Arbeitswelt der Zukunft

Was Mitarbeiter künftig können müssen

16.09.2015
Von 


Ulrich Ahle ist Head of Consulting & Systems Integration Market Manufacturing, Retail and Transportation beim IT-Dienstleister Atos.
Die Digitalisierung und Vernetzung der Produktionsabläufe stellt die Mitarbeiter vor neue Herausforderungen. Fach- und firmenübergreifende Zusammenarbeit und mehr Verantwortung des Einzelnen werden die Arbeitswelt bestimmen.

Industrie 4.0 und das Internet halten mit großen Schritten Einzug in die Fabrikhallen. Vergingen von der ersten bis zur zweiten industriellen Revolution noch über hundert Jahre, sind die Innovationszyklen heute deutlich kürzer. Fertigungsunternehmen, die sich am Markt halten wollen, können sich dieser Entwicklung kaum entziehen - ganz im Gegenteil: Innovations- und Kostendruck, Umsatz- und Effizienzsteigerung sowie der Fachkräftemangel zwingen zum Aufrüsten in Sachen Industrie 4.0. Die Veränderungen spielen sich jedoch nicht nur in den Produktionsstätten ab. Das Konzept wird auch die Arbeitsweise vieler Menschen grundlegend verändern.

Das wirtschaftliche Potenzial für Industrie 4.0 wird enorm hoch eingeschätzt: Eine Studie des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) sieht bis 2025 allein im Maschinen- und Anlagenbau ein zusätzliches Wertschöpfungspotenzial von 23 Milliarden Euro in Deutschland. Diese Entwicklung wird auch die Arbeitswelt beeinflussen.

Die Experton Group kommt in ihrer Studie "Industrie 4.0" zu dem Schluss: "Es werden neue, geänderte Aufgaben auf die Mitarbeiter zukommen, bewährte Arbeitsmuster werden sich verändern. Die Nutzung von Mobile Devices und digitalen Informationen wird omnipräsent, situations- und kontextadaptiv sowie augmented und pervasive sein."

Was heißt das nun genau? Enge Kooperation ist innerhalb der einzelnen Unternehmen und auch fabrikübergreifend stärker gefragt als je zuvor. Denn entscheidend bei der Anpassung, Vernetzung und Digitalisierung der Produktionsprozesse ist die übergreifende Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Abteilungen - gerade wenn diese vorher unabhängig voneinander und mit individuellen IT-Systemen gearbeitet haben - um zum Beispiel auf kurzfristige Änderungen schnell und flexibel reagieren zu können.

Durch den zunehmenden Vernetzungsgrad entstehen Berührungspunkte zwischen CIOs und IT-Fachkräften, Fachabteilungen sowie Geschäftsentscheidern, die es zuvor in dieser Form nicht gab. Von der Entwicklungs- bis zur Marketing-Abteilung ist in Zukunft eine enge Abstimmung durch das ganze Unternehmen notwendig.

Von der Entwicklungs- bis zur Marketingabteilung ist in der Industrie 4.0 in Zukunft eine enge Abstimmung durch das ganze Unternehmen notwendig.
Von der Entwicklungs- bis zur Marketingabteilung ist in der Industrie 4.0 in Zukunft eine enge Abstimmung durch das ganze Unternehmen notwendig.
Foto: Bugphai FOTO - Fotolia.com

Qualifizierungsniveau auf höherer Ebene

Die veränderte Kommunikation eröffnet neue Chancen: Um schnelle Lernkurven auszubilden, müssen Mitarbeiter abteilungs- und hierarchieübergreifend ihre Erfahrungen mit neuen Produkten, Materialien und Technologien austauschen und ihr Feedback zur Montage geben können, etwa über Social-Collaboration-Plattformen. So können schnell neue Ideen generiert und umgesetzt werden. Dadurch wird die Produktion auch für den Nachwuchs attraktiv, die sogenannte Generation Y. Denn sie ist gewohnt, mit allen zu kommunizieren - nicht nur innerhalb der Abteilungen oder entlang von Workflows und Geschäftsprozessen.

Auch das Qualifizierungsniveau der Mitarbeiter ändert sich, denn die Anforderungen aufgrund der Komplexität der Systeme steigen. Unternehmen benötigen einerseits kompetentes Personal, das dieser Herausforderung gewachsen ist. Andererseits vereinfacht die Technologie industrielle Prozesse und Handgriffe. Ein Beispiel dafür sind "assistierte" Mitarbeiter: Sie können ohne vorheriges Training, aber ausgestattet mit technischen Hilfsmitteln wie Smart Glasses auf Expertenwissen zugreifen - etwa vor Ort Informationen abrufen, wie sie ein Werkstück bearbeiten oder eine Maschine reparieren sollen.

Teamarbeit in Zeiten von Industrie 4.0

Eine weitere neue Form der Zusammenarbeit sind so genannte Communities of Practice, also praxisbezogene Arbeitsgruppen, die den funktionsübergreifenden Austausch im Unternehmen pflegen. Auf diese Weise können beispielsweise die Erfahrungswerte von Gruppenteilnehmern aus der Produktion zu verbesserten Abläufen führen. Oft kommen auch Verbesserungsvorschläge für Produkte oder für die Fertigung von Kunden oder vom Vertrieb.