein Unternehmen die Infrastruktur - eben die Frage nach den richtigen Arbeitsmitteln - immer an den Bedürfnissen des Mitarbeiters aus. "Ich glaube nicht, dass noch mehr IT-Spielzeug die guten Leute besser bei der Stange hält", ist er überzeugt.

Weiterbildung passgenau

Die Erfahrungen der drei Manager zeigen, dass auch in Sachen Fortbildung ein Umdenken erforderlich ist: Weiterbildungen im Standardpaket bei externen Anbietern kämen bei den Mitarbeitern nicht mehr an. Attraktiv sei, wer auf die individuellen Belange eingehe. Um diese aufzuspüren, organisiert Anywhere24 einmal jährlich einen Strategie-Workshop mit allen Beschäftigten. "Wir gewinnen dadurch wertvolle Erkenntnisse, welche internen Prozesse wir genau anstoßen beziehungsweise verbessern müssen", sagt Hertneck. Zum Beispiel könne sich herauskristallisieren, dass Mitarbeiter eine Weiterbildung im Bereich Projekt-Management oder zur internen Tool-Landschaft benötigten. "Diese Anregungen nehmen wir dann gezielt auf und arrangieren individuelle Inhouse-Trainings, zugeschnitten auf den Mitarbeiter und den Projektbedarf." HR-Experte Lehnert von Pentasys sieht die individuelle Unterstützung des Arbeitgebers in fachlicher wie auch persönlicher Weiterentwicklung ebenfalls als wichtiges Kriterium für eine positive Arbeitsumgebung an. Das IT-Unternehmen müsse glaubwürdig sein und realistische Perspektiven aufzeigen, und zwar von Anfang an. Zudem räumten die Pentasys-Mitarbeiter ihrem jeweiligen Arbeitsauftrag einen sehr hohen Stellenwert ein. "Ich habe den Eindruck, dass unsere Mitarbeiter unabhängig von Bereich oder Rolle ihre Aufgaben emotional deutlich höher bewerten als eine rein am Gelderwerb orientierte Tätigkeit. Für diese berufliche Motivation wollen wir die passenden Rahmenbedingungen schaffen." Das sei Führungsaufgabe.

Konsequente Unterstützung spezieller Mitarbeiterbedürfnisse, neue Kommunikationsformen und echte persönliche Perspektiven fordern nicht nur ein anderes Führungsbewusstsein im Management, sondern auch eine größere betriebswirtschaftliche Flexibilität. "Das Management ist der Dienstleis-ter für die Community", fasst Lautenbacher zusammen. (kf)

Silvia Hänig ist freie Journalistin in München.